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Windows 10 Ein Windows für alle(s)

Am 29 Juli 2015 stellte Microsoft die neueste Generation seines Betriebssystems Windows den Nutzern zur Verfügung: Windows 10. Für viele kostenfrei. Denn alle, die die Vorgängerversionen Windows 7 und 8 auf dem Rechner haben, können seitdem ein Jahr lang gratis umsteigen.

Von: Wolfgang Zehentmeier

Stand: 20.11.2015 | Archiv

"Der Start-Button bei Windows ist tot und wird auch nie mehr wiederkommen." Das war zum Start von Windows 8 zwei Jahre zuvor das Credo von Microsoft.

Das Startmenü ist wieder da.

Doch Totgesagte leben länger: Windows 10 hat auf der Desktop-Oberfläche wieder einen Start-Button und das zugehörige Start-Menü. Damit beugt sich Microsoft dem Druck der Desktop-Nutzer, die sich in 20 Jahren - seit Windows 95 - an den Start-Knopf gewöhnt hatten. Der Startknopf bei Windows 10 wird sogar noch ausgebaut: Das Startmenü kann in Teilen sehr individuell angepasst werden – von persönlichen Kontakten bis zur Lieblingswebsite.

Dennoch hält Microsoft an der Strategie fest, die der Konzern mit Windows 8 eingeschlagen hatte: Windows 10 soll auf allen Geräten laufen – vom Smartphone über die Spielkonsole Xbox One bis zum Großrechner. Und das Betriebssystem soll erkennen, wie der Nutzer mit dem jeweiligen Gerät arbeiten will und sich anpassen – Maus und Tastatur, Joypad oder per Touch.

Kein Technikbruch mehr

Windows 10 auf Mobilgerät und Desktop

Vorteil für den Nutzer: Auf Basis eines einheitlichen Betriebssystems für alle Geräte arbeiten diese ohne Technikbruch besser zusammen. Einmal gekauft können die Apps oder Programme auf unterschiedlichen Geräten weiter genutzt werden und die Bedienung bleibt in der Anmutung gleich. Das soll, so hofft Microsoft, wieder mehr Nutzer dazu bringen, auch auf Mobilgeräten Windows zu nutzen.

Android und iOS-Apps auf Windows 10

Blick aus Startmenü von Windows 10

Derzeit werden die meisten Apps für Smartphones und Tablets für die auf diesen Geräten führenden Betriebssysteme iOS und Android veröffentlicht. Windows bleibt vielfach unberücksichtigt. Weil die Auswahl an Apps kleiner ist oder es hier nicht die Lieblings-App gibt, entscheiden sich viele Leute beim Kauf eines Geräts gegen die Windows-Variante. Dadurch wird Windows immer uninteressanter. Diesen Teufelskreis will Microsoft mit Windows 10 durchbrechen und bietet in seiner Entwicklungsumgebung den Anbietern von Apps eine sehr einfache Möglichkeit, die Programme für Android und iOS auch in Windows-10-Apps zu übertragen. Durch diesen Schachzug soll die Windows-Basis sehr schnell eine große Anzahl weiterer Apps aus der Android- und iOS-Welt erhalten.

Für ein Jahr kostenfreier Umstieg

Windows 7 Nutzer haben das Update auf Windows 10 ungefragt auf den Rechner bekommen.

Damit einher geht die Überlegung, dass die Entscheidung auch mobil Windows zu nutzen nur funktioniert, wenn zuvor möglichst viele Menschen auch auf dem PC schnell vom etablierten Windows 7 und dem eher ungeliebten Windows 8 auf Windows 10 wechseln. Deswegen bietet Microsoft den Nutzern dieser beiden Betriebssysteme an, im ersten Jahr nach der Einführung von Windows 10, kostenlos auf das neue Betriebssystem umzusteigen.

Die letzte Windows-Version?

Screenshot Windows 10

Mit Windows 10 ändert Microsoft zugleich seine Produktphilosophie radikal: Bisher gab es ein Windows, das auf dem Stand der Technik blieb, zu dem es entwickelt wurde, und mit der Zeit veraltete bis es durch ein neues Windows abgelöst wurde. Wer auf dem neuesten Stand sein wollte, musste nachkaufen. Bei Windows 10 soll das grundsätzlich anders werden: Es wird immer wieder in den Teilen, die veraltet oder nicht mehr zeitgemäß sind, renoviert, sodass es immer auf dem aktuellen Stand der Technik ist - nicht nur wie bisher schon in Sachen Sicherheit, sondern auch bei grundlegenden Funktionen des Betriebssystems. Wer das kostenfreie Update im ersten Jahr nach dem Start von Windows 10 macht, soll diese ständigen Aktualisierungen auch über das erste Jahr hinaus weiter kostenfrei erhalten. Das könnte bedeuten, dass Windows 10 nach 30 Jahren die letzte Windows-Version ist.

Neuer Standard-Browser "Edge"

Zugleich ersetzt Microsoft den bisherigen Standard-Browser Internet Explorer (IE), durch einen neuen Browser, der Edge heißt. Schon der neue Namen soll Distanz zum IE schaffen, der nach dem Browserkrieg der späten 90er-Jahre jahrelang Browserprimus war, aber in den vergangen Jahren immer weiter Marktanteile verloren hat. Der IE funktioniert zwar auch in Windows 10 noch, wird aber nicht mehr weiterentwickelt.

PDF im Browser ohne Zusatzsoftware

Im neuen Browser Edge kann man Notizen direkt auf die Website schreiben.

Edge zeigt aufgrund geänderter Technik Webseiten schneller an, als der IE und bindet Erweiterungen, die für andere Browser entworfen wurden, wie zum Beispiel den Google-Browser Chrome, gleich mit ein. Edge ist zudem der erste Browser, der PDF-Dateien ohne Zusatzsoftware anzeigt. Dazu hat Microsoft die Windows-Funktion "One Note" in den Browser integriert. Das ermöglicht es, Webseiten direkt im Browser mit Kommentaren oder Zeichnungen zu versehen.

Gestatten: Cortana

Cortana aus dem Xbox-Spiel "Halo".

Die größte Neuerung aber heißt Cortana. Mit Cortana, die namensgleich mit der Computerintelligenz des Xbox-Helden Master Chief aus den Halo-Spielen ist, will Microsoft eine eigene Computerassistentin etablieren. Damit hat Microsoft nach "Siri", dem Assistenzprogramm von Apple oder "Google Now" für Android-Geräte mit Windows 10 ebenfalls eine Sprachassistentin.

Microsoft betont, Cortana könne durch die tiefe Integration ins Betriebssystem logische Verknüpfungen erstellen und zum Beispiel nicht nur an Termine aus dem Kalender erinnern, sondern bei Verkehrsbehinderungen, die das Programm selbstständig im Netz findet, die Erinnerung an den Termin automatisch vorziehen, verbunden mit dem Hinweis auf den Stau.

Microsoft sagt: Cortana kann man abschalten

Bei Datenschützern leuchten, wenn sie solche Dinge hören, dicke, rote Warnleuchten auf. Denn um einen solchen Service anzubieten, muss Cortana den Nutzer und seine Gewohnheiten sehr gut kennen und dafür umfassend zum Teil intimste Daten speichern und vorhalten.

Doch Microsoft wurde zum Start von Windows 10 nicht müde zu betonen, dass man Cortana und sämtliche ihrer Speicher jederzeit abschalten kann.

Microsoft bestätigt: Windows 10 sendet immer

Screenshot Windows 10

Im August 2015 stellten Blogger allerdings fest, dass Windows 10 selbst dann mit der Microsoft-Zentrale "spricht", wenn jede Kontaktaufnahme durch den Nutzer untersagt wurde. Im Oktober 2015 bestätigte Microsoft-Vizepräsident Joe Belfiore in einem Interview mit PC World, dass Kernelemente des Betriebssystems immer Daten sammeln und an Microsoft senden würden. Es würden aber nur Systemwerte, keine persönlichen Daten übertragen. Kontrollieren kann man das als Nutzer jedoch nicht. Die Übertragung soll helfen Fehler zu finden und Abstürze zu verhindern. Belfiore betonte, Microsoft höre zwar auf das Nutzer-Feedback, aber entscheide letztlich so, dass alle von einem besseren System profitieren würden. Damit ist klar, dass Microsoft nicht vor hat, die Kontaktaufnahme zu unterbinden, selbst wenn sie gegen den Willen der Nutzer geschieht.

Zweiter Anlauf

Windows 10 auf einem Laptop installiert.

Mit Windows 10 unternimmt Microsoft den zweiten Anlauf, die Relevanz des Windows-Betriebssystems auf Mobilgeräten zu steigern. Dazu versucht der Software-Konzern zunächst seine angestammte Kundschaft, die Desktopnutzer am Schreibtisch, mit Start-Knopf und einem Desktop-Look-and-Feel für das neue Betriebssystem zu gewinnen. Das neue System wird als Update ein Jahr kostenfrei verteilt, um die installierte Basis möglichst hoch zu treiben. Die Idee dabei: Je mehr Leute Windows 10 nutzen, um so mehr wollen es vielleicht auch auf ihrem Mobilgerät einsetzen.

Helferlein für die Mobilkunden

Zugleich wird auf Mobilgeräten die Kacheloberfläche eingesetzt und mit Cortana kommt ein längst überfälliges Helferlein vor allem für Mobilkunden. Das alles spricht für Windows 10. Auch durch den pfiffigen Versuch, iOS- und Android-Apps auf die Windows-Umgebung zu ziehen, wildert der Konzern im Terrain der beiden großen Mobilfunk-Betriebssysteme.

Ob das aber letztlich klappt, scheint - zumindest bei Andriod-Apps - noch nicht sicher.

Schaler Beigeschmack

Und es bleibt der schale Beigeschmack, dass das Betriebssystem im Hintergrund unkontrollierbar und nicht abstellbar Daten an die Microsoft-Zentrale schickt. Es wird sich zeigen, ob immer Daten-sensiblere Kunden diesen Weg wirklich mitgehen oder ob Microsoft auch hier – wie schon beim Start-Knopf – letztlich umsteuern muss.


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