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Neues Design Fenster-Renovierung: Windows 95

Zwei Jahre nach Windows NT bekommt Windows eine Rundum-Renovierung verpasst: Windows 95. Das neue System stützt sich, um die Privatanwender - und da vor allem die Computer-Spieler - nicht zu verprellen, weiterhin auf DOS, übernimmt aber Impulse von Windows NT.

Von: Wolfgang Zehentmeier

Stand: 20.11.2015 | Archiv

Bill Gates präsentiert Windows 95 | Bild: picture-alliance/dpa

Screenshot Windows 95

Windows 95 hat ein komplett neues Design. An die Stelle vieler kleiner Fenster, wie bei Windows 3.x, tritt das große Desktop-Panorama-Fenster, auf dem Programm-Symbole genauso liegen können wie Daten. Auffällig ist der große Start-Knopf: Er öffnet einen Menübaum mit Programmen, schafft Zugang zum System und Wissen zur DOS-Ebene. Witziges Detail am Rande: Über das Start-Menü beendet man Arbeiten mit dem Betriebssystem auch.

Meilenstein, aber noch nicht fertig

Logo Windows 95

Windows 95 ist sicher ein Meilenstein in der Windows-Geschichte, dessen grundsätzlicher Designansatz sich im Prinzip bis zu Windows 7 gehalten hat - eine Ewigkeit in der IT-Branche. Und nachdem Microsoft seine Nutzer in Windows 8 vom Start-Button entwöhnen wollte, kehrte der Software-Riese bei Windows 10 reumütig zum Start-Menü zurück.

Trotz des langlebigen Design-Ansatzes: Unter der neuen Haube sind einige Teile von Windows 95 - wie schon bei den Windows-Betriebssystemen zuvor - offenbar noch nicht richtig fertig. Gates gibt den Start-Schuss für Windows 95 mit einem riesigen Werbe-Etat. Mit Erfolg: Das neue System verkauft sich allein in den ersten drei Monaten rund 45 Millionen Mal. Doch Windows 95 ist zu ehrgeizig und der Schuss geht für manche der neuen Anwendungen erst einmal kräftig nach hinten los.

"Plug and pray"

Denn Windows 95 ist in Teilen sogar instabiler als der Vorgänger Windows 3.11. Die Funktion "plug and play" (einstecken und spielen) zum Beispiel soll eigentlich neue Hardware komfortabel ins System einbinden. Schon bald sprechen Spötter aber von "plug and pray" (einstecken und beten), denn immer wieder produziert die Funktion "schwere Ausnahmefehler" und lässt das System völlig abstürzen. Auch sonst wird die Arbeit immer wieder durch die berüchtigten "Blue-Screens" unterbrochen und meist mit Datenverlust beendet.

Unterschied zu Windows 3.x

Schön grün, ist auch schön.

In ihrem Ärger und ihrer Hilflosigkeit witzeln die Nutzer, dass der Hauptunterschied von Windows 3.x und Windows 95 der sei, dass Windows 95 mehrere Programme gleichzeitig zum Absturz bringen kann. Neue Versionen von Windows 95 verbessern die Stabilität, doch selbst die erste Ausgabe von Windows 98 - drei Jahre später - hat immer noch mit dem Problem Stabilität zu kämpfen. Erst mit Windows 98 SE (Second Edition), die im Mai 1999 in die Läden kommt, ist die Stabilität des Betriebssystems einigermaßen gewährleistet.

"Weißer Mann starrt auf Sanduhr"

Auch der Ressourcen-Hunger von Windows wird kritisiert. Weil viele Rechner die Anforderungen des neuen Systems nur knapp erfüllen, taucht immer wieder die Sanduhr auf, als Symbol dafür, dass der Rechner im Hintergrund arbeitet. So kommt der Spruch zustande, dass die Indianer Windows mit "Weißer Mann starrt auf Sanduhr" in ihre Sprache übersetzen würden.

WWW und Browserkrieg

Logo Internet-Explorer 5 | Bild: Microsoft

Ende der 90er-Jahre steht Windows im Mittelpunkt von Gerichtsverfahren. Microsoft hatte die Dynamik des World Wide Web Mitte der 90er-Jahre unterschätzt und zunächst als Bedrohung des Desktop-Betriebssystems, also des Microsoft-Kerngeschäfts, angesehen.

Andere Firmen wie Netscape liefern Mitte der 90er die Programme, um ins Internet zu gehen und zu surfen. Als Microsoft-Chef Bill Gates die große Resonanz und den Trend erkennt, ändert er seine Taktik und packt den Stier bei den Hörnern: Er baut das Microsoft-eigene Internet-Zugangsprogramm, den Browser "Internet Explorer" (IE), fest in das Betriebssystem Windows 95 ein. Das verschafft dem IE einen enormen Vorteil. Denn die Bequemlichkeit der Nutzer sorgt dafür, dass der bereits im Betriebssystem vorhandene IE innerhalb kürzester Zeit der meistgenutzte Browser ist. Es kommt zum so genannten Browser-Krieg.

Browser-Krieg

Wie groß die Marktmacht von Microsoft ist, belegen die Zahlen: 1995 nutzen noch rund 80 Prozent der Leute den Netscape Navigator zum Surfen. Ende der 90er-Jahre hat sich das Verhältnis praktisch ins Gegenteil verkehrt: Der Anteil des Internet Explorers ist von 3 Prozent 1995 auf mehr als 90 Prozent gestiegen. Das wiederum hat Auswirkungen auf das Internet selbst. Denn die Multimedia-Programmierer richten sich nach dem Browser, der die meisten Nutzer hat, was wiederum dazu führt, dass Microsoft großen Einfluss auf Innovationen und neue Standards im Internet hat.

Die in diesem Browser-Krieg unterlegenen Parteien versuchen, Microsoft kartellrechtlich zu belangen. Aber der Gates-Konzern zieht sich immer wieder außergerichtlich durch Geldzahlungen aus der Affäre.

Auch hier geht die Gates-Taktik letztlich wieder auf: Andere sehen die Entwicklung zwar viel eher als er. Doch er springt gerade noch rechtzeitig auf den Zug auf, nutzt dann seine Marktmacht und beansprucht schnell den Platz in der Lokomotive für sich.


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