Bayern 2 - Zündfunk

Der Sound der Wechseljahre Wie die Popkultur die Menopause verarbeitet

Bei Beth Gibbons klingt sie ziemlich depressiv, Miranda July ist gestresst und auf Instagram sind alle schrecklich happy darüber, weil hey: Jetzt geht's für Frau doch erst richtig los! Die Menopause hat die Popkultur erreicht und zum Glück gibt's da noch eine andere Stimme.

Von: Laura Selz

Stand: 23.05.2024 | Archiv

Beth Gibbons - Lives Outgrown | Bild: Domino Records

Wie viele Meilensteine muss eine Frau in ihrem Leben erreichen und abfeiern? Und was ist, wenn kein Meilenstein mehr kommt? Das erste Soloalbum von Beth Gibbons heißt "Lives Outgrown". Entwachsene Leben. Es geht um Mutterschaft, um die Wechseljahre und schließlich – um die eigene Sterblichkeit.

Wenn die Sängerin von Portishead über die Menopause singt, dann klingt das erwartbar deprimierend. An die eigene Endlichkeit erinnert zu werden – ist scheiße. Im Song "Floating on a Moment" singt die 59-Jährige, wie sie ohne Kontrolle auf eine Grenze zusteuert. Und in "Oceans" weigert sie sich, das alles auch noch abzufeiern. In ihrer Bio zum neuen Album schreibt sie: "Before, I had the ability to change my future, but when you're up against your body, you can't make it do something it doesn't want to do."

YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Oceans | Bild: Beth Gibbons - Topic (via YouTube)

Oceans

Ist das der Sound der Wechseljahre?

Das Thema Menopause wird in der Popkultur nun eher selten besungen. Hitzewallungen und Hormonschwankungen sind nur ein Thema, solange sie sexy sind. Wie bei Herzschmerz, Dating und Pubertät. "Im not a girl – not yet a woman" von Britney Spears war ein Banger! Der Übergang vom Mädchen zur Frau. So viel Hoffnung. So viel Zukunft. Hach!

Aber was ist mit der anderen Pubertät? Der quasi umgekehrten jenseits der 50? Allein hierzulande befinden sich gerade 9 Millionen Frauen in den Wechseljahren. Diese Frauen verschwinden ja nicht. Und nicht jede möchte sich der Depression hingeben. Die meisten wollen lieber wissen, wie es weitergeht.

Und folgen wir so genannten Meno-Influencerinnen auf Instagram, dann geht es sehr wohl weiter – und zwar HAPPY HAPPY HAPPY! "The Menopause should be a positive, happy experience", sagt zum Beispiel die Meno-Influencerin Menopause Doctor. Wer viel auf Social Media unterwegs ist und zur Zielgruppe gehört – dem wird auffallen, dass es immer mehr sogenannte Meno-Influencerinnen gibt. Accounts wie Menopause Matters oder Menopause Stories wollen aufklären. Der Bedarf ist da, sonst wären sie nicht so erfolgreich.

Instagram-Vorschau - es werden keine Daten von Instagram geladen.

menopause_doctor

Instagram-Beitrag von menopause_doctor | Bild: menopause_doctor (via Instagram)

Der Druck zur Selbstoptimierung

Aber wie bei allen wohlgemeinten Hilfen zur Selbsthilfe entwickelt sich eine zynische Dynamik: Frau muss nicht mehr depri sein. Sie kann sich entscheiden. Aus anything goes wird anything must. Da, wo wir uns optimieren können, entsteht ein Druck, sich dann auch gefälligst zu optimieren. Und so finden wir auf Instagram auch Fitness-Influencerinnen jenseits der 50, die ihren After Menopause Body zeigen. Wir erinnern uns, zuletzt gab es den Trend, frischgebackene Mütter mit dem Ideal des After Baby Bodys unter Druck zu setzen. Nun also der gestählte After Menopause Body.

Instagram-Vorschau - es werden keine Daten von Instagram geladen.

so_this_is_50

Instagram-Beitrag von so_this_is_50 | Bild: so_this_is_50 (via Instagram)

Es geht weiter – und zwar sexy!

Welcher neue Druck da entsteht, beschreibt Miranda July humorvoll in ihrem neuen Buch "Auf allen Vieren". Die Ich-Erzählerin erfährt, welche Symptome auf sie zukommen – so wie Scheidentrockenheit, Depression, Herzrasen, trockene Haut, Haarverlust et cetera – und dass man da was gegen machen kann, machen muss!

"Wenn ich im Mainstream weiterhin weiblich wirken wollte, musste ich mich mit dem Vertuschen und Beherrschen,..., noch mehr ins Zeug legen."

- Miranda July in 'Auf allen Vieren'

Strong and happy durch die Wechseljahre. Die Kreativagentur Dark Horses hatte letztes Jahr eine große Aufklärungskampagne zur Menopause, deren Tenor schnell kapitalistisch wurde: "The symptoms – ranging from anxiety, depression and lack of confidence – will negatively affect their working life." Trotz Symptome weiterfunktionieren. Wir steigern das Bruttosozialprodukt!

Die Kreativagentur Dark Horses steht für Kampagnen rund um Sport, Fitness und Wellness. Und da geht es nun für Frauen ab 50 erst richtig los. Teil der Kampagne war auch eine humorvolle Playlist auf Spotify: The Menopause Mix. Die 100 Songs sind so angeordnet, dass die Songtitel die Reise der Wechseljahre erzählen. Von Ava Kings "I Don't Wanna Have Sex" bis hin zu "I Can See Clearly Now" von Johnny Nash.

The relaxed side of Menopause

Stark und sexy bis zum Schluss – die einen wollen das, und sollten das auch wollen dürfen. Andere Frauen hingegen wollen schlicht: in Ruhe gelassen werden und sehen die Wechseljahre als Chance, nicht mehr alles rocken zu müssen. In ihrem Song "Joy of Ageing" fand die Musikerin Christiane Rösinger folgende Worte:  

"Und doch muss ich mein Alter loben / Der Pflicht zur Fortpflanzung enthoben / Vom Mittun in der Dating-Welt / Sind wir zum Glück freigestellt / Fifty, clumsy and shy / Und bin doch immer noch dabei / Fifty, clumsy and shy / And many years before we die / That's the joy of aging / That's the joy of aging."

- Christiane Rösinger in 'Joy of Ageing'

Zwischen der totalen Depression à la Portishead und dem lauten Abfeiern auf Instagram gibt es also auch etwas dazwischen. Eine Art Gelassenheit. Nichts mehr müssen, nur noch sein.

YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Christiane Rösinger - Joy Of Ageing (Audio) | Bild: Beautiful Loser (via YouTube)

Christiane Rösinger - Joy Of Ageing (Audio)