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Überraschungserfolg: "Morgen ist auch noch ein Tag" "Eine Geschichte, wie ich sie in dem Film erzähle, war überfällig"

In Italien ist der Kinofilm "Morgen ist auch noch ein Tag" erfolgreicher als "Barbie". Und das, obwohl er ein schweres Thema hat: Gewalt gegen Frauen. Wir haben mit Regisseurin Paola Cortellesi gesprochen und sie gefragt, was sich in Italien ändern muss.

Von: Sandra Limoncini

Stand: 18.04.2024

In Italien erfolgreicher als "Barbie": "Morgen ist auch noch ein Tag" | Bild: Tobis

Zündfunk: Ihr Film hat in Italien eine breite Debatte über Frauenmorde ausgelöst. Wie kam es dazu?

Paola Cortellesi: Das ist etwas, worüber ich mich sehr freue. Debatten muss man anstoßen – und Geschichten können ein solcher Anstoß für eine Debatte sein. Genau das wollte ich mit dem Film erreichen: dass Frauen und auch Männer (denn die Hälfte der Filmzuschauer sind Männer) jetzt darüber reden und sich austauschen. Durch den Film wird in Italien viel mehr über das Thema Femizid gesprochen. Eine Geschichte, wie ich sie in dem Film erzähle, war überfällig.

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MORGEN IST AUCH NOCH EIN TAG Trailer Deutsch | Jetzt im Kino! | Bild: TOBIS (via YouTube)

MORGEN IST AUCH NOCH EIN TAG Trailer Deutsch | Jetzt im Kino!

Die Statistik besagt: In Italien wird alle drei Tage eine Frau getötet. Nach Daten des Innenministeriums starben im letzten Jahr 120 Frauen eines gewaltsamen Todes. Bei 97 Fällen kam der Täter aus dem eigenen familiären Umfeld. Wieso ist die Frauenmordrate in Italien so hoch?

Das liegt an einer kranken Kultur, es ein abartiges gesellschaftliches Phänomen: Ein Teil der Männerwelt betrachtet Frauen immer noch als ihr Eigentum – und nennt das dann "Liebe". Wenn man sich anschaut, wie Frauenmorde ablaufen, dann steht am Anfang immer eine Frau, die versucht, sich zu emanzipieren oder sich zu trennen. Und es gibt immer einen Ex-Mann, einen Ex-Freund, eben einen Mann, der diese Zurückweisung nicht akzeptiert. Wenn eine Frau "Nein" sagt, dann fällt es italienischen Männern bis heute schwer, das zu respektieren und zu verarbeiten. Frauenmorde passieren aber überall. In jeder sozialen Schicht, unabhängig vom kulturellen Hintergrund und in jeder Region.

Wie steht es insgesamt um die weibliche Selbstbestimmung in Italien?

Neben den Femiziden gibt es viele Frauen, die Opfer von Gewalt werden. Ihnen fällt es oft schwer, diese Taten anzuzeigen oder einen gewalttätigen Mann zu verlassen. Denn viele dieser Frauen sind finanziell abhängig. Wobei es auch finanziell unabhängige Frauen gibt, die an den falschen Mann geraten.

Aber es wächst auch das Bewusstsein dafür, wie wichtig die Selbstbestimmung von Frauen ist. Es gibt viele Frauen in Italien, die sich dafür einsetzen: Sei es in den Medien, indem sie sich bei Frauennotrufen engagieren, in Anti-Gewalt-Zentren, in der Rechtshilfe… Es gibt eine große Gemeinschaft von Frauen und auch von Männern, die bereit sind, der Gewalt etwas entgegenzusetzen!

Was muss sich ändern? Wie kann die Situation der italienischen Frauen verbessert werden?

Als Bürgerin und als Mutter würde ich mir wünschen, dass es in der Schule ein Fach gibt, das zu einem liebevollen Miteinander erzieht. Ein Schulfach, das aufklärt über Respekt und Sexualität. Wir sollten ein solches Schulfach von der Mittel- bis zur Oberstufe in den Lehrplan aufnehmen. Denn das ist offensichtlich notwendig: Frauenmorde geschehen immer häufiger bei den ganz Jungen. Junge Menschen stecken in einem kulturellen schwarzen Loch. Und wir müssen sie da rausholen. Ein Ansatzpunkt sind da die Schulen.