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Das Thema Werdegang

Stand: 05.03.2012 | Archiv

Mitte des 19. Jahrhunderts wird das Murren bürgerlicher Frauen lauter, sie begehren gegen die politische Ausgrenzung auf. Arbeiterinnen, die nicht selten in Not und Elend leben, müssen sich zu dieser Zeit mit anderen Problemen herumschlagen, als mit der Frage des Frauenstimmrechts. "Wer sich in der Frauenbewegung engagieren wollte, konnte nebenbei nicht arbeiten", betont Michaela Karl, "das konnten sich nur Frauen leisten, die eine üppige Apanage erhielten oder wohlhabend waren".

Frauenrechtlerinnen organisieren sich

1868 gründet Lydia Ernestine Becker (1827-1890), Tochter eines Fabrikbesitzers, die National Society für Women's Suffrage (NSWS), zudem gibt sie die Zeitschrift Women's Suffrage Journal heraus. Suffrage bedeutet Stimmrecht; der Begriff leitet sich vom lateinischen Wort suffragium ab.

Die Anhänger des Frauenstimmrechts treffen sich am 14. April 1868 zur ersten öffentlichen Versammlung. Fortan werden immer wieder Petitionen eingereicht und Gesetzesvorschläge zum Frauenstimmrecht ans Parlament geschickt.

Den Frauenrechtlerinnen schlägt das geballte Unverständnis der britischen Männerwelt entgegen. Die Vorstellung, eine Frau habe zuhause zu bleiben, während sich der Mann um öffentliche Dinge kümmert, ist quer durch die Gesellschaft verbreitet. Gerade im Bürgertum hat die Institution der Familie einen hohen Stellenwert, hier sorgt schon der Gedanke, die Frau könnte ihren angestammten Platz verlassen, für Panik. Ängste, politisch aktive Frauen würden "vermännlichen" und das gesellschaftliche Gefüge zum Einsturz bringen, machen die Runde. Hinzu kommt die Befürchtung vieler Männer, dass Frauen ein entscheidender Faktor bei Wahlsiegen und -niederlagen werden könnten.

Auf dem Weg zur Massenbewegung

Versuche, den Stimmrechtsbefürwortern mit kleinen Zugeständnissen den Wind aus den Segeln zu nehmen, scheitern. Zwar werden alleinstehende oder verwitwete Frauen ab 1869 zu Gemeindewahlen zugelassen, doch die Debatte geht weiter. Auch innerhalb der Frauenbewegung wird heftig gestritten, denn einige kompromissbereite Aktivistinnen sind bereit, sich mit einer Beschränkung des Wahlrechts auf ledige Frauen oder Besitzbürgerinnen zufrieden zu geben. Die Bewegung zerfasert in Splittergruppen, erst 1897 kommt wieder ein Dachverband, die National Union of Women's Suffrage Societies (NUWSS), zustande.

Die NUWSS setzt auf vor allem auf Lobbyarbeit. Die Frauen versuchen einflussreiche Parlamentarier für ihr Anliegen zu gewinnen, reichen Petitionen ein, platzieren Artikel in angesehenen Zeitungen und verlegen eigene Blätter. Bis 1914 wächst die NUWSS auf 100.000 Mitglieder an. Daneben existieren weitere Gruppierungen mit teils sozialen Anliegen, auch Frauengewerkschaften entstehen. Bei Demonstrationen für das Frauenstimmrecht zeigen sich die einzelnen Verbände solidarisch und gehen gemeinsam auf die Straße. So kommt es zu Massendemonstrationen mit zehntausenden Teilnehmerinnen.


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