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Das Thema Frauenbewegungen

Stand: 05.03.2012 | Archiv

Die Revolution von 1848 ist das Startsignal für die Frauenemanzipation in Deutschland. Frauen wie Johanna Kinkel (1810-58) und Amalie Struve (1824-62), bürgerliche Gattinnen prominenter Demokraten, glauben, eine demokratische Revolution werde den Frauen zu ihren Rechten verhelfen.

Die deutsche Frauenrechtsbewegung entsteht

Sie fordern Gleichberechtigung, berufliche Emanzipation und Liebe ohne Ehezwang. Arbeiterinnen bauen während der Revolution Barrikaden, während Damen der Gesellschaft die Aufständischen finanziell unterstützen. In der Paulskirche, dem Tagungsort der Nationalversammlung, hält man die Frauen jedoch auf Distanz. Die Parlamentarier werfen die Frage der Frauenrechte überhaupt nicht auf und auch die von der Frankfurter Versammlung formulierten Grundrechte erwähnen das Thema nicht. Frauen dürfen die Debatten in der Paulskirche nur vom "Damenbalkon” aus verfolgen und werden in Karikaturen als "Emancipatientinnen” verspottet. "Wir wollen nicht mehr Mägde von Knechten sein - freie Frauen und freie Männer”, empört sich Amalie Struwe. Nach der Niederschlagung der Revolution wird sie inhaftiert und geht mit ihrem Mann später ins Exil nach Amerika. In der nun folgenden Restaurationsperiode kommt die Frauenbewegung vorerst zum Erliegen.

Kampf für politische Rechte

Die politische Liberalisierung der 1860er Jahre führt schließlich zur Gründung des ersten deutschen Frauenvereins, des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins (ADF), durch die sozialkritische Schriftstellerin Louise Otto-Peters (1818-95) im Jahr 1865. Seit den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts macht die deutsche Frauenbewegung zunehmend auf sich aufmerksam. Fast alle Aktivistinnen dieser Bewegung stammen aus bürgerlichen Kreisen. Sie arbeiten als Lehrerinnen (einer der wenigen Berufe, die Frauen offen stehen), einige sind Publizistinnen, andere Haus- und Ehefrauen. Sie kritisieren, dass ihnen bestimmte Berufe versperrt bleiben, fordern die Öffnung höherer Schulen und Universitäten auch für Frauen und verlangen die Zulassung zum Arzt- und Anwaltsberuf. Sie kämpfen für politische Rechte auf staatlicher und kommunaler Ebene und sie lehnen Gesetze ab, die die verheiratete Frau zur Befehlsempfängerin ihres Mannes degradiert. Eine engagierte Kämpferin für die Rechte der Frauen ist auch Hedwig Dohm (1831-1919), Mitbegründerin des Frauenvereins Reform. 1876 schreibt sie: "Was ist ein Neger? Was ist ein Jude? Was ist eine Frau? Unterdrückte Menschen. Unterdrückt von wem? Von ihren Brüdern, die stärker sind als sie.”

Linke Frauenaktivistinnen

Neben der bürgerlichen gibt es eine proletarische Frauenbewegung, die eng mit der Sozialdemokratie verzahnt ist. Deren Organisatorin ist Clara Zetkin (1857-1933). Unter ihrem Einfluss nehmen die Sozialdemokraten das Frauenwahlrecht in ihr Programm auf. Auf dem Frauenkongress 1910 erfindet Clara Zetkin den "Internationalen Frauentag” und kämpft ebenso energisch für das Wahlrecht wie einige ihrer bürgerlichen Schwestern. Deren Bemühen um bessere Berufschancen kann sie allerdings nur belächeln. Arbeiterinnen haben im 19. Jahrhundert keine Schwierigkeiten, einen Arbeitsplatz zu bekommen - allerdings unter unmenschlichen Bedingungen und für einen miserablen Lohn, der überdies dazu dient, die Gehälter der Männer zu drücken. Die Entwicklung der Produktivkräfte habe die Frauen aus der "Enge und Abhängigkeit ihres häuslichen Hausfrauendaseins heraus gezwungen”, meint Clara Zetkin, nun müsse die Gewährung politischer Rechte folgen. Weitere Forderungen der proletarischen Frauenbewegung sind der Acht-Stunden-Tag, das Verbot von Arbeit, die für Frauen gesundheitsschädlich ist, Mutterschafts- und Krankenversicherung und die Aufnahme weiblicher Mitglieder in die Gewerbeaufsicht.

Suffragetten als Vorbild

Auch die Frauenrechtlerin Anita Johanna Augspurg (1857-1943) schließt sich dem linken Flügel der Frauenbewegung an. Die Lehrerin und Schauspielerin studiert von 1893 bis 1897 in Zürich Jura und wird promoviert. 1903 übernimmt sie den Vorsitz des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht. Sie ist Mitbegründerin der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit und gibt die Zeitschrift für Frauenstimmrecht heraus. Bei Aufenthalten in London erlebt sie Demonstrationen der Suffragetten und lernt Christabel Pankhurst kennen. Beigeistert macht Anita Augspurg die Farben der Suffragettenbewegung in Deutschland bekannt und übernimmt auch Propagandamittel wie Flaggen und Wimpel. Von der Militanz der englischen Schwestern lässt sie sich jedoch nicht anstecken.


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