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Empty Nest Syndrom Wenn die Kinder ausziehen

Wenn die Kinder das Haus verlassen oder das erste Mal nicht mit in den Urlaub fahren, beginnt auch für Eltern ein neuer Lebensabschnitt. Tipps, wie Sie die neue Freiheit genießen können.

Stand: 01.08.2023

Jugendliche Tochter verabschiedet sich von ihrer Mutter in einem Wohnungsflur | Bild: mauritius images / Iakov Filimonov / Alamy / Alamy Stock Photos

Das sogenannte Empty-Nest-Syndrom, also die Trauer über das verlassene Nest, trifft viele Eltern. Das ist ganz normal. "Es ist eine Aufgabe, die wegfällt", sagt Psychotherapeut Rainer Ewe.

Vor allem der Auszug des jüngsten oder des einzigen Kindes ist für die Eltern ein großer Einschnitt, viele empfinden ein Gefühl der Leere. "Das ist kein persönliches Versagen, sondern eine Situation, die fast alle Eltern belastet", sagt Rainer Ewe.

Wenn die Kinder das erste Mal nicht mehr mit in den Urlaub fahren

Viele Kinder haben in der Pubertät oder als Jugendliche schon keine Lust mehr, mit den Eltern in den Urlaub zu fahren und die Eltern reagieren mit Unverständnis und Ärger. Dazu sagt Psychologe Rolf Schmiel: "Meine persönliche Meinung dazu ist, dass, wenn die Kinder sagen, sie wollen nicht mehr mitfahren, sollen sich die Eltern freuen – weil es zeigt, dass man in der Erziehung eine Menge richtig gemacht hat. Die Eltern sollen sich freuen, dass die Kinder so eine innere Sicherheit spüren, dass sie sagen: 'Ich schaff es, diese Zeit alleine zu sein'. Die Frage ist, ob die Eltern schon die richtige Reife dafür haben."

Rolf Schmiel empfiehlt Eltern, die das erste Mal wieder ohne Kinder, also als Paar, verreisen, sich vor dem Urlaub eine Liste zu schreiben, was man alles gerne unternehmen möchte: "Und dann endlich mal was machen, worauf die Kinder nie Bock hatten, aber was man schon immer mal machen wollte – also zum Beispiel eine ausgiebige Museumstour oder eine Reise in ein Nudistencamp, was man den Kindern nie zumuten wollte. Man sollte etwas tun, worauf man sich von Herzen freut und was die Aufmerksamkeit maximal bündelt."

Hören Sie in unserem Blaue Couch Podcast mit Barbara Becker, wie sie gelernt hat, ihre Söhne loszulassen.

https://www.ardaudiothek.de/episode/blaue-couch/barbara-becker-fitnesstrainerin-und-autorin/bayern-1/87200346/

Erster Tipp: Sprechen Sie offen über Ihre Gefühle. Mit Freunden und anderen Eltern, vor allem aber auch mit dem Partner. Wenn die Trauer den Alltag allerdings überschattet, sollten Eltern sich professionelle Hilfe suchen.

Hier finden Sie Informationen zum Thema Depression.

Wenn das Kind auszieht - Freundschaften aktivieren

Sind die Kinder aus dem Haus, bleibt Eltern plötzlich mehr Zeit für sich selbst. Die Freiheit, nach der sie sich vielleicht sehnten als die Kinder klein waren, sollten Eltern erwachsener Kinder nutzen. Psychotherapeut Rainer Ewe rät, Freundschaften zu aktivieren und die gewonnene Zeit für Aktivitäten zu nutzen, die Spaß machen.

"Für Eltern stellt sich zu diesem Zeitpunkt die Frage nach der eigenen Lebensperspektive mit neuer Schärfe", sagt Rainer Ewe. Mit dem Eintritt in die neue Lebensphase bieten sich neue Chancen und Möglichkeiten. Manchmal hilft es, sich zur erinnern, was einen vor der Geburt der Kinder begeistert hat und wofür später vielleicht die Zeit fehlte.

Wenn die Tochter auszieht - das Kinderzimmer neu nutzen

Durch den Auszug wird im Haus häufig Platz frei: "Wenn man das Kinderzimmer für ein Hobby nutzt und umgestaltet, ist das ein deutliches Zeichen für eine neue Lebensphase", sagt Ewe.

Aber auch in diesem Fall ist Offenheit wichtig: "Wer eine solche Renovierung plant, sollte vorher mit dem Kind sprechen, um Missverständnisse zu vermeiden", sagt Ewe. Deshalb: Erzählen Sie Ihrem Kind von der Neugestaltung seines Kinderzimmers und erklären Sie es. Dann fühlt es sich nicht zurückgesetzt.

Die Kinder sind weg - leben Sie Ihre Paarbeziehung

"Es gibt zwei Situationen, in denen eine Partnerschaft besonders krisenanfällig ist: Nach der Geburt des ersten Kindes und nach dem Auszug des jüngsten Kindes."

Psychotherapeut Rainer Ewe

Im Alltag rückt die Beziehung oft in den Hintergrund: "Wenn die Funktion des Paares als Eltern wegfällt, ist mitunter von der Paarbeziehung nicht mehr viel übrig", sagt Ewe. In diesem Fall rät der Therapeut Paaren, sich offen einzugestehen, dass die Situation kritisch ist und man sich nun auch als Paar neu definieren kann und vielleicht auch muss.

Im Idealfall nehmen sich Paare bereits, während die Kinder noch zu Hause wohnen, Zeit für ihre Beziehung. Ewe rät, sich einen Tag oder Abend für die Beziehung zu reservieren. Dann erleben sich die Partner nicht nur in ihrer Rolle als Eltern, sondern ganz bewusst auch als Paar.

Vor dem Auszug des Kinds - Konflikte nicht überbewerten

"Für manch jungen Erwachsenen ist es quälend, noch in der Kindposition zu sein", sagt Psychotherapeut Ewe. Dass es in dieser Situation vor dem Auszug zu Konflikten kommt, gehört dazu. Mit der Wohnsituation wird der Konflikt häufig aufgelöst, die Eltern-Kind-Beziehung verändert sich und wird manchmal auch unbelasteter. "Man sollte den Krach deshalb als etwas sehen, das dazu gehört", rät Ewe.

Das Kind zieht aus - Tipps für Eltern

  • Bereiten Sie sich bereits einige Zeit vor dem Auszug gedanklich auf den Abschied von Ihrem Kind vor, dann fällt das Loslassen vielleicht leichter.
  • Sprechen Sie offen über Ihre Gefühle nach dem Auszug des Kindes - mit anderen Eltern und dem Partner.
  • Sind die Gefühle von Trauer und Einsamkeit sehr groß, suchen Sie sich professionelle Hilfe.
  • Aktivieren Sie alte Freundschaften.
  • Eine neue Sportart, das Theater-Abo, der Sprachkurs - nutzen Sie die neugewonnene Zeit.
  • Nutzen Sie auch den gewonnenen Platz im Haus oder der Wohnung - machen sie aus dem Kinderzimmer einen Raum für sich (mit einem Schlafsofa). Warnen Sie Ihr Kind vor.
  • Machen Sie neue Pläne mit Ihrem Partner.

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