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Plastikmüll und Kunststoffe in einem Werkstoffhof zum Kunststoffrecycling

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Wie die EU dem Plastikmüll den Kampf ansagt

25 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle produzieren wir Europäer jährlich. Nun hat die EU-Kommission eine Strategie vorgestellt, um die Plastik-Müllberge bis 2030 zu reduzieren. Die Devise lautet: Viel weniger Plastik verwenden und viel mehr recyclen.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Plastiktüten, PET-Flaschen, Einweggeschirr: Von den 25 Millionen Tonnen Kunststoff, die wir Europäer jedes Jahr produzieren, werden 95 Prozent nur ein einziges Mal verwendet und dann weggeworfen, so die Zahlen der EU-Kommission. Bisher wurde ein Großteil dieses europäischen Plastikmülls exportiert, doch nun hat Hauptabnehmer China seinen Markt dicht gemacht. Die EU-Kommission fordert daher ein Umdenken, um die unfassbare Kunststoffabfall-Flut bis zum Jahr 2030 zu reduzieren. Dazu hat sie am 16. Januar in Brüssel eine neue Strategie vorgestellt.

"Recyclingfreundliches Design" fördern

Die Strategie beinhaltet, dass alle Kunststoffverpackungen bis 2030 recyclingfähig sein sollen, Einwegkunststoffe sollen reduziert und die absichtliche Verwendung von Mikroplastik beschränkt werden. Dazu werden auch die Verpackungsvorschriften innerhalb der EU angepasst. Das "recyclingfreundliche Design" soll im Mittelpunkt stehen und überflüssige Verpackungen vermieden werden.

Plastiktüten-Richtlinie

Im November 2016 wurde schon eine EU-weite Richtlinie zur Nutzung von Einweg-Plastiktaschen umgesetzt. Sie soll die Plastikbeutel-Nutzung bis zum Jahr 2019 verglichen mit 2010 um 80 Prozent verringern. Der Handel in Deutschland hatte sich verpflichtet, die kostenlose Abgabe von Plastiktüten einzuschränken.

Kunststoffe trennen statt verbrennen

Bisher werden weniger als 30 Prozent der 25 Millionen Tonnen Plastikabfälle wiederverwendet. Das soll sich nun ändern und die EU-Kommission wird dabei sehr konkret: Sie prangert zum Beispiel an, dass 70 Prozent der Kunststoffabfälle in Europa auf Deponien gelagert oder verbrannt und nicht recycelt werden. Das soll sich bis 2030 auf jeden Fall ändern. Die EU-Kommission möchte erreichen, dass es dem Einzelnen leichter fällt, Kunststoffe zu trennen und zu recyceln.

"Selbst wenn sich die Verbraucher um Mülltrennung bemühen, ist es bei einem Großteil der genutzten Verpackungen schwierig oder sogar unmöglich, sie zu recyceln. Das gilt z. B. für dunkle Lebensmittelbehälter, die von den Scans bei der Sortierung nicht erfasst werden, oder für mit Kunststoff beschichtete Pappbecher für Kaffee." EU-Kommission

Wenn möglich: Einmal-Produkte abschaffen

Vor allem sollen die Plastikverpackungen und Kunststoff-Gegenstände verschwinden, die nur zur einmaligen Verwendung hergestellt werden: Fast-Food-Essensboxen, Coffee-to-go-Becher, Einmalgeschirr, Strohhalme oder Einwegflaschen zum Beispiel. Dazu könnten auch Pfandsysteme ausgebaut werden. Biologisch abbaubare Ersatzprodukte sollen für die Verbraucher besser und einheitlich gekennzeichnet werden.

Im Jahr 2050: Mehr Kunststoff als Fische in den Meeren

Gerade der Zustand der Meere und Strände drängt zum Handeln. Einer Studie des US-Wissenschaftsmagazins "Science" zufolge landen jährlich rund acht Millionen Tonnen nicht ordnungsgemäß entsorgten Plastikmülls in den Meeren. Davon soll nach Angaben der EU-Kommission die Hälfte Einwegkunststoff sein. Daher sieht eine erste EU-Richtlinie vor, dass in allen europäischen Häfen Sammelstellen für auf See anfallende Abfälle eingerichtet werden. Doch auch das ganze Plastik aus dem Landesinneren, das früher oder später in den Meeren landet, soll vermieden werden.

"Wenn wir nicht die Art und Weise ändern, wie wir Kunststoffe herstellen und verwenden, wird 2050 in unseren Ozeanen mehr Plastik schwimmen als Fische."

Frans Timmermans, Erster Kommissionsvizepräsident der EU

Strand-Abfall: Plastikbecher, Hygieneartikel, Zigarettenstummel

Auch an den Stränden weltweit finde man vor allem Einwegartikel aus Kunststoff als Müll: Zigarettenstummel, Getränkeflaschen, Wattestäbchen, Hygieneeinlagen, Tragetaschen, Chipstüten und Verpackungen von Süßigkeiten, Strohhalme und Rührstäbchen, Luftballons, Lebensmittelbehälter, Becher sowie Besteck zählt die EU-Kommission auf. Mit der Abschaffung von Einwegprodukten aus Plastik könnte hier eine Besserung eintreten.

Meer voll Plastik

Und die ist schnell und dringend nötig, denn wie die Leiterin Meeresschutz beim WWF Deutschland Heike Vesper erklärt, haben bereits heute 90 Prozent aller Seevögel, die tauchen, Plastik in ihren Mägen. Doch auch alle anderen Meerestiere wie Robben, Fische, Muscheln, Wale, Delfine oder Wasserschildkröten leiden unter dem Kunststoff in ihrem Lebensraum. Vesper ist zwar der Meinung, dass Deutschland mit dem Grünen Punkt und dem Lizenzsystem ein gutes Abfallwirtschaftssystem habe, aber sie erinnert auch daran, dass es Fakt ist "dass Deutschland auf Platz vier der EU steht, was die Menge an Plastikmüll angeht. Und mit 37,9 Kilogramm sind wir über dem Durchschnitt des EU-Bürgers ...".

Anreize für die Wirtschaft

Nach Angaben der Kommission kostet die Verschwendung von 95 Prozent des Kunststoffs durch Einmalnutzung pro Jahr zwischen 70 und 150 Milliarden Euro. "Das kann sich Europa nicht leisten," so die EU-Kommission. Ihr Ziel ist es deshalb, eine neue Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe zu entwickeln, die auch für die Wirtschaft interessant ist. Denn die Kunststoffbranche in der EU beschäftigt 1,5 Millionen Menschen und erzielte im Jahr 2015 ein Umsatz von 340 Milliarden Euro. Nur wenn die Politik, die Hersteller und Recycler, die Entwickler und Designer mitziehen und Geld für entsprechende Forschung in die Hand nehmen und am Ende auch die Verbraucher ihre Konsumverhalten ändern, kann das Ziel auch erreicht werden. Gleichzeitig könnten dadurch neue Jobs entstehen, so die Idee.

Reaktionen von Umwelt-Verbänden

Der WWF Deutschland hält die Richtung der EU-Plastikstrategie für richtig, aber das Tempo nicht. "Die EU muss schneller und deutlicher konkreter handeln, um unseren Anteil an der weltweiten Plastikflut zu stoppen", so der WWF in einer Stellungnahme. Darin fordert die Organisation auch, dass die Verpackungshersteller noch stärker in die Pflicht genommen werden und prangert an, dass gerade Deutschland große Mengen an Plastikmüll nach Südostasien exportiert und das dortige Müllproblem damit noch verstärke. Der Müllexport dürfe sich nach der Absage Chinas nicht einfach verlagern, sondern müsse überflüssig werden.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) begrüßte die vorgestellte Strategie der EU-Kommission. Die DUH fordert die künftige Bundesregierung auf, sie mit konkreten Maßnahmen umzusetzen und etwa Mehrweg-Systeme zu stärken: "Die deutsche Bundesregierung muss dafür sorgen, dass die gesetzliche Mehrwegquote für Getränkeverpackungen von 70 Prozent umgesetzt wird", so Jürgen Resch, DUH-Bundesgeschäftsführer. Neben der Umsetzung der Quote fordert der DUH auch höhere Entgelte für Verpackungen sowie verbindliche Regeln zur Langlebigkeit und Reparierbarkeit von Produkten.