Angkor ist die größte Tempelanlage in Kambodscha. Auf einer Fläche von rund tausend Quadratkilometern gibt es dort hunderte religiöse Bauwerke. In der Hochzeit Angkors vom 9. bis 15. Jahrhundert sollen dort bis zu eine Million Menschen gelebt haben. Übriggeblieben sind nur die Tempel aus Stein, während die anderen Gebäude aus Holz längst verfallen sind. Der berühmteste, größte und prächtigste unter diesen Tempeln ist der Angkor Wat mit seinen fünf Türmen in Lotusblütenform. Er ist auf der kambodschanischen Nationalflagge zu sehen.
Vom Allgäu nach Kambodscha: Geologieprofessor mit Berufung
Seit 1995 kümmert sich Hans Leisen, der als Geologieprofessor nach Kambodscha zum Angkor Wat gekommen ist, um den Erhalt der Tempelanlage mit seinen vielen Reliefs. Sie gehört seit 1992 zum Weltkulturerbe. Der gebürtige Allgäuer war einst Forscher am Bayerischen Amt für Denkmalpflege, bevor er als Professor an die Technische Hochschule Köln berufen wurde. Heute ist er emeritiert, kümmert sich aber immer noch um sein Herzensprojekt, die Konservierungsarbeiten vor Ort.
Tanzende Relief-Göttinnen blättern ab
Äußere Einflüsse wie Regen und hohe Temperaturen lassen die Tempelanlage und damit die Steinreliefs verwittern. Das Schadensbild nennt Leisen Schalenbildung. Das heißt, die äußere Schicht des Steins ist relativ stabil und trägt die Reliefs. In der Tiefe des Steins beginnt aber die Verwitterung. Das Tückische daran: Man sieht den Schaden lange Zeit nicht. Wenn man ihn sieht, ist es eigentlich schon zu spät. Das Relief fällt irgendwann ab.
Das German Apsara Conversation Project (GACP), das 1997 startete und vom Referat Kulturerhalt im Auswärtigen Amt bis heute gefördert wird, kümmert sich um die fast 1.850 Halbgöttinnen aus der buddhistischen und hinduistischen Mythologie, die sogenannten Apsaras. Apsaras – das sind Figuren von tanzenden Schönheiten, wahrscheinlich Göttinnen, die überall im Tempelinneren zu finden sind.
"Wir haben schon um die 1.000 der Apsara-Reliefs behandelt und um die 100 Giebelreliefs, sie haben alle das gleiche Problem mit der Schalenbildung." Hans Leisen
Wie der Stein vor dem Zerfall gerettet wird
Hans Leisen und seine rund 15 einheimischen Mitarbeiter haben die Schäden vor Ort dokumentiert, Materialien entwickelt und getestet, mit denen der Stein konserviert werden kann. Eine selbst konzipierte Mörtelmischung wird in den Stein injiziert, um den Prozess aufzuhalten und die Schale anzubinden. So soll der Zerfall des Sandsteins gebremst werden.
"Wenn die Schale abgefallen ist, dann hat man dahinter ein ganz mürbes Material, das ist richtig zerbröselt, ein bisschen wie Blätterteig." Hans Leisen
Unterstützt wird diese Blätterteigbildung noch von Fledermauskot, der über das Wasser in den Sandstein eindringt. Das bedroht die Figuren und Ausschmückungen, die Einhörner, geflügelten Drachen und berühmten Apsaras. Mit Spritzen mit flüssigem Mörtel verschließen die Mitarbeiter die Spalten und Risse, die im Stein im Laufe der Zeit entstanden sind.
Erfahrungen mit Sandstein aus Franken exportiert
Geholfen hat Hans Leisen seine Erfahrung aus Deutschland. In Franken gibt es einen Sandstein, der dem in Angkor Wat sehr ähnlich ist. Denn Sandstein ist nicht gleich Sandstein. Leisen ist deshalb auch nicht sonderlich gut zu sprechen auf die Kollegen, die vor ihm am Angkor Wat gearbeitet haben. Sie haben zuerst die biologische Patina runtergeschrubbt, dann einen für diesen Sandstein ungeeigneten Zement in die Hohlräume gefüllt und am Schluss noch alles luftdicht mit Acrylharz versiegelt. Jetzt müssen Leisen und sein Team das Acrylharz erstmal entfernen und den Zement herauskratzen, bevor sie anfangen können, die Reliefs dauerhaft zu sichern. Eine Aufgabe, bei der kein Ende abzusehen ist.
Eine Lebensaufgabe: die Rettung von Angkor Wat
Angkor Wat ist größer als der Petersdom in Rom, und es gibt so gut wie keine Fläche, die nicht verziert ist. Kilometerlange Korridore und Galerien, über tausend Quadratmeter feinste Reliefs, die Schlachten und mythologische Szenen zeigen: Dämonen und Götter, Streitwagen und Elefanten, eine Affenarmee, ein Wirbel an Leibern und Figuren. Und nicht zu vergessen die Apsaras, die freundlichen Tänzerinnen: Mit ihrer Rettung hat Hans Leisen seine Arbeit hier vor über 25 Jahren begonnen.