Das Stahlwerk an der Weser im Sonnenaufgang.
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Statt mit einer Rezession rechnen die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute nun mit 0,3 Prozent Wachstum in diesem Jahr.

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Wachstum statt Rezession: Wirtschaftsforscher optimistischer

Die deutsche Wirtschaft entwickelt sich besser als angenommen. Statt mit einer Rezession rechnen die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute nun mit 0,3 Prozent Wachstum in diesem Jahr. Das geht aus ihrer heute vorgelegten Frühjahrsprognose hervor.

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Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen mit einer besseren wirtschaftlichen Entwicklung. Die Institute erwarten, dass das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr leicht um 0,3 Prozent zulegt. Im Herbst hatten sie noch unter dem Eindruck der Energiekrise prognostiziert, dass die Wirtschaftsleistung um 0,4 Prozent schrumpft.

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Frühjahrsprognose: Sinkende Energiepreise helfen der deutschen Wirtschaft

Die Institute sind damit etwas zuversichtlicher als die "Wirtschaftsweisen" und die Bundesregierung, die für das laufende Jahr mit einem Wachstum von 0,2 Prozent rechnen. Eine befürchtete Rezession in Deutschland bleibt den Prognosen zufolge aus. Begründet wurde dies vor allem damit, dass die Energiepreiskrise nicht eskalierte.

Konjunkturforscher: Inflation sinkt nur langsam

"Maßgeblich für die optimistischer Prognose ist ein geringerer Kaufkraftentzug infolge der deutlich rückläufigen Energiepreise", sagte ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Dennoch wird die Inflationsrate nur langsam zurückgehen - von 6,9 Prozent im vergangenen Jahr auf 6,0 Prozent in diesem Jahr. Immerhin: "Der Höhepunkt der Inflationswelle dürfte mittlerweile erreicht sein", so Wollmershäuser. Das werde den privaten Konsum ab der zweiten Jahreshälfte anschieben, weil dann auch die Reallöhne wieder zulegen sollten.

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Industrie stützt die Konjunktur, Bau bremst

Als Konjunkturstütze sehen die Institute die Industrie, die von nachlassenden Lieferengpässen und der günstigeren Energie profitieren dürfte. Die Bauwirtschaft werde dagegen bremsen. "Besonders im Wohnungsbau wird die Nachfrage schwach bleiben, auch weil die Europäische Zentralbank ihren geldpolitischen Kurs weiter straffen wird und damit die Finanzierungskosten weiter steigen werden", sagte Wollmershäuser.

Wirtschaftsforscher warnen vor staatlichen Konjunkturprogrammen

Von Konjunkturprogrammen, die das Wachstum anschieben könnten, halten die Ökonomen nichts. Die Finanzpolitik sollte die ohnehin recht hohe Inflation nicht noch mit weiteren Programmen zur Stimulierung der Nachfrage befeuern, warnte Wollmershäuser. Die Wachstumsaussichten Deutschlands würden dem Tempo einer Pferdekutsche gleichen, bei der die Zahl der Zugtiere zurückgehe, weniger Futter eingesetzt werden solle, aber gleichzeitig mehr Passagiere mit müssten, fügte Konjunkturchef Stefan Kooths vom Kieler Institut für Weltwirtschaft hinzu. "In einer solchen Situation kommt es darauf an, die Räder zu ölen, Ballast abzuwerfen." Das könne etwa durch eine Senkung der hohen Abgabenlast geschehen. "Konjunkturprogramme wären in diesem Bild nichts anderes als Peitschenhiebe, sagte Kooths. Das bringe langfristig nichts, ebenso wie ein geldpolitisches Dauer-Doping durch niedrige Zinsen.

"Wachstum durch Klimaneutralität ist Illusion"

Der Umbau der Wirtschaft Richtung Klimaneutralität werde nicht zu zusätzlichen Wachstumsimpulsen führen. Produktionskapazitäten in der Wirtschaft würden umgebaut, aber nicht unbedingt neue aufgebaut. Es gebe keine doppelte Dividende - mehr Klimaschutz und oben drauf noch ein Wachstumswunder. "Das ist leider eine Illusion", sagte Kooths.

Mehr Arbeitslose durch Flüchtlinge aus der Ukraine

Gute Nachrichten halten die Institute für den Arbeitsmarkt parat. Die Zahl der Erwerbstätigen dürfte weiter zunehmen, von rund 45,6 Millionen im vergangenen Jahr auf rund 46,0 Millionen im kommenden. Die Zahl der Arbeitslosen dürfte allerdings in diesem Jahr vorübergehend von 2,42 auf 2,48 Millionen zulegen, "da die ukrainischen Flüchtlinge nicht sofort auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen". 2024 dürfte die Arbeitslosigkeit dann wieder sinken auf 2,41 Millionen.

Prognose 2024: stärkeres Wachstum, geringere Inflation

Staatliche Entlastungsmaßnahmen und absehbar hohe Lohnsteigerungen stärken die Binnennachfrage und halten den heimischen Preisauftrieb hoch. Erst im kommenden Jahr lässt auch von dieser Seite der Inflationsdruck nach, und die Inflationsrate bildet sich spürbar auf 2,4 Prozent zurück. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte dann mit plus 1,5 Prozent wieder kräftiger zulegen.

Die sogenannte Gemeinschaftsdiagnose von vier Instituten wird zweimal im Jahr erstellt, im Frühjahr sowie im Herbst. Beteiligt sind daran das ifo Institut, das Kiel Institut für Weltwirtschaft, das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle und das RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Essen. Das Berliner DIW pausiert wegen des Umbaus der hauseigenen Konjunkturforschung, will aber im Herbst wieder dabei sein.

(mit Informationen von dpa, Reuters)

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