Verlegung einer Fernwärmeleitung. Ein Biogaserzeuger versorgt umliegende Höfe.
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Fernwärme soll das nächste große Ding werden, so will es die Politik. Eigentlich eine gute Sache. Doch es sind regionale Monopole

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Fernwärme: Wo bleiben die Verbraucherrechte?

Fernwärme soll das nächste große Ding werden, so will es die Politik. Eigentlich eine gute Sache. Doch da es jeweils nur ein Heißwassernetz vor Ort gibt, nutzen manche Versorger ihre Monopolstellung zu Lasten der Verbraucher aus - wie in Freising.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Freising bei München, das idyllische Ortsbild trügt: Zwar wird hier der Ausbau der Fernwärme vorangetrieben, die angeschlossenen Hauseigentümer aber fühlen sich abgezockt. Seit 2018 hat sich der sogenannte Arbeitspreis, also der Preis für den Verbrauch, vervierfacht. Allein von Januar 2022 auf Januar 2023 hat er sich verdoppelt. Die Stadtwerke Freising und zur anderen Hälfte der Partner Bayernwerk AG von Eon verdienen dabei sehr gut.

  • Zum Artikel "Verbot neuer Gas- und Ölheizungen: Welche Alternativen bleiben?"

Mit Gewinnen aus der Fernwärme quersubventionieren

Freisings Stadtrat Nicolas Graßy von der Fraktion die Linke wurde hellhörig. Im Mai wurde der Haushalt 2023 noch einmal verhandelt. Auffällig: Die hohen Gewinne aus der Fernwärme füllen den klammen Stadtsäckel. Nicolas Graßy sieht es direkt im Haushalt der Stadt Freising in Form der sogenannten Jahresgutschrift, die habe sich 2022 im Vergleich zu den Prognosen fast verdoppelt. Weiter erkenne man das bei den Stadtwerken selbst, erklärt Graßy. Dort habe sich die Gewinnausschüttung laut Geschäftsbericht 2021 im Vergleich zum Vorjahr für die Fernwärme fast vervierfacht.

Auch EON profitiere gleichermaßen und erhalte dieselbe Gewinnausschüttung. Graßy kritisiert, dass hier ungerechtfertigter Weise auf dem Rücken der Bürgerinnen und Bürger Profit mit der Fernwärme gemacht werde.

Mit den Gewinnen aus der Fernwärme werden zum Beispiel die verlustreichen Bäder in Freising subventioniert. Stopft Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher Löcher im Haushalt auf Kosten weniger Fernwärmekunden? Auf BR24-Anfrage heißt es: "Es ist derzeit nicht geplant, Gewinne aus der Fernwärmeversorgung Freising GmbH auszuschütten." Er will sie in die Dekarbonisierung der Fernwärme investieren, sagt er. Bislang zumindest wurde nach BR24-Recherchen ausgeschüttet und quersubventioniert.

Kritik der Deutschen Umwelthilfe - fehlende Preisaufsicht und Regulierung

Dies sei kein Einzelfall, viele Kommunen würden so verfahren, kritisiert die Deutsche Umwelthilfe, die sich für eine faire Fernwärme stark macht. Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner fordert transparente Preise. Es brauche keine Quersubventionierungen der öffentlichen Schwimmbäder oder des ÖPNV, das wäre ja das Gengenteil von Transparenz, deswegen solle man wirklich nur für die Wärmeversorgung zahlen und nicht für andere kommunale Leistungen.

Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband VZBV kritisiert die Abrechnungspraxis bei der Fernwärme. Es fehle eine Regulierungsbehörde, sagt Thomas Engelke vom VZBV. Es handele sich ja um Monopolmärkte. Was fehle sei Transparenz im Bezug auf die Effizienz der Netze, das heißt Verbraucher und Verbraucherinnen sollten wissen, wie gut das Netz ist. Was auch fehle, sei eine Preisaufsicht. Was auch wichtig sei, was der VZBV jetzt noch erarbeiten müsse, ist, dass Mieterinnen und Mieter ausreichend geschützt sind. Denn Vermieter reichen hohe Fernwärmekosten in der Regel einfach an die Mieter weiter.

Musterfeststellungsklage gegen E.ON

Insgesamt sind die Preise für Fernwärme stark gestiegen. Die Doppelhaushälfte von Frank D. östlich von Düsseldorf etwa wurde in den 1990er Jahren an das Fernwärmenetz des örtlichen Versorgers E.ON angeschlossen. Das Prinzip findet der 56-jährige Ingenieur gut, denn er braucht keine eigene Heizung, das Warmwasser kommt direkt von außen über eine Leitung und wird dann im Haus verteilt. Doch seit etwa drei Jahren versteht Frank D. nicht mehr, was passiert.

"Mich ärgert, dass die Preise sich fast vervierfacht haben in zwei Jahren", sagt er. Nun wehrt er sich gegen die Preisexplosion. Mit hochkomplizierten Formeln errechnet E.ON die Kosten für den Verbrauch – den sogenannten Arbeitspreis. Der VZBV hält diese Formeln für rechtswidrig und bereitet gerade eine sogenannte Musterfeststellungsklage gegen E.ON vor. Erstmals gab es so etwas im VW-Dieselskandal. Frank D. hat sich an der Sammelklage beteiligt und all seine Unterlagen eingereicht. Er erhofft sich davon Klärung und Geld zurück.

Auf den Aufruf des VZBV haben sich rund 1.000 Betroffene gemeldet. Aktuell werden die übermittelten Unterlagen ausgewertet. In den nächsten Wochen will Thomas Engelke vom VZBV mit seinen Juristen die Klage auf den Weg bringen.

Die Ankündigung einer Musterfeststellungsklage gegen E.ON vom Verbraucherzentrale Bundesverband nehme man zur Kenntnis, heißt es dazu von E.ON. Klar sei allerdings: "Unsere Fernwärmepreise folgen den gesetzlichen Vorgaben und passen sich den Kosten- und Marktentwicklungen an", erklärt E.ON auf Anfrage.

  • Zum Artikel "Expertentipps: Was es beim Heizungstausch zu beachten gilt"

Dieser Artikel ist erstmals am 21. Juni 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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