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Dieter Zetsche beim Bundesministerium für Verkehr

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Daimler-Manager Zetsche beim Bundesverkehrsminister

Wenn Daimler-Chef Zetsche heute Bundesverkehrsminister Scheuer in Berlin zu einem weiteren Gespräch trifft, wird er nicht auf großes Entgegenkommen hoffen können. Es werden nun Fakten bezüglich der Manipulationsvorwürfe von ihm erwartet.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen.

Als Dieter Zetsche das Bundesverkehrsministerium heute vor zwei Wochen verließ, sah er nur rein äußerlich lässig und leger aus. In blauem Sakko, Stoffhose und Sneakern hechtete er in den vor dem Haupteingang wartenden Dienstwagen und sagte dabei, er komme gerade von einem "guten Gespräch". Dass er nach dem Termin überhaupt vorbei musste an den wartenden Journalisten, war ein Zeichen: Daimler und sein Vorstandschef befinden sich beim Thema Diesel nicht mehr in der Komfortzone. 

Durch Vito-Rückruf kippte die Stimmung

Nach Ansicht des Kraftfahrtbundesamtes steht der Konzern spätestens jetzt knietief im Skandal um Abschalteinrichtungen und manipulierte Diesel-Motoren.

"Bei der Überprüfung des Fahrzeugtypen Vito 1.6 Diesel Euro 6 wurden durch das Kraftfahrtbundesamt (KBA) unzulässige Abschalteinrichtungen festgestellt. Die unzulässigen Strategien beziehen sich auf den Einsatz des SCR-Aggasreinigungssystems. Aufgrund der eingebauten Abschalteinrichtungen kann es im Betrieb der Fahrzeuge zu erhöhten NOx-Emissionen kommen."

Aus der Mitteilung des Kraftfahrtbundesamt vom 25. Mai 2018

Daimler, so die Behörde weiter, müsse diese Abschalteinrichtungen entfernen. Zwar geht es um weltweit rund 5.000 Fahrzeuge (davon fast 1.400 in Deutschland) und damit um eine überschaubare Anzahl, allerdings ist dieser Fall gleich aus mehreren Gründen heikel.

Daimler: "Wir haben nicht getrickst"

Nach dem Bekanntwerden des Diesel-Skandals bei Volkswagen im September 2015 hatte Vorstandschef Zetsche betont, Daimler habe "nicht getrickst". Auch danach teilte der Konzern wiederholt mit, seine Fahrzeuge entsprächen vollumfänglich den geltenden Vorschriften - zum Beispiel Anfang 2016, als die Deutsche Umwelthilfe Daimler den Einsatz von Abschalteinrichtungen in einer C-Klasse vorgeworfen hatte. 

Die Bundesregierung nahm davon Notiz. Unmittelbar vor einem Treffen im April 2016 zwischen der damaligen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und Dieter Zetsche hielt das Ministerium in einem internen Verkehr, der BR Recherche vorliegt, fest, wegen der Vorwürfe gegen Daimler seien jetzt weitere Untersuchungen notwendig. Die Politik war alarmiert, Daimler blieb bei seiner Linie - bis heute.

Der Unmut gegenüber Daimler ist gerade im Bundesverkehrsministerium aber auch deshalb so groß, weil sich der Konzern notfalls auch rechtlich gegen den Vorwurf wehren will, es handele sich bei der im Vito verbauten Technik um eine illegale Abschalteinrichtung. Vielmehr gehe es, so Daimler, um den "Teil eines komplexen Abgasreinigungssystems, das eine robuste Abgasreinigung bei unterschiedlichen Fahrbedingungen" sicherstelle. Ein Unternehmenssprecher hatte nach der KBA-Veröffentlichung außerdem betont, der in Zusammenarbeit mit Renault entwickelte Motortyp sei in dieser Konfiguration nur in dem vom Kraftahrtbundesamt beanstandeten Kleintransporter zum Einsatz gekommen.

Geht es am Ende um hunderttausende manipulierte Daimler-Diesel?

Die Fachleute im Bundesverkehrsministerium sind sich trotzdem sicher, dass sie am Ende mit ihrer Einschätzung richtig liegen. Die Erwartungen an Zetsche vor dem heutigen Termin sind deswegen hoch. Der Konzern muss Zahlen auf den Tisch legen, wie viele Fahrzeuge über den Vito hinaus mit einer vergleichbaren Abschalteinrichtung ausgestattet sein könnten. 

"Wir werden jetzt einen vertieften Austautsch über die hochkomplexen technischen Fragen vornehmen mit dem Ziel, anhand unserer konkreten Prüfungen umgehend die genaue Zahl der betroffenen Modelle zu ermitteln."

Aus der schriftlichen Mittelung von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer nach dem Treffen mit Dieter Zetsche am 28. Mai 2018 in Berlin

Insidern zufolge könnte es nach dieser Prüfung um den Rückruf von mindestens 600.000 bis 750.000 Daimler-Diesel gehen, darunter auch PKW. Auch eine noch höhere Anzahl ist nicht ausgeschlossen.

Dass Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer in den vergangenen Tagen einen Spiegel-Bericht nicht dementierte, wonach bei Daimler zusätzlich die Möglichkeit eines Ordnungsgeldes in Höhe von 5.000 Euro pro manipuliertem Diesel-Fahrzeug im Raum steht, zeigt, dass das Bundesverkehrsministerium jetzt nicht nur verbal eine härtere Gangart einschlagen könnte. Bisher hat das Ressort eine solche Maßnahme nämlich ausgeschlossen.

Und nicht zuletzt steht bei Daimler nicht nur der Ruf auf dem Spiel, sondern auch die Zukunft von Vorstandschef Dieter Zetsche, der zuletzt wieder prächtige Geschäftszahlen vorlegen konnte. Wenn sich der Befund des Kraftfahrtbundesamtes nicht ausräumen lässt, müsste sich Zetsche trotz Rekord-Gewinnen und -Umsätzen auch Gedanken über persönliche Konsequenzen machen.