Carbon Farming bedeutet Kohlenstoff-Landwirtschaft: Durch Humusaufbau soll damit der Atmosphäre CO2 entzogen werden.
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Humus sorgt nicht nur für fruchtbare Äcker: Der Boden ist zusammen mit den Weltmeeren unser größter CO2-Speicher

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Carbon Farming: Sind Humus-Zertifikate Greenwashing?

Humusaufbau kann durch das CO2-Speicherpotenzial der Böden ein mächtiger Hebel gegen den Klimawandel sein. Derzeit entwickelt sich ein Markt, der humusaufbauende Landwirte mit Zertifikaten bezahlt. Das sehen Umwelt- und Naturschutzverbände kritisch.

Über dieses Thema berichtet: Unser Land am .

Dass mit Humusaufbau oder Carbon Farming der Atmosphäre ein Zuviel an CO2 entzogen werden kann, ist mittlerweile auch Thema der EU-Agrarpolitik: Ein Humuszuwachs von 0,1 Prozent pro Hektar entspricht fünf bis sechs Tonnen CO2, die auf diesem Hektar gebunden werden.

Bei 3,13 Mio. Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche nur in Bayern könnten die Landwirte damit den CO2-Ausstoß von über zwei Millionen Menschen kompensieren. Aber Carbon Farming erfordert ein ausgeklügeltes Management, große Sachkenntnis und häufig eine Umstellung der Betriebsabläufe.

Was an der Methode kritisiert wird

Wie soll man Landwirte für diese Leistung, von der wir alle profitieren, entlohnen? Bei Humus-Zertifikaten bezahlen Unternehmen pro Tonne gespeichertes CO2 eine bestimmte Summe, von der der Landwirt einen Anteil erhält. Es handelt sich also nicht um CO2-Emissionsrechte, sondern um ein freiwilliges Engagement. Damit können die Unternehmen in der Außendarstellung ihren CO2-Fußabdruck verbessern, der Landwirt wird mit fruchtbareren Böden und einem zusätzlichen Betriebseinkommen belohnt.

Aber genau das sorgt für Kritik: Humusaufbau ja, aber "die Kompensation von Treibhausgasemissionen anderer Sektoren durch Humusaufbau via CO2-Emissionszertifikaten wird (…) abgelehnt", heißt es in einem gemeinsamen Positionspapier von NABU, BUND, WWF und über 20 weiteren Organisationen.

Neben "Greenwashing" geht es bei der Diskussion um den Zertifikate-Handel auch um andere Punkte: Humus lasse sich durch ein verändertes Management auch wieder abbauen, die CO2-Speicherung sei also nicht nachhaltig. Und: das System sei unfair, weil nicht jeder Boden die Voraussetzungen für einen nennenswerten Humusaufbau mitbringe, meinen die Kritiker.

Wie kommt das CO2 in den Boden?

Wer sich noch an den Biologieunterricht erinnert: Pflanzen brauchen zur Photosynthese Licht, Wasser, Bodennährstoffen und CO2, also das Kohlendioxid aus der Luft. Daraus bauen sie dann Kohlenhydrate auf, verschiedene Zucker zum Beispiel. Diese Kohlenhydrate wandern zu einem Teil in den Boden und werden dort von Mikroorganismen verstoffwechselt, der Kohlenstoff im Humus verbaut. Ein hochkomplexer Prozess, der von vielen verschiedenen Parametern beeinflusst wird. Beim Humusaufbau wächst der Anteil an organisch gebundenem Kohlenstoff, bei Humusabbau entweicht der Kohlenstoff wieder als CO2.

  • Lesen Sie hier: "Landwirtschaft und Klimaschutz: Wie Landwirte CO2 sparen können"

TÜV-geprüfte Berechnungsmethode

Für die Landwirte Christoph Uhl und Herbert Ullrich aus Unterschneidheim funktioniert das System gut: sie sind Vertragspartner der Firma CarboCert bei Lindau. Die handelt mit Humus-Zertifikaten. Rund 1.125 Tonnen CO2 speichern Uhl und Ullrich auf ihren 250 Hektar Ackerfläche derzeit jährlich und verdienen damit pro Tonne 30 Euro. Die Unternehmen können diese Speicherleistung dann in Form von Zertifikaten bei CarboCert erwerben, sie bezahlen 50 Euro pro Tonne.

Der Rest deckt die Kosten von CarboCert: Alle drei bis vier Jahre entnimmt sie GPS-gesteuert an den gleichen Stellen Bodenproben auf den Feldern, deren Humusgehalt im Labor analysiert wird. Hat der Humusgehalt zugenommen, lässt sich aus der Differenz die Menge an gespeichertem CO2 nachweisen bzw. errechnen. Ein Verfahren, für das sich CarboCert eine TÜV-Zulassung gesichert hat.

Für Humusaufbau gibt es kein Patentrezept

Durch Humusaufbau fruchtbarere, widerstandsfähigere Böden und gute Erträge bekommen und gleichzeitig für die CO2-Speicherung bezahlt werden – das klingt für jeden Landwirt erst einmal verlockend. Aber: Für Humusaufbau gibt es kein "Kochbuch": Jeder Betrieb, jeder Boden ist anders. Uhl und Ullrich arbeiten nach den Methoden der regenerativen Landwirtschaft, die sie ständig weiterentwickeln.

Die Eckpfeiler: Vielfältige Fruchtfolgen und ganz bestimmten Untersaaten, die zusammen einen "Wiesentyp" auf dem Acker nachempfinden sollen. Der Anbau im Dammsystem sorgt für Licht- und Wärmeeinfall und regt das Wurzelwachstum an. Das wiederum begünstigt ein vitales Bodenleben, das schließlich den Kohlenstoff zu organisch gebundenem Bodenkohlenstoff verstoffwechselt. Zusätzlich kommen Komposte und effektive Mikroorganismen zum Einsatz. Auch wenn dieses Management nicht auf allen Flächen gleich gut anschlägt, die Humusgehalte nehmen zu, sagen die Landwirte.

Nicht alle Landwirte haben die gleichen Chancen

Uhl und Ullrich sind reine Ackerbauern. Gegenüber Grünlandbetrieben, die von Natur aus einen sehr viel höheren Humusanteil im Boden haben, sind sie beim Humusaufbau klar im Vorteil. Bei einer Ackerfläche von 11,7 Millionen Hektar in Deutschland ist das CO2-Speicherpotenzial allerdings so groß, dass der Humusaufbau dringend vorangebracht werden sollte. Wie genau die Landwirte dafür motiviert werden können – darüber wird derzeit noch recht kontrovers diskutiert.

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