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Wohnsiedlung Schuberthof und Lessinghof in Augsburg

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Ausstellung: Wohnungsbau in Bayern 1918 bis 2018

1929 sind in Bayern 16.000 neue Sozialwohnungen gebaut worden - 2017 3.000. Die Ausstellung "Wohnungen, Wohungen, Wohungen!" dokumentiert die vergangenen 100 Jahre Wohnungsbau und zeigt: Wir brauchen eine verantwortungsvolle Politik. Moritz Holfelder

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Man betritt diese Ausstellung wie eine Wohnung. Da ist die Garderobe, das Bad, das Wohnzimmer, die Küche. Man kann Schubladen aufziehen, Schränke öffnen, man hört Stimmen, und im Fernseher laufen Filme über 100 Jahre Wohnungsbau in Bayern, etwa wie in den fünfziger Jahren die Gastarbeiter kamen und Unterkünfte brauchten. Das alles ist aufgeteilt in sieben Zeitabschnitte und somit sieben einzelne Zimmer. Es beginnt mit der Wohnungsnot nach dem Ersten Weltkrieg und endet 2018 mit dem Kapitel „Energiewende und bezahlbarer Wohnraum für alle“. Ein bisschen verwundert ist man, dass die Ausstellung Teil des Jubiläumsprogramms „WIR FEIERN BAYERN“ der Bayerischen Staatsregierung ist, der man ja durchaus vorwerfen kann, die Wohnungsbaupolitik seit der Wiedervereinigung vernachlässigt und vor allem dem Markt überlassen zu haben mussten die Ausstellungsmacher also einen kritischen Ansatz unterdrücken?

"Es steht mir als Historikerin nicht zu, zu sagen, die Politik könnte dies und jenes tun. Sondern ich bin diejenige, die sagt, was in der Vergangenheit unternommen wurde, um daraus zu lernen, um Ideen, die es schon einmal gab, wieder aufzugreifen.", sagt Kuratorin Hilde Strobl.

Wie auch Museumsleiter Andres Lepik erklärt sie, sie hätten die Ausstellung ohne Einflussnahme, Zensur oder konkrete Vorgaben gestalten können. Ihnen sei es erst einmal ganz selbstbestimmt um die objektive Darstellung von Fakten gegangen, darum, Entwicklungen aufzuzeigen und den Besucher mit größeren Zusammenhängen vertraut zu machen:

"Natürlich, die geschichtlichen, die verschiedenen Perioden sind deutlich zu sehen, wann mehr oder weniger starkes Engagement vom Freistaat Bayern gekommen ist. Aber wir überlassen es unseren Besuchern, die kritischen Fragen noch zu stellen", sagt Andres Lepik.

Heute wurden 3.000 Sozialwohungen gebaut, 1929 dagegen 29.000

Eine Ausstellung als Dokumentation der letzten 100 Jahre. Es werden keine einzelnen Projekte hervorgehoben, es gibt keine Modelle oder Pläne. Wer sich auf die knappen, informativen Texte samt den historischen Fotos einlässt und dann noch die auf den Zimmerrückwänden angebrachten Statistiken und Diagramme studiert, sozusagen die Hinterzimmer aufsucht, erfährt eine Menge. Etwa dass 1929 in Bayern knapp 16.000 neue Sozialwohnungen gebaut wurden. Aktuell sind es weniger als 3.000 pro Jahr. Klar wird, wie schnell und effektiv der Freistaat Bayern nach den beiden Weltkriegen auf die Wohnungsnot reagiert hat. Und wenn man das auf den heutigen, zwar geringeren, aber trotzdem deutlichen Bedarf an Wohnungen überträgt, gibt es für Andres Lepik keinen Zweifel:

"Man sieht hier, dass, wenn der politische Wind da ist und wenn die Not da ist, dann der Staat sehr wohl und sehr viel Wohnungen auch schaffen kann. Natürlich ist auch heute die Situation, dass es nicht mehr so viele leere Flächen gibt wie unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg, aber wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg."

Steuerungsinstrumente für den sozialen Wohnungsbau

Die Politik aber scheut sich aktuell vor der schwierigen und komplexen Aufgabe, in den teuer gewordenen Städten mehr Wohnraum für die ärmeren Schichten zu schaffen. Ohne Reglementierungen geht das nicht. So hat man das Feld den privaten Investoren überlassen. Dabei gäbe es hilfreiche Steuerungsinstrumente für eine sozialere Wohnraumpolitik, meint Hilde Strobl: "Da wäre ein Thema zum Beispiel das sogenannte Gemeinnützigkeitsgesetz, das von den 30er-Jahren bis 1988 galt und das bedeutete, dass gemeinnützige Wohnungsunternehmen bauen können und steuerbefreit sind. Ziemlich zeitgleich mit dem Niedergang der neuen Heimat, einem Gewerkschaftsunternehmen, verlor die Gemeinnützigkeit auch ein bisschen ihre Lobby und man hat sie abgeschafft, ohne tatsächlich zu diskutieren, ob sie wieder eingeführt werden sollte.  

 WOHNUNGEN, WOHNUNGEN, WOHNUNGEN! WOHNUNGSBAU IN BAYERN 1918 | 2018 : Architekturmuseum der TU München ,Pinakothek der Moderne

15. März bis 21. Mai 2018