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Jungs in Tüll

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Wegen Homosexualität: Streit um "Billy Elliot" in Budapest

Aufregung in Ungarn: Teile der Presse wettern gegen das Musical "Billy Elliot", in dem es einen schwulen Nebendarsteller gibt. Angeblich, weil der Publikumszuspruch sinkt, hat die Staatsoper 15 von 44 Vorstellungen gestrichen. Von Peter Jungblut

Über dieses Thema berichtet: LÖSCHEN Kultur am .

Die ungarische Staatsoper in Budapest wird zur Zeit renoviert, deshalb finden die Vorstellungen derzeit in der Neben-Spielstätte, dem „Erkel-Theater“ statt. Dort hatte im vergangenen Jahr das populäre Tanz-Musical „Billy Elliot“ Premiere, das auf dem gleichnamigen Film aus dem Jahr 2000 beruht. Es geht dabei um einen Jungen, der in einer tristen Bergarbeiterstadt statt, wie vom Vater gewünscht, zum Boxtraining lieber zum Ballettunterricht geht. Dort trifft er auch den Tänzer Michael, der später sein Coming Out als Schwuler hat. In der Bühnenfassung ist diese Rolle allerdings gestrichen.

"Verführung" zur Homosexualität?

Dennoch störte die Produktion die regierungsnahe ungarische Tageszeitung „Magyar Idök“ („Ungarische Zeit“) so sehr, dass sie eine Kampagne gegen das Musical los trat. Demnach „verführten“ die Vorstellungen zur Homosexualität. Womöglich bezieht sich das Blatt darauf, dass Jungs im balletttypischen „Tutu“-Rock zu sehen sind. Die Aufführungen schadeten jedenfalls der Vermehrung des „alternden und abnehmenden“ ungarischen Volks, das von „einer Invasion“ bedroht sei. Werbung für einen schwulen Lebensstil könne daher nicht zu den „nationalen Zielen“ gehören.

"Uninformierte Netz-Portale"

Der zuständige Direktor der Staatsoper, Szilveszter Okovacs, versuchte die rechtsnationalen Kritiker zu beschwichtigen, die „homosexuellen Aspekte“ seien in der Budapester Fassung „in den Hintergrund gerückt“. Gleichwohl sagte er 15 von 44 geplanten Vorstellungen ab, angeblich weil durch die negative Presse der Zuspruch stark abgenommen habe. „Uninformierte und vorsätzlich falsch informierende“ Internet-Portale hätten dazu beigetragen, heißt es auf der Homepage der Staatsoper.

Auch Wissenschaftler unter Druck

Mittlerweile müssen sich auch die Mitglieder der Ungarischen Akademie der Wissenschaften rechtfertigen. Die Zeitung „Figyelo“ („Achtung“) veröffentlichte Listen mit Forschern, die angeblich für „Homosexuellen-Rechte“ oder „Gender-Themen“ eintreten. Auf europäischer Ebene hatte Ungarn sein Veto eingelegt gegen einen Vorstoß der niederländischen Regierung, die EU-Kommission zu Maßnahmen gegen Homophobie anzuhalten. Andere konservative Länder, wie Litauen, Lettland und Polen hatten dagegen ihre Bedenken zurück gestellt.