Bildrechte: Porträtbüste von Josef Gung´l

Peter Jungblut/BR

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Reichenhaller Philharmoniker feiern Gründer

„Durch dick und dünn" hieß eine Polka beim historischen Kurkonzert zum 150. Geburtstag der Bad Reichenhaller Philharmoniker: Eine Verbeugung vor den Gründervätern, denen auch neue Porträtbüsten aus Bronze gewidmet wurden. Von Peter Jungblut.

Über dieses Thema berichtet: LÖSCHEN Kultur am .

Mehr als 400 Stücke haben sie im Repertoire, fast täglich spielen sie in der prächtigen Konzert-Rotunde im Bad Reichenhaller Kurhaus oder auch draußen im Park – weit über 200 Auftritte jährlich. Erstaunlich, wie gut die Musiker bei diesem Arbeitspensum gelaunt sind. Allerdings haben sie derzeit auch Grund zur Freude: 150 Jahre nach ihrer Gründung werden sie von Politikern, Einheimischen und Kurgästen gleichermaßen gefeiert.

"Zu strenge" Dirigenten

Es gab in den letzten Jahrzehnten durchaus ein Auf und Ab, auch Diskussionen über „zu strenge“ Dirigenten, aber unter ihrem derzeitigen Chef Christian Simonis sind die Philharmoniker zweifellos in guter Form. Vor allem den stilprägenden ersten Orchesterleitern wurde beim historischen Kurkonzert die Reverenz erwiesen: Josef Gung´l (1809 – 1889) war geschäftstüchtiger Musik-Unternehmer und ließ sich nicht lange bitten, als er 1868 vom „Badcomitee“ den Auftrag für ein neues Kurorchester bekam. Sein Schwiegersohn Gustav Paepke (1853 -1933) leitete es sage und schreibe 43 Jahre. Beide komponierten auch für das verwöhnte, überwiegend adelige und damals noch durchweg reiche Publikum.

"Träume auf dem Ozean"

So war der melancholische Walzer „Träume auf dem Ozean“ zu hören, den Gung´l auf der Rückreise von einer elfmonatigen Tournee durch die Vereinigten Staaten zu Papier brachte, und von Paepke stand nicht nur der prunkende Jubelmarsch „Hoch Reichenhall“ auf dem Programm, sondern auch die Schnell-Polka „Auf der Rodelbahn“. Musik der Belle Epoque um 1900, an deren Glanz in Reichenhall neben der luxuriösen Bäder-Architektur immer noch die mittlerweile vorzugsweise von Russen frequentierten Pelz-Boutiquen und die Kaffeehäuser erinnern.

Russen in den Pelzläden

Drei Büsten wurden am Rande des Konzerts, das Christian Simonis ausgesprochen launig moderierte, im Kurgebäude enthüllt: Von Gung´l und Paepke, aber auch von Wilhelm Barth, der die Philharmoniker nach 1947 auf Vordermann brachte. Dessen autoritärer Stil verärgerte einige Musiker so sehr, dass er eine Pause einlegen musste, bevor er von 1962 bis 1985 erneut den Taktstock schwingen durfte. Dass der 2004 verstorbene Barth den Doktortitel führte, ist auf seiner Stele übrigens noch nicht zu sehen, soll aber wohl nachgemeißelt werden: Ihm selbst muss es furchtbar wichtig gewesen sein.

Bildhauer arbeitete nach einer Ansichtskarte

Angefertigt wurden die Bronzeskulpturen auf Initiative der Geschäftsführerin des Staatsbads Reichenhall, Gabriella Squarra, vom Berchtesgadener Künstler Friedrich Schelle, der sich notgedrungen an eine Ansichtskarte halten musste, um Josef Gung´ls Charakter nachzuspüren. Und auch die hat sein Konterfei auf äußerst verschlungenen Wegen überliefert. Künftig jedenfalls werden die Köpfe aller drei großen Meister der Kurmusik in Bad Reichenhall die Gäste begrüßen. Dazu passte die Polka „Vergiss mein nicht“, die für ebenso viel Beifall sorgte wie die in der Tat fetzige Suite „Frohes Wochenend!“. Kurgäste wollen ja gesund werden bzw. bleiben und bevorzugen auch wohl deshalb Gute-Laune-Stücke, die allerdings durchaus etwas sentimental sein dürfen – schließlich sind die Zuschauer eher über 60. Außerdem müssen sie die heilkräftige Reichenhaller Sole gurgeln, was geschmacklich nicht gerade eine Wonne ist. Da hilft die Musik sicher beim Runterspülen.

"Psychopathen-Walzer" erklang nicht

Weil die Musiker früher nur im Sommer nach Reichenhall kamen und im Winter in der Oper schufteten, gewöhnten sie sich an, die Hits des Musiktheaters auch in den Kurgarten zu bringen. Das erforderte wenig Proben, und die Gäste waren in der Oper und Operette ja in der Regel gut bewandert. Charles Gounods „Faust-Walzer“ illustrierte diese Tradition beim historischen Konzert. Gern hätten die Musiker übrigens ein paar Planstellen mehr, schließlich wurde der üppige Platz in der Konzert-Rotunde für ein 40- bis 50-Mann-Orchester bemessen. Die Bauherren waren damals noch nicht so bescheiden wie heute. Der vermeintliche „Psychopathen-Walzer“ von Gustav Paepke, der eigentlich ein „Hydropathen-Walzer“ ist, also eine Eloge auf den Wasser- oder Kurarzt, erklang leider nicht. Aber er gehört sowieso zum Standardrepertoire.

Konzertprogramm täglich außer montags.