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"Lob der schlechten Laune" von Andrea Gerk

Nörgeln, Mäkeln, Granteln: Schlechte Laune ist überall, geschätzt aber wird sie nicht - wir sollen stets positiv denken. Dabei hat die schlechte Laune auch ihre guten Seiten. Und politisch muss sie gar nicht in Wutbürgertum enden.

Über dieses Thema berichtet: Kulturjournal am .

"Was für lächerliche und gemeine Menschen, dachte ich, auf dem Ohrensessel sitzend, und gleich darauf, was für ein gemeiner und lächerlicher Mensch ich selbst bin, der ich ihre Einladung angenommen und mich ganz ungeniert, als ob nichts geschehen wäre, in ihren Gentzgassenohrensessel gesetzt habe". So klingt er, der vielleicht schönste Misston der deutschsprachigen Literatur: böse und melancholisch, die eigene Wut in leicht bürokratischem Satzrhythmus stetig befeuernd. Er stammt von einem, der das Schimpfen zur Kunst gemacht hat: von Thomas Bernhard.

Die Selbstironie des höheren Nörgelns

Die Passage aus Bernhards Roman "Holzfällen" zitiert Andrea Gerk in ihrem neuen Buch "Lob der schlechten Laune". Dass der Weltverdruss des großen Österreichers viel mehr ist als momentanes Verstimmtsein, weiß die Autorin natürlich: Vom üblichen "Alltagsmissmut" unterscheide er sich vor allem dadurch, dass er die eigene Person von seinem ungnädigen Blick nicht ausnimmt. Denn Selbstreflexion oder gar Selbstironie sind keine üblichen Eigenschaften des Nörglers, stellt Gerk fest. Dieser sei meist unangenehm rechthaberisch, in der eigenen kleingeistigen "Schrebergartenmentalität" gefangen.

Der Zwang zur guten Laune

In Literatur und Film gibt es viele knurrige Helden - von Molières Menschenfeind bis zu den permanent schlecht gelaunten TV-Kommissaren. Wir mögen gerade sie besonders, in der Realität aber bemühen wir uns mit einigem Nachdruck, gut drauf zu sein. Oder mindestens den Anschein zu erwecken, als wären wir es.

Ganze Branchen kümmern sich um das Wohlgefühl. Ein fast schon magischer Ort für die erstaunliche Verwandlung von Stress, Übellaunigkeit oder sehr reichem Überdruss in Wohlleben ist das Luxushotel: Andrea Gerk hat im Berliner Adlon nachgefragt, wie man die Angestellten rüstet für die Arbeit an diesem Wunder. Was sie dafür mitbringen müssen? Vor allem das "Dienstleister-Gen", sagt die Personalchefin. Wer dieses Gen hat, liebt es, andere zu verwöhnen und besitzt die Gabe, sich in die Haut des anderen zu versetzen. "Man braucht also genau das Einfühlungsvermögen, an dem es in Schlechte-Laune-Hochburgen wie der Familie oder dem Arbeitsumfeld oft mangelt", schreibt Andrea Gerk.

"Lob der schlechten Laune" von Andrea Gerk ist bei Kein & Aber erschienen.