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Raus aus der Fischer-Kate?

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Ilsebill salzt nach: "Der Fischer und seine Frau" in München

In der Brüder-Grimm-Stadt Hanau kam das Märchen von der gierigen Ilsebill 2017 als Musical heraus. Jetzt übernahm das Deutsche Theater die Produktion. Das Publikum jubelte. Der Abend ist ironisch, aber zu lang. Nachtkritik von Peter Jungblut

Über dieses Thema berichtet: LÖSCHEN Kultur am .

Wenigstens im Märchen hat der Bürgermeister noch was zu sagen, der Kaiser darf Launen haben und der Papst eine dreistöckige Tiara. All das macht Ilsebill, die unersättliche Frau des Fischers Munk aber bekanntlich weder glücklich, noch zufrieden. Sie will am Ende sein wie Gott, und anders als im Märchen der Brüder Grimm ist sie das im Musical "Vom Fischer und seiner Frau" sogar in gewisser Weise, denn ihr ertrunkener Sohn, der wird wieder lebendig. Die Familie ist wieder vereint, wenn auch in der einfachen Fischerkate statt in der Villa.

Zottelige, muschelbesetzte Bewohner

Mitte Mai letzten Jahres war Freilicht-Uraufführung bei den Grimm-Festspielen in Hanau, jetzt wagte das Deutsche Theater in München eine Übernahme. Das Publikum war begeistert, darunter natürlich viele Kinder, die allerdings mit allerlei offenen Fragen nach Hause gingen. Für ein kurzweiliges Familienstück ist der Abend mit knapp drei Stunden doch etwas lang und für ein richtig spannendes Erwachsenen-Musical fehlen die Nebenhandlungen und das große Ballett. Ja, die Unterwasserwelt in der versunkenen Stadt Vineta wird durchaus vorgeführt mit ihren zotteligen, muschelbesetzten Bewohnern. Aber all die Charaktere bleiben doch überraschend beiläufig, wo sich doch unter ihnen so viele schräge Geschichten hätten abspielen können. Stattdessen bleibt es bei einem schnellen Blick auf zwei lernbegierige und schüchtern verliebte Fische, die gern an "Algensteinen" lutschen. Der König hat einen mürrischen Kurzauftritt und bleibt ein "Mann ohne Eigenschaften". Schade, da wäre textlich mehr möglich gewesen.

"Jeder kann es schaffen"

Komponist Marc Schubring und Autor Kevin Schroeder mussten sich mit einer fünfköpfigen Band und zwölf Darstellern behelfen. Daraus machte Regisseur Holger Hauer aber einen unterhaltsamen und keineswegs flachen Abend. Er hätte etwas mehr Witz vertragen, doch Ironie ist reichlich vorhanden, zum Beispiel salzt Ilsebill gleich am Anfang reichlich nach. Wer denkt da nicht an den angeblich schönsten „ersten Satz“ der deutschen Literatur, nämlich den „Butt“ von Günter Grass? Auch derbe Satire wird geboten, etwa dann, wenn die geldgierigen Stadtbewohner allesamt singen "Jeder kann es schaffen" und sich tatsächlich gegenseitig übers Ohr hauen und ausbooten, wann immer es geht. Eine beschwingte Kapitalismus-Farce mit Happy End also, wo es bei den Brüdern Grimm doch eigentlich vor allem um Moral geht, aber die scheint ja wirklich nicht mehr zeitgemäß.

Wenig benutzte Show-Treppe

Von den Songs bleibt zwar keiner hängen, aber das spricht nicht gegen die Qualität. Munter komponierte sich Marc Schubring durch alle Stile, vom Calypso über die Ode bis zum Marsch. Aufs Mitklatschen legte er es erfreulicher Weise nicht an. Tobias Schunck hatte dazu ein Bühnenbild mit angenehm wenig benutzter Show-Treppe entworfen. Grobes Holz dominiert, wie an Hafen-Molen und in Fischerkaten eben üblich ist. Anna Montanaro als Ilsebill zeigte eindrucksvoll, wie Gier entsteht, nicht zufällig nämlich, sondern weil die Gesellschaft sie fördert. Überzeugend ihr Gesang, ausgesprochen glaubwürdig ihr Auftreten.

Musicals müssen gut ausgehen

Das gilt auch für den uneitlen und aufrichtigen Ron Holzschuh als Fischer Munk. Janko Danailow spielte den quirligen Butt, der sich als ertrunkener Sohn erweist, mit viel Herzblut und berührender Intensität. Sophia Euskirchen gab souverän eine auftrumpfende Meeresgöttin. Markus Syperek tat sein Bestes, die kleine Band farbenreich klingen zu lassen - da mussten die Mitwirkenden die Musiker auch mal als Rhythmus-Gruppe unterstützen. Ob den Brüdern Grimm diese Version des eigentlich tragischen niederdeutschen Volks-Märchens gefallen hätte, sei dahin gestellt, aber sie konnten ja noch nicht wissen, dass Musicals immer gut ausgehen müssen.

Bis 12. August im Deutschen Theater München.