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Gustav Kuhn

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Festival Erl: Massiver Druck auf Gustav Kuhn wegen Sex-Vorwürfen

Der künstlerische Leiter der Tiroler Festspiele in Erl bei Kufstein, Gustav Kuhn, wird von fünf Frauen beschuldigt, sie sexuell belästigt zu haben. Kuhns Anwalt spricht von "Menschenjagd". Die Politiker sind alarmiert. Von Peter Jungblut.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Fünf Künstlerinnen wollen von Gustav Kuhn sexuell belästigt worden sein. Sie arbeiteten zwischen 1998 und 2017 in Erl. Aliona Dargel, Violinistin aus Weißrussland, die deutsche Sopranistin Bettine Kampp, Violinistin Ninela Lamaj aus Albanien, Mezzosopranistin Julia Oesch und Sopran Mona Somm aus der Schweiz unterschrieben alle einen offenen Brief an den ebenfalls umstrittenen Festspiel-Präsidenten Peter Haselsteiner, in dem sie von unhaltbaren Zuständen bei den Tiroler Festspielen berichten:

Wir sind direkt Betroffene, Zeuginnen oder Mitwissende davon, dass es zu unserer Zeit anhaltenden Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe von Seiten des künstlerischen Leiters gegeben hat. (. . .) Regelmäßig waren wir der ungehemmten Aggression des künstlerischen Leiters ausgesetzt. Massive seelische Gewalt in Form von Mobbing, öffentlicher Bloßstellung, Demütigung und Schikane stand an der Tagesordnung. – Brief der Unterzeichnerinnen

"Begrapschen und Schrei-Anfälle"

Die Frauen sprechen von regelmäßigen Schrei-Anfällen von Kuhn bei Proben, von „unerwünschtem Küssen auf den Mund oder auf die Brust“, von „Begrapschen unter dem Pullover, Griff zwischen die Beine etc., von obszöner verbaler Anmache ganz zu schweigen“. Die Innsbrucker Staatsanwaltschaft will sich jetzt kundig machen, was an den Vorwürfen dran ist und gegebenenfalls ermitteln. Die Tiroler Grünen fordern die sofortige Abberufung von Gustav Kuhn, die Politik ist alarmiert, sogar in Wien:

Das Bundeskanzleramt hat in Abstimmung mit dem Land Tirol die Geschäftsführung bereits aufgefordert, umgehend alle nötigen Schritte einzuleiten, um für rasche und umfassende Aufklärung zu sorgen. – Pressemitteilung des österreichischen Kanzleramts

"Unbewiesene Anschuldigungen"

Die Affäre schwelt seit Monaten: Dem Maestro Gustav Kuhn wird vom Blogger Marcus Wilhelm seit Februar vorgeworfen, in Erl ein selbstherrliches Regiment zu führen. Auch von sexuellen Übergriffen war die Rede, doch Zeugen dafür wollten sich nicht melden. Stattdessen kam es zu einer Reihe von gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen Kuhn und Wilhelm, in denen es um Widerruf und Unterlassungserklärungen ging. Kuhns Anwalt Michael Krüger spricht von einer "Menschenjagd" und kündigte an, sein Mandat werde sich mit "den Mitteln des Rechtsstaates" zur Wehr setzen. Rund 150 in Erl beschäftigte Künstler, darunter viele aus Weißrussland, solidarisierten sich mit dem Dirigenten und sprachen von „unbewiesenen Anschuldigungen“. Daraufhin schien sich die Lage zu beruhigen, wenngleich hinter den Kulissen diskret nach einem Nachfolger von Kuhn gesucht wurde, dessen Vertrag in Erl im Herbst 2020 ausläuft. Der umtriebige Dirigent hatte das Festival vor 21 Jahren gegründet und damit künstlerisch international für Aufmerksamkeit gesorgt. Kuhn lehnt das „Regietheater“ ab und inszeniert überwiegend selbst, allerdings minimalistisch und konventionell, was Teile des Publikums goutieren. Erl profilierte sich damit gerade gegen den üblichen Festivalbetrieb in Salzburg und Bayreuth. Wie es ohne Gustav Kuhn weitergehen könnte, ist unklar.