Xavier Darcy ist einer von sechs Kandidaten für den deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest 2018 in Lissabon. Der Musiker aus Bayern hat britische und französische Wurzeln, aufgewachsen ist er unter anderem in England, Frankreich, Kanada, München und Oberpframmern im Landkreis Ebersberg. Kein Wunder also, dass er sich als Weltbürger versteht. Mindestens aber als Europäer. Joana Ortmann hat mit Darcy über Musik, Identität und die Frage gesprochen, ob der globalisierte Pop musikalische Vielfalt schwieriger macht.
Xavier Darcy, unter welchen Bedingungen entsteht eigentlich so ein ESC-Song?
Es gibt ganz besondere Vorschriften für den Eurovision Song Contest. Der Song soll drei Minuten lang sein, soll keine politischen Botschaften beinhalten, und es muss ein ganz neuer Song sein. Das ist manchmal nicht so einfach, wenn man solche Vorschriften bekommt und was schreiben muss für einen bestimmten Anlass. Ich habe mir sehr viel Mühe gegeben, einen Xavier-Darcy-Song zu schreiben und mich nicht zu viel beeinflussen zu lassen. Ich glaube, das war auch ein Problem und ist immer noch ein Problem bei vielen Ländern und bei Deutschland in den letzten paar Jahren, dass man dieses ESC-Kalkül in der Musik spüren kann. Das macht diesen Moment, diese drei Minuten, diesen besonderen Fernsehmoment kaputt, wenn man den Eindruck hat, dieser Künstler hat diese Performance, diesen Song nur entwickelt, um zu punkten, um Stimmen zu gewinnen.
Sie sind 23 Jahre alt, britisch-französischer Herkunft, aber seit 2005 in Oberpframmern. Das heißt, Sie haben schon eine ganz schöne Runde hinter sich: England, Frankreich, Kanada, Belgien. Was ziehen Sie daraus?
Das ist manchmal nicht so einfach, weil gerade der Trend dazu geht, glaube ich, wieder mehr nationale Identität zu haben und wieder mehr nationale Identitäten zu feiern. Ich bin eine Person, die sich immer mehr als ein Europäer identifiziert hat, und ich habe eigentlich keine Heimat. Ich identifiziere mich viel mit München, das ist eine Stadt, wo ich meine Jugend verbracht habe, meine Teenagerjahre. Das sind ganz, ganz wichtige Jahre. Ich habe einen gewissen englischen kulturellen Einfluss, vor allem in der Musik, aber auch einen französischen, weil ich in Paris gewohnt habe und weil mein Papa Franzose ist. Ich bin viel umgezogen, ich bin zehn Mal umgezogen, vor allem sehr viel in meiner Kindheit. Ich kann nicht wirklich sagen, wo daheim ist oder wo ich hingehöre, aber für mich ist es nicht schlimm, vor allem als Musiker. Ich bin viel unterwegs, ich bin viel auf Tour und ich bin ein "citizen of the world", wie man sagen würde. Theresa May hat kürzlich gesagt: "If you're a citizen of the world, you are a citizen of nowhere". Das hat besonders wehgetan, denn ich bin jemand, der sich immer als Bürger von überall, als Europäer, identifiziert hat.
Wenn Sie heute beim ESC-Vorentscheid auftreten: Haben Sie dann ein bisschen Ehrfurcht vor der großen Bühne?
Ich freue mich darauf! Es ist eine ganz neue Erfahrung. Wir haben da eine Schlagerband, "voXXclub", wir haben drei ehemalige "The Voice"-Teilnehmer, das sind Leute, die solche Bühnen gewohnt sind, die wissen, wie sie ein solches Publikum, solche Kameras bedienen. Ich komme da ganz frisch rein, aber ich glaube, dass das gerade mein Vorteil sein kann. Denn wenn man sowas sehr viel macht, wenn man an diese Fernsehwelt gewohnt ist, wenn man das alles gelernt hat, vor allem durch so ein Format wie "The Voice", dann ist man in seinen Wegen sehr festgesetzt. Ich werde da einfach meine Performance durchziehen, wie auf so einer kleinen Clubbühne in München, wie in der Milla oder im Substanz. Das ist meine Schule, da hab ich gelernt und das sind meine Wurzeln. Und ich werde auch meinen Wurzeln treu bleiben.
Der ESC-Vorentscheid wird heute ab 20:15 live aus Berlin in der ARD gezeigt.