Ein neuer Hotzenplotz also, aus dem Nachlass des 2013 verstorbenen berühmten Kinderbuchautors Otfried Preußler - ein Manuskript zwischen Abgelegtem und Vergilbtem, das hätte gepasst, denn Preußler hatte ein Faible für Gespenster, Geister und Spukgestalten, und befand sich zeitlebens im Bann von Märchen und Mythen, die er in böhmischer Fabuliertradition umwandelte und weitererzählte. Preußlers Räuber Hotzenplotz gehört wie die kleine Hexe oder das kleine Gespenst zum Kinderbuch-Erbgut eines deutschen Kleinkinds. Seit 50 Jahren mittlerweile und von ähnlich erstaunlicher Beständigkeit wie das Geräusch von Dampf- und Dieselloks, das Kinder beim Eisenbahnspielen nachahmen, obwohl es die in ihrer Realität kaum mehr gibt.
Alter Klassiker wiederbelebt
Im Hotzenplotz bekommt also der kleine Mensch eine erste Vorstellung davon, wie das Bedrohliche aussieht, und wie man sich dagegen wehren kann: mit Pfefferpistolen, Feenkraut und Unkenpfuhl. Zu beachten ist auch all das kinderkabarettistisch ausgeschlachtete Personal: Vom Wachtmeister Dimpfelmoser bis zum Zauberer Zwackelmann hat Preußler sein Kasperletheater aus heutiger Sicht liebenswert altmodisch auserzählt. Mit ungeheurem Erfolg: Teil 2 kam, weil so viele Anfragen beantwortet werden mussten, Teil 3, weil der gute Wasti, der Hund der Wahrsagerin Frau Schlotterbeck, versehentlich ein Krokodil geblieben war, und noch zurück verwandelt werden musste. Dann endlich waren keine Enden mehr offen, das Triptychon abgeschlossen.
Und nun soll der Fund einer neuen Geschichte den alten Klassiker wiederbeleben? Die Geschichte ist aber etwas platt und schnurrt auch nach der Bearbeitung durch die Tochter Susanne Preußler-Bitsch ohne Seitenstränge durch: Ausbruch des Hotzenplotz, Finte des Kasperle, diesmal nur mit einer Raketenattrappe, mit der sich das Silber vom Mond klauen ließe. Gedacht, getan, losgezogen und den Ausbrecher eingesackt. Dabei war der Hotzenplotz am Ende von Teil 3 doch schon geläutert, rehabilitiert und eingegliedert in die Gemeinschaft der Guten.
Ein Nostalgiebüchlein
Auch die neuen Illustrationen von Thorsten Saleina sind bewusst im Schwung des ehemaligen Zeichners J.F. Tripp gehalten, nur Farbe ist hinzugekommen. So ist dies nun also ein Nostalgiebüchlein, sozusagen die Mondraketen-Attrappe des Thienemann- Verlags, um mit dieser Petitesse ein paar Silberlinge zu erbeuten. Auch wenn der Marketingstart kommerziell geglückt ist: Eingefleischten Hotzenplotzisten ist das viel zu wenig. Man lebt ja nicht hinter dem Mond. Selbst wenn das Raumfahrtprogramm der chinesischen Regierung derzeit genau dorthin will.