Hermann (Brandon Jovanovich) und Gräfin (Hanna Schwarz)
Bildrechte: Ruth Walz/Salzburger Festspiele

Hermann (Brandon Jovanovich) und Gräfin (Hanna Schwarz)

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Ein Mann in der Erfolgsspur: "Pique Dame" in Salzburg

Geld oder Liebe: Das endet bei Tschaikowski natürlich tragisch. Hans Neuenfels macht aus dem Spielerdrama einen Abgesang auf den Erfolg, auch den politischen. Angela Merkel sah eine skelettierte Zarin Katharina winken.

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Jetzt ist klar, wo die Bundeskanzlerin ihren Urlaub verbringt: In der Oper, und zwar nahezu täglich. Jedenfalls hat sie sich einige Vorstellungen in Bayreuth angesehen, wurde im Münchener "Parsifal" gesehen und war gestern in Salzburg bei Tschaikowskis "Pique Dame". Da allerdings musste sie mit ansehen, wie die Zarin Katharina die Große als dürres Knochengerippe auf die Bühne geschoben wurde, ein Skelett mit silberner Strass-Haube, das gruselig Elle und Speiche klappern lässt.

Merkel ist ja Regie-Theater gewohnt

So sieht sie in der Inszenierung von Hans Neuenfels also aus, die weibliche Macht. Aber Regietheater ist Angela Merkel, die im goldenen Blazer und mit ihrem Ehemann an ihrer Seite kam, ja gewohnt. War das überhaupt "Pique Dame", die da im Großen Festspielhaus gezeigt wurde? Wenn es um drei zottelige Hexen und düstere Prophezeiungen geht, denken die meisten ja eher an Shakespeares "Macbeth", und davon war Regie-Altmeister Hans Neuenfels wohl inspiriert. Er zeigte Tschaikowskis melodienselige Oper als Geschichte eines Mannes, dem der Erfolg letztlich wichtiger ist als die Liebe - klingt heutzutage keineswegs mehr so wahnsinnig wie im 19. Jahrhundert, als noch romantische Helden gefragt waren.

Unter der Knute von Katharina

Bei Neuenfels strebt Hermann, dieser nachdenkliche Deutsche inmitten von lauter Russen, nach finanzieller Unabhängigkeit, die er mit Freiheit verwechselt. Das kann schon passieren in dem hier gezeigten Russland, wo die Kinder in Käfigen gehalten werden, das Volk unter der Knute von Zarin Katharina uniforme Masken trägt und sein Leben im tristen Schwarzweiß fristet. Im grellen Kontrast dazu steht Hermanns knallrote Zirkusuniform - und die titelgebende, in diesem Fall gar nicht so greise Gräfin, die Pique Dame, die mit ihren rosa Strümpfen, blutroten Handschuhen und giftgrünen Sommerkleid aussieht, als ob sie sich farblich an ihren Tabletten orientiert.

Tschaikowski glaubte halt an die Liebe

Sie kennt die drei Karten - die scheinbar alle finanziellen Probleme lösen. Bei Neuenfels geht ein grelles Licht auf, als sie das Geheimnis verrät, ein gleißend heller Moment, kein Hokuspokus mit Spinnweben im Zwielicht. Hier sieht Hermann erstmals klar und deutlich, was er will und wie es geht. Dass er am Ende trotzdem alles verliert, liegt an Tschaikowski, so Hans Neuenfels schelmisch, denn der Komponist, der habe halt wie Puschkin an die Liebe geglaubt. Tragisch für die erfolgssüchtige Pique Dame und ihren gelehrigen Schüler Hermann.

Spieltisch als Toten-Bahre

Ausstatter Christian Schmidt hatte eine Mischung aus Spielcasino und Mausoleum entworfen, einen riesenhaften, nachtschwarzen Saal, in den über drei Laufbänder immer wieder neue Requisiten hineingeschoben werden, darunter natürlich ein Spieltisch, der mehr an eine Toten-Bahre erinnert. Im Hintergrund öffnen sich Schiebetüren, sie geben den Blick frei auf ein schwindelerregendes Karussell, auf eine blutrote Schäferspiel-Bühne im Goldrahmen. Ein Gespensterreigen - am unheimlichsten eine Familientafel im Hause des Fürsten Jelezki. Er verlobt sich mit Lisa, der Frau, die eigentlich viel lieber mit Hermann durchbrennen würde. Ohnmächtig starrt sie auf das, was sie stattdessen erwartet: Vier Kinder und ein Mann, der von ihr außer Gehorsam nichts erwartet.

Schwermut, Weltschmerz, Scheitern

Wenn ein so ausgewiesener, begnadeter Tschaikowski-Fachmann und Kenner der russischen Literatur wie Mariss Jansons am Pult steht, sind die Erwartungen hoch, und sie wurden nicht enttäuscht. Diese unendliche Schwermut, diesen Weltschmerz, dieses so zwangsläufige wie poetische Scheitern an den eigenen Idealen, das vertonte der zutiefst unglückliche Tschaikowski wie kaum ein anderer, und das brachte Jansons bestürzend aufrichtig zu Gehör. Brandon Jovanovich als Hermann fing auftrumpfend an, verausgabte sich dabei aber etwas frühzeitig. Hanna Schwarz als Gräfin fand eindrucksvoll zu einem ganz und gar untypischen, nämlich fast clownesken, Rollenporträt.

Ohne Casino-Brimborium und Herzschmerz

Evgenia Muraveva als Lisa wirkte bisweilen allzu gravitätisch, ja gehemmt. Ihr inneres Ringen um Glück oder Geld war daher schauspielerisch nicht so dramatisch, wie es hätte sein können. Auch in den Nebenrollen blieben Wünsche offen, stimmlich mehr als darstellerisch, als ob die vielen Russen, Weißrussen und Ukrainer doch etwas mit dem ungewöhnlichen Regie-Konzept haderten. Gleichwohl eine in jeder Hinsicht festspielwürdige, opulent ausgestattete, klug inszenierte, aufwühlend dirigierte und nachdenklich machende "Pique Dame", weit jenseits von Puschkin-Klischees, Casino-Brimborium und Herzschmerz-Spektakel.

Wieder am 10., 13. und 18. August, weitere Termine.