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Dominik Graf

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Dominik Grafs RAF-Tatort "Der rote Schatten"

Die Vergangenheit wirft Schatten bis in unsere Gegenwart. Dominik Grafs Tatort "Der rote Schatten" stellt erneut die Frage, ob Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe wirklich Selbstmord begangen haben. Sendetermin: 15.10.2017, Knut Cordsen

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Heute beginnt im Filmmuseum Potsdam das Festival „Moving History“, das sich mit dem Deutschen Herbst 1977 und dem Terror der Rote Armee Fraktion beschäftigt. Dort wird Dominik Graf seinen RAF Tatort "Der rote Schatten" vorstellen. Knut Cordsen hat mit dem Regisseur über den Film gesprochen. 

Frage: Die These, die Sie in Ihrem Tatort aufstellen, hat es verdient, steil genannt zu werden. Es geht nämlich um die damals, 1977, stark diskutierte Frage, ob die RAF-Terroristen Gudrun Ensslin, Andreas Baader und Jan-Carl Raspe wirklich Selbstmord begangen haben oder ob der Staat einen Selbstmord der Gefangenen in Stuttgart-Stammheim lediglich vorgetäuscht hat und in Wahrheit ein Sondereinsatzkommando die drei Terroristen in der Nacht vom 18. Oktober in ihren Zellen getötet haben könnte. Also Fremdeinwirken, Mord statt kollektiver Suizid. Geben Sie damit nicht einer alten Verschwörungstheorie, der viele Gutachten widersprechen, neue Nahrung?

Dominik Graf: Vielleicht. Aber vielleicht ist es auch nötig, dass man sich damit noch mal erneut auseinandersetzt. Denn es ist ja so, dass der Staat selbst in der Art und Weise wie die ganze kriminalistische Bearbeitung des Falles damals gelaufen ist, diesen Gerüchten unendlich viel Nahrung bis heute gegeben hat. Die Art und Weise, wann da irgendwie Gerichtsmediziner rein durften, um festzustellen, wer wann erschossen wurde, wer wann getötet wurde, sich selbst oder von außen, ist so unfassbar. Da gibt es Todeszeitpunkte bei den Terroristen, die sind im 12-Stunden-Bereich, weil sie es nicht mehr sagen können. Weil bis dahin sozusagen andere Dinge vorgingen in den Zellen, nachdem man die Toten entdeckt hatte und weil erst viel später Fachleute dazukamen. Warum? Optionen – offene Möglichkeiten! Warum war der Trakt wahrscheinlich unbewacht, der Baader-, Ensslin-, Raspe-Trakt, bis zu vier Stunden? Der Staat selbst hat das nie beantwortet. Und auf diesen Dingen, die heute noch teilweise auch juristisch ungeklärt sind, basiert eigentlich nur das Optionale, das was möglich sein könnte.

Rechtsanwälte haben sich durchsetzen müssen, man hat Dinge feststellen können, eben also fehlerhafte Überwachung, komplette Defizite. Das schreit doch danach, dass da irgendetwas nicht stimmt. Und auf diesem Humus gewissermaßen, irgendetwas stimmt immer noch nicht in dieser Nacht, ist immer noch ungeklärt, darauf basieren dann Theorien. Verschwörungstheorie - das hängt ja inzwischen semantisch schon zusammen. Man sagt Theorie und dann muss man gleich Verschwörung vorne dranhängen. Ist das so? Kann man nicht die Frage stellen und gleichzeitig sagen: Ja, jetzt geben Sie mir keine Antwort drauf, jetzt sage ich Ihnen mal, was ich vermute, was vielleicht sein könnte. Dann kriegen Sie einen Lachanfall, das ist mir klar, das müssen Sie auch. Aber auf der anderen Seite ist es doch nicht verboten, festzustellen: So wie allgemein gesagt wird und so wie Ihr uns das versucht, uns weiszumachen, so war es wahrscheinlich dann doch nicht, oder?

Im Grunde ist es eine Frage an die Verantwortlichen: Wollt Ihr, dass wir immer weiter so denken? Wollt ihr wirklich, dass wir immer weiter glauben, da ist was schief gelaufen? Ihr habt irgendwas vermasselt. Das wollt ihr nicht zugeben. Es muss ja gar nicht sein, dass es die Mordtheorie ist. Aber irgendwas ist da schief gegangen und ihr sagt es immer noch nicht. Und der nächste Innenminister schiebt es noch einmal 50 Jahre nach hinten ins Regal. Das finde ich irgendwie eine Zumutung in einem Land, das sich nach außen hin mit seiner demokratischen Regierung brüstet.