DIe junge Leistungsschwimmerin Camille in einer Therapiesitzung bei Psychoanalytiker Dr. Dayan
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"In Therapie": Die junge Leistungsschwimmerin Camille

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Das sind die besten Serien im Januar

Von aufrüttelnden Therapiesitzungen bis zum Astronautentraining in der Wüste: Im Januar stellen sich neue Serien unseren größten Ängsten. Darunter auch die überraschende Superhelden-Serie "WandaVision" und die politische Dystopie "Years and Years".

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Zum Jahresbeginn sind die öffentlich-rechtlichen Mediatheken wieder prall gefüllt mit neuem Serienstoff: "Twin" aus Norwegen erzählt einen düsteren Zwillingsthriller mit Game-of-Thrones-Wildling Kristofer Hivju (ARD Mediathek). Mindestens so sehenswert ist die neue, dritte Staffel der ARD-History-Serie "Charité". Sie nimmt uns mit in das entscheidende Jahr 1961, als direkt vor den Kliniktoren die Mauer durch Berlin errichtet wird (ARD Mediathek). Und in der ZDF Mediathek können Sie noch bis Ende Februar zwei hochspannende Staffeln der aktuellen Serienadaption "Das Boot" ansehen.

Diese neuen Serien lohnen sich ganz besonders:

"In Therapie" – Pariser Großstädter und ihr Therapeut

Mäuschen spielen und die allergeheimsten Gedanken fremder Menschen erfahren: Diese Gelegenheit verspricht das ungewöhnliche Serienkonzept von "In Therapie".

Basierend auf dem israelischen Serienhit "BeTipul" von 2005 haben die beiden französischen Regisseure Éric Toledano und Olivier Nakache ("Ziemlich beste Freunde") die Geschichten eines Therapeuten und seiner Patientinnen und Patienten ins Jahr 2015, nach Paris übersetzt. Die Handlung und die Charaktere ähneln denen des Originals, doch genau wie in den nun 20 internationalen Remakes (u.a. "In Treatment" von HBO) haben auch Toledano und Nakache die Serie an den kulturellen Kontext und den gesellschaftlichen Hintergrund ihres Landes angepasst: Die Sitzungen des Psychoanalytikers Philippe Dayan (Frédéric Pierrot) finden alle unmittelbar nach den Terroranschlägen in Paris am 13. November 2015 statt.

Der Elitepolizist Adel (Reda Kateb) hadert seit seinen grausamen Erfahrungen im Bataclan mit seiner Identität. Er hält gar nichts von der Seelenklempnerei und wie alle Figuren in dieser Serie fürchtet er nichts mehr als den Kontrollverlust: Die Chirurgin Ariane (Mélanie Thierry) ist ebenfalls traumatisiert und manipuliert ihre Beziehung, die Schülerin Camille (Céleste Brunnquell) steht unter enormem Leistungsdruck und Therapeut Dr. Dayan beginnt nicht nur seine Ehe, sondern auch seine eigene Professionalität zu hinterfragen.

Jede der 35 nicht einmal halbstündigen Folgen begleitet abwechselnd eine Therapiesitzung mit einem oder einer seiner vier Patienten und Patientinnen, aber auch seine Treffen mit seiner Supervisorin, die Einblicke in die konfliktreiche Gefühlswelt des Therapeuten selbst bieten.

Auch wenn es in dieser kammerspielartigen Serie nicht viel zu sehen gibt und nicht jeder Fall gleich spannend ist: Die Dialoge entwickeln einen ungewohnten Sog, der das Publikum zwingt, auch die nächste und übernächste Sitzung anzuschauen.

"In Therapie" wird ab dem 04.02.21 bei Arte ausgestrahlt und ist ab dem 28.01.2021 in der Arte Mediathek abrufbar.

"WandaVision" – Durch die Fernsehgeschichte mit den Avengers

Iron Man, Captain America, Black Widow, Black Panther, Spider-Man – sie alle sind Teil eines riesigen Comic-Universums, das seit den 1960er Jahren immer weiter wächst: die Avengers. Und aus deren Reihen kommen auch die beiden weniger berühmten Protagonisten der neuen Superhelden-Serie "WandaVision", der ersten von mehreren geplanten Marvel-Comics-Serien, die bald beim Streamingdienst Disney+ starten werden.

Dass "WandaVision" eine ganz spezielle Superheldenserie ist, zeigt sich schon in der ersten Szene, die bis ins Detail im Schwarz-Weiß-Look einer 50er-Jahre Familien-Comedy – man denke an "Bezaubernde Jeannie" – inszeniert ist. Wenn die beiden unverschämt gutaussehenden und perfekt frisierten Hauptfiguren, Wanda (Elizabeth Olsen) und Vision (Paul Bettany), halb witzige Schmunzler über ihr Eheleben raushauen, lacht und klatscht das Studiopublikum ohne einen Funken Ironie.

Bisher waren Vision, ein mächtiger Android, und Wanda (sie hat telepathische und telekinetische Fähigkeiten) Nebenfiguren in den Avengers-Kino-Blockbustern. Sie waren ein Paar, bis Vision im letzten Film vernichtet wurde. In der Serie sind sie wieder vereint. Fragt sich also: Was geht hier vor sich? Und offenbar wissen Wanda und Vision das selbst auch nicht. Als eine neue Nachbarin sich vorstellt, haben sie keine Antwort auf die Frage, wie sie sich überhaupt kennengelernt haben – oder wie lange sie zusammen sind.

"WandaVision" erinnert stark an den großartigen Film "Die Truman Show", in dem ein Mann in einer Fernsehsendung lebt, ohne es zu wissen. Die Serie sieht ebenso arty aus, der Humor ist schräg und für Fans des Avengers-Universums ist "WandaVision" wie Schnitzeljagd nach versteckten Hinweisen. Hintergrundwissen ist dennoch nicht notwendig, um Gefallen an der Serie zu finden. Dafür reicht auch ein Faible für klassische Familien-Sitcoms und der Wille, sich auf ein großes Mysterium einzulassen.

Bei Disney+ sind wöchentlich neue Folgen von "WandaVision" streambar. Der Autorin wurden vor Serienstart drei Folgen zur Verfügung gestellt.

"Moonbase 8" – Die Ersatzcrew der Ersatzcrew

Weltraumfantasien standen verständlicher Weise im vergangenen Jahr hoch im Kurs bei den amerikanischen Streamingdiensten. Weil die NASA für brilliante Köpfe und Innovationsgeist steht, ist die Fallhöhe für Comedy natürlich besonders hoch. Und genau darauf zielt auch "Moonbase 8", die neue Serie von und mit Fred Armisen ("Saturday Night Live") und John C. Reilly ("The Lobster") ab.

Ab ins All geht’s für die Besatzung der "Moonbase 8" nicht. Diese Mond-Trainingsstation bleibt auf dem Boden der Tatsachen – in der Wüste Arizonas. Dort bereiten sich drei Männer für den Ernstfall, einen Einsatz auf dem Mond, vor. Nur leider läuft hier rein gar nichts nach Plan. Der ehemalige Helikopter-Touren-Pilot Cap (Reilly) leitet die Crew, zu der der semibegabte Forscher Dr. Henai (Armisen) und der missionierende zwölffache Vater Prof. Sloan (Tim Heidecker) gehören. Anders als in den üblichen Raumfahrt-Stories sind die drei angehenden Astronauten keine vom Leben geprüften und vielfach ausgezeichneten Helden, sondern unqualifizierte Durchschnittsmänner mit einem überlebensgroßen Traum. Die Ersatzcrew für die Ersatzcrew, die sich nicht einmal merken kann, was hinter der Abkürzung der Raumfahrtbehörde NASA steckt (es ist nicht "National Association of Space Astronauts").

Moonbase 8 ist trotzdem keine zynische Weltraumsatire, wie "Space Force" von Netflix. Sondern eine absurd-komische und wohlfühlige Arbeitsplatz-Comedy, die mit ihrem isolierten Setting wunderbar in die Pandemiezeit passt: Weit entfernt und unsichtbar für Vorgesetzte und Familie, streben drei Allerweltsmänner verzweifelt gegen alle Widrigkeiten nach Anerkennung für ihre Mühen. Und so wirkt das vergangene Jahr im Home-Office nach einer der sechs halbstündigen Folgen auch ein wenig wie ein intensives Astronautentraining.

Neue Folgen von "Moonbase 8" werden wöchentlich bei Sky ausgestrahlt und sind anschließend über SkyTicket oder SkyGo streambar.

"Years and Years" – Von der Realität überholt

Ginge es nach der BBC-Serie "Years and Years" stünde die Welt im Jahr 2021 in Flammen: Griechenland und Spanien revoltieren, in Italien herrscht Bürgerkrieg, Merkel ist gestorben, die Briten sind aus der EU ausgetreten und ein neuer Bankencrash hat die Weltwirtschaft in Trümmer gelegt. Und alles nur, weil Donald Trump in diesem alternativgeschichtlichen Szenario die US Wahl 2020 erneut gewonnen hat. "Years and Years" kostet das resultierende Chaos genüsslich aus und lässt die Familie Lyons mit den Konsequenzen kämpfen: vier Geschwister, deren Anhang und die Großmutter. Wie sie über einen Zeitraum von 15 Jahren ihren Alltag bestreiten und Normalität im Ausnahmezustand finden, zeigt die Serie "Years and Years" in sechs rasanten und erschreckenden Episoden.

Miterleben zu müssen, wie irrational, naiv und kurzsichtig sich die eigentlich klugen und reflektierten Lyons in dieser hoffnungslosen Situation verhalten, ist richtige Folter. Glücklicherweise lockert die absurde Komik die Serie immer wieder auf.

"Years and Years" von Russel T Davies ist eine faszinierende Polit-Science-Fiction-Serie, die sich aber nicht auf die Mächtigen und ihre Machtspiele konzentriert. Der Fokus liegt auf den Menschen, die mit den politischen Entscheidungen in einer ziemlich finsteren nahen Zukunft leben müssen. Wegschauen ist unmöglich: Das Szenario der Serie ist bis ins Detail so gut vorstellbar, dass es richtig weh tut zuzuschauen, wie die Welt vor die Hunde geht. Glücklicherweise mit dem guten Gefühl, dass die Realität doch noch anders verlaufen ist.

"Years and Years" ist in der ZDF Mediathek verfügbar.

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