Bildrechte: Jutta Koether/ Galerie Buchholz, Berlin/Cologne/New York

Jutta Koether: Souveraine Nr. 5 (after Peaches), 2009

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Brandhorst Museum: Wer Jutta Koether sieht, sieht rot

Sie machte die Farbe Rot zum Zentrum ihrer Kunst. Das Brandhorst Museum gibt mit "Tour de Madame" einen Einblick in das Werk von Jutta Koether, die die Bildsprache männlicher Kollegen aufgreift - um etwas Neues, Eigenes zu sagen. Von Julie Metzdorf

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Große Formate mit expressiven roten Pinselstrichen: So kennt man Jutta Koether heute. Doch der erste Raum der Ausstellung offenbart den langen Weg, den die Künstlerin bis hierhin gehen musste. Die frühen Arbeiten aus den 80er-Jahren sind klein, manche nicht einmal 20 Zentimeter breit. Man sieht etwa einen kopflosen Frauenkörper neben einem grinsenden Vulkan, Blumen schweben von ihr aus in Richtung Krater, doch sie dürften noch vor ihrem Eintreffen verglühen. Ein anderes Bild zeigt eine Laterne mit dickem schwarzen Gehäuse, das Licht kann gar nicht nach außen dringen. Motive, Format, Malweise: Alles an diesen Bildern spiegelt die Bedingungen, in denen sich die Künstlerin damals befand: Die kleinen Arbeiten entstanden in der Privatwohnung, weil an ein großes Atelier nicht zu denken war.

Erste Gemälde - mit Funktionsstörung

Der dicke Farbauftrag, die eigenartige Enge in den Bildern und das wiederholte Motiv einer Senderin, deren Nachrichten nicht ankommen. Das alles spiegelt die Situation in einem durch und durch männlich dominierten Kunstbetrieb: Es gab kaum Ausstellungsmöglichkeiten und damit keine Chance, die eigene Botschaft zu vermitteln. Jutta Koethers Frühwerke sind Gemälde, die ihre eigenen Funktionsstörungen thematisieren: Sie sind in sich gefangen, haben kein Ventil und kein Publikum. "Die kleine Formate entstanden in einer Zeit, in der ich versucht habe, mich erst mal heranzutasten, was will ich überhaupt, was kann ich sagen. Es sind Variationen eines Satzes, eines malerischen Idioms. Heute ist das natürlich mit einem ganz anderen Wissen, vielleicht auch einem anderen Selbstbewusstsein", sagt Jutta Koether.

Eines aber hat sich nicht geändert: Die Art, ihre Gemälde wie Puzzle aus fragmentarischen Einzelteilen zusammenzusetzen, eine Sprache mit eigenem Vokabular und eigener Grammatik zu entwickeln. Da ist etwa die Farbe: Seit 1987 malt Jutta Koether vor allem in Rot, was je nach Kontext für Weiblichkeit, für Intensität, Aggression oder Schmerz stehen kann.

Da ist die blaue Schleife, die gleichzeitig irritiert und die Dinge doch immer wieder zusammenhält. Da sind die vielen runden Kugeln, die das Bild mal als Brüste mal als Äpfel wunderbar rund und weiblich machen. Da ist das Schachbrett als Symbol für was? Ein Schlachtfeld? Oder nur ein Spiel? Ein Vorgabenkatalog, wer wann wie viele Schritte nach vorne machen darf? Es gibt Künstler, die sich dagegen sträuben, ihre Werke so detailliert, Element für Element, Motiv für Motiv zu interpretieren, weil durch die Übersetzung in Sprache am Ende immer etwas anderes herauskommt, als das Bildwerk eigentlich vermitteln will. Nicht so Jutta Koether: Sie plädiert explizit dafür, das Bilderlesen zu üben.

Das Wahrnehmen und Lesen der Bilder üben!

"Ich glaube einfach, dass es wichtig ist, wenn man möchte, dass die Malerei weiterlebt, also wirklich etwas Produktives und positiv Besetztes ist, das auch Neues hervorbringt, dass man das Lesen und Wahrnehmen von Bildern wieder üben sollte. Denn das kommt nicht von ungefähr, aber diese Lust daran, Bilder aufzuschlüsseln, damit Zeit zu verbringen, auch Sachen zu finden, die vielleicht gar nicht intendiert waren, dieses Spiel damit halte das für sehr wichtig," sagt Jutta Koether. Der Gipfel der Ausstellung, der der gesamten Schau auch den Titel gab, "Tour de Madame" findet sich im Untergeschoss des Museums. Es sind 15 Gemälde, die Bezug nehmen auf den Lepanto-Zyklus von Cy Twombly – dem heiligen Gral des Brandhorst Museums. Auf Glas gehängt bilden die großformatigen Bilder eine Art Raum im Raum.

Eines zeigt ein Selbstbildnis Jutta Koethers, in einem altmodisch hochgeschlossenen Kleid. Ein Bezug auf Cézanne, der seine Frau in solchen Kleidern porträtierte, Kleider wie eine Rüstung, die den Körper zum Möbelstück machen – wie Jutta Koether sagt. Nun aber malt sie sich selbst in solch einem Kleid, nutzt die Kunst als Möglichkeit, es einfach mal anzuprobieren. Man könnte das alles als Gegenentwurf einer deutlich männlich dominierten Kunstgeschichte lesen. Doch Koether ist überhaupt nicht „Anti-“, sie will die Kunstgeschichte einfach fortschreiben, ihr etwas Eigenes – in dem Fall eben weibliches – hinzufügen. Wenn sie etwa van Goghs blaue "Sternennacht" in Rot übersetzt – roter Himmel, rote Zypresse –, dabei aber eben nicht einfach nachmalt, sondern die spezifische Bildsprache van Goghs – die flirrenden, wirbelnden Pinselstriche als Ausdruck innerer Erregung – benutzt um etwas Neues zu sagen. Denn eines wird mit dieser Ausstellung klar: Malerei lebt. Zumindest Jutta Koether hat dem Diskurs noch einiges hinzuzufügen.

Bis 21. Oktober 2018 ist die Ausstellung "Jutta Koether. Tour de Madame" Museum Brandhorst zu sehen.