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Stefan Moses, Familienporträt

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"Blumenkinder": Fotos von Stefan Moses im Literaturhaus München

Der Fotograf Stefan Moses strebt nicht das ikonische Einzelbild an, sondern setzt auf die Wirkung der Serie - auch bei seinen Bildern von Hippies in Deutschland. Sie zeigen eine Generation, die einen neuen Umgang erprobte. Von Julie Metzdorf

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Wir sehen Familien, die dicht beieinander stehen, Männer-WGs, in denen alle mit nacktem Oberkörper übereinanderpurzeln, übervolle Selbsterfahrungsgruppen oder ein paar nackte Kinder beim Spielen. Modehistoriker werden ihre Freude an den Ganzkörperporträts haben, an den Männerunterhemden mit aufgestickten Marienkäfern, den Afro-Frisuren und den Oberteilen, die freilassen, was Damen gemeinhin bedecken.

Die Sprache von Gesten und Körpern

Doch all das ist nur Beiwerk, genau wie die auf den T-Shirts prangenden politischen Einstellungen oder der Joint, der auch dem Fotografen angeboten wird. Eigentlich geht es um den Umgang der Menschen miteinander.

"Ihn interessierten ja immer Gesten, ihn haben immer diese immateriellen, nonverbalen Beziehungen interessiert zwischen Körpern: Wie fasst jemand jemanden an, wie wendet sich jemand jemandem zu? Wie halten es Leute nicht miteinander aus, obwohl sie einen Meter Abstand zueinander haben? Und dann diese Hippies, Schwabinger No-Names, Klammer auf: hoffentlich rührt sich jemand von denen. Er hat sich interessiert für das Umgehen, diese neue Zärtlichkeit." Christoph Stölzl, Historiker, langjähriger Freund von Stefan Moses und künstlerischer Berater für die Ausstelung im Münchner Literaturhaus

Nicht das Einzelbild, sondern die Sequenz

Bereits Anfang der 60er-Jahre hat Stefan Moses die Sequenz für sich entdeckt. Nicht das Einzelfoto, sondern die filmische Idee interessierte ihn. Von all seinen Fotosessions mit großen deutschen Schriftstellern, Intellektuellen, Malern und Politikern existieren ganze Serien und nicht nur das eine Porträt, das Zeitungen und Bücher am Ende als das beste auswählten und abdruckten.

Moses erkennt den von Henri Cartier-Bresson ausgerufenen "moment décisif", den einen, alles entscheidenden Augenblick nicht an. Er spricht stattdessen vom "moment fugitif", vom fliehenden Moment oder auch dem gerade schon entflohenen.

 "Meine Aufgabe ist eben, die Menschen festzuhalten, bevor sie verlorengehen. Damit die neuen Menschen, die jetzt kommen, ungefähr ahnen, was gewesen ist und woher sie selber kommen. Es ist leichter, glaube ich, für die neuen Menschen jetzt, wenn sie wissen, wie gelebt worden ist und was für Zeiten waren." Fotograf Stefan Moses

Eine fotografische Soziologie Deutschlands

Als Einzelbilder sind die Arbeiten der Ausstellung fast schon unspektakulär. Ihre Kraft entfaltet sich in der Serie. Man muss Moses‘ Kunst als Konzeptkunst verstehen: Seit 1949 ist er dabei, die Deutschen in großangelegten Reihen zu fotografieren, hat so eine Soziologie der alten Bundesrepublik geschaffen, später hat er auch die Ostdeutschen fotografiert. "Wenn ich die Bilanz ziehe, was von ihm bleibt", sagt Christoph Stölzl, "dann wird man sagen: Ah, diese Deutschen war doch interessante Leute, die waren gar nicht so Ugly Germans, die waren doch differenziert und interessant. Das ist eine große Kunst, diese zärtliche Zuwendung zum eigenen Volk, mit dem er seine ganz eigenen Kindheits- und Jugenderfahrungen hatte."

Die Ausstellung "'Blumenkinder': Fotografien von stefan moses" ist im Literaturhaus München bis zum 25. Februar 2018 zu sehen