Bildrechte: Brückner & Brückner Architekten / Foto: Peter Manev, Selb

Granitzentrum Hauzenberg

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Architekten im Gespräch: Haben Gebäude einen Dialekt?

Blicke und Gesten können sprechen, ja sagen zuweilen mehr als Worte. Aber auch Gebäude haben eine Sprache. Architekten verstehen die Sprache der Bauten - und bringen sie zum Klingen. Auch den Dialekt! Von Niels Beintker

Über dieses Thema berichtet: Kulturjournal am .

Die Architekten Peter und Christian Brückner sind in der nördlichen Oberpfalz aufgewachsen. Die Herkunft prägt ihr Denken über Häuser und Räume. Ihr Büro „Brückner & Brückner Architekten“ – mit Sitz in Tirschenreuth und Würzburg – beschäftigt sich bei den Bauaufgaben immer wieder mit vielfältigen regionalen Bezügen und verbindet diese mit modernen Entwürfen. Themen wie Sprache – und damit auch der Dialekt – spielen dabei eine wichtige Rolle. Niels Beintker hat mit ihnen gesprochen.

Niels Beintker: Sie sagen gerne, ein Gebäude spricht eine Sprache. Wie ist das zu verstehen?

Christian Brückner: Gebäude, die aus unserer Sicht gelungen sind, kommunizieren mit den Menschen, die sie besuchen. Sie sprechen mit uns. Uns liegt ein Moment besonders am Herzen: Dass ein Bauwerk uns berühren kann. Das Material ist dabei ein wichtiges Thema, zum Beispiel für die Fassade oder für die Böden. Damit muss ich als Architekt umgehen. Ein Haus kann nicht mal eben schnell die Kleidung wechseln. Und der Raum eines Hauses ist zugleich viel mehr als nur die Kleidung. Er erzählt über die Seele eines Hauses und eines Ortes.

Peter Brückner: Sprache besteht aus Buchstaben und Worten, aus unterschiedlichen Wörtern, die auch immer wieder in unterschiedlichen Kolorierungen ausgesprochen werden. Ein Alphabet gibt es auch in der Architektur. Und dieses ist immer wieder individuell. Wenn man verschiedene Buchstaben zusammen fügt, entstehen Worte mit unterschiedlichem Klang. Mal ist er größer, mal geringer. Das gibt auch für die Architektur wichtige Impulse. Wir fügen etwas zusammen.

Über Ihre Architektur erzählen Sie, sie wird aus dem Ort heraus und für den Ort entwickelt. Das kann man vielen Ihrer Bauwerke ansehen, beginnend mit dem Kulturspeicher in Würzburg. Sie schreiben die Entwürfe in die Orte und auch in ihre Geschichte ein. Warum ist das so wichtig für Sie?

Christian Brückner: Am Anfang eines jeden Entwurfsprozesses befragen wir den Ort und gehen auf Spurensuche. Der Gedanke „Wo komme ich her“ ist dabei ein wichtiger Baustein für uns. Wenn wir erkennen, dass ein Gebäude in eine bestimmte Region gehört – dort verortet ist –, dann ist ein Entwurf aus unserer Sicht gelungen. Wir können das gerne mit einem Bild vergleichen. Denken Sie an eine präzise Computerstimme, ohne jede Emotion. Und vergleichen Sie diese mit der Stimme eines Menschen, der Dialekt spricht. Das ist viel persönlicher. Uns ist es wichtig, die Architektur in einen Kontext einzuschreiben. Nur so wird sie von den Menschen angenommen.

Dabei spielen immer wieder Materialien eine entscheidende Rolle. Die Steinfassaden für die Erweiterungsbauten am Würzburger Kulturspeicher wurden mit Sandstein und Muschelkalk gestaltet – mit dem gleichen Material wie beim alten Hafenspeicher. Der Kalkstein stammt sogar aus dem gleichen Steinbruch. Die Kirche in Wenzenbach bei Regensburg hat eine Fassade aus Lärchenholz, ein typischer Baustoff in der Oberpfalz. Und bei der Neugestaltung des Exerzitienhauses St. Johannisthal im Waldnaabtal spielte der Oberpfälzer Granit eine wichtige Rolle. Insofern haben die Gebäude durchaus einen Dialekt.

Inwiefern ist das Material dafür entscheidend?

Peter Brückner: Die Materialien, die immer schon in einer Region vorhanden sind, sind Bausteine. Wir bearbeiten sie aber mit den Möglichkeiten unserer Zeit und auch mit unserer eigenen Sprache. Es ist aus unserer Sicht schwierig, Architektur zu translozieren – sie ohne eingehende Auseinandersetzung mit dem Kontext von einem Ort zu einem anderen zu übertragen. Das könnte man auch auf das Thema Dialekt übertragen. Uns fasziniert es, Gebäude so mit einem Ort zu verbinden wie wiederum die Sprache mit einem Ort verbunden ist. Diese Leidenschaft bestimmt unsere Arbeit von Anfang an.

Christian Brückner: Die damit verbundene Auseinandersetzung mit den Traditionen einer Landschaft einer Region – das Material, die Handwerkskunst – darf aber nicht falsch verstanden werden. Das Thema Heimat ist ja heute groß in Mode. Aus unserer Sicht aber muss es einen eigenen Tiefgang haben. Und es darf auf keinen Fall politisch missbraucht werden. Ich komme an einen Ort, erkunde ihn, gieße ihn – und eine Pflanze wächst. Im Fränkischen etwa ist das eine Weinrebe auf dem Muschelkalk. Die gehört hierhin. Aus einem solchen Anspruch heraus sollte Architektur entstehen. Das Material ist dabei wichtig. Denken Sie an den roten Backstein in Hamburg.

Peter Brückner: Wie die Sprache – und der Dialekt – entstehen auch Häuser an bestimmten Orten. Ein Oberpfälzer Haus ist anders als etwa ein Haus in Niederbayern. Gleiches gilt für den Vergleich mit einem Haus in Oberbayern. Das ist über Jahrhundert hinweg gewachsen, wie auch die Sprache, der Dialekt. Wir sind viel unterwegs und entdecken immer, wie sich Hauslandschaften modulieren, manchmal in ganz feinen Nuancen. Das kann man an den Dachüberständen sehen, ebenso an der Materialität oder auch am Schmuck. Die Lüftlmalerei etwa hätte nie in der Oberpfalz erfunden werden können.

Die Lüftlmalerei?

Peter Brückner: Die Bilder auf den Fassaden. Mein Bruder sagt gerne: Das sind die tätowierten Häuser. Diese Tradition entwickelte sich aus der Kirchenmalerei heraus. In der nördlichen Oberpfalz hat sich eine vergleichbare Technik nicht durchgesetzt. Die Menschen hier hätten nie Zeit dafür gehabt. Vielleicht hat sich das auch im Dialekt niedergeschlagen.

Von der Sprache und vom Dialekt noch einmal zur Architektur von Peter und Christian Brückner. Gibt es ein Beispiel, einen Entwurf, an dem man das Einschreiben neuer Architektur in einen regionalen Kontext deutlich besonders deutlich machen kann?

Christian Brückner: Mit fällt spontan der Entwurf für das Granitmuseum in Hauzenberg ein. Der Granit begleitet uns seit der Kindheit, wir haben in Granitsteinbrüchen gebadet. Und nun durften wir im Bayerischen Wald ein Granitmuseum erdenken. Wir haben uns in Hauzenberg einquartiert und den alten Steinbruch, in dem das Museum entstehen sollte, ausführlich erkundet. Wir saßen da und dachten: Das ist so ein schöner Ort. Da darf man eigentlich gar nichts hin bauen. Schließlich entstand die Idee, den Steinbruch einfach weiterzubauen und mit dem Granitzentrum und dem Museum neue Zwischenräume zu eröffnen.

Das Material – der lokale Granit – ist wichtig für diesen Entwurf. Wie wichtig sind traditionelle und regionale Handwerkstechniken für die architektonische Arbeit?

Peter Brückner: Unserer Meinung nach ist das die Essenz des Bauens. Wir versuchen, diese Handwerkstechniken zu fördern, wo es nur geht. Das Wissen der Handwerker darf nicht verloren gehen. Mittlerweile kann man Bauteile mit dem 3-D-Drucker herstellen. Die Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten. Andererseits wird man komplexe Gebäudestrukturen nie ohne händisches Zutun des Menschen zusammenfügen können. Insofern ist die Zusammenarbeit mit den Handwerkern vor Ort extrem wichtig. Eines unserer jüngsten Bauwerke – "Trinitatis", der Ort der Stille für die Würzburger Landesgartenschau – hat eine Fassade aus Stahlblechen. Diese wurden von einem 82-jährigen Handwerker präzise gedengelt. Das ist nur ein Beispiel von vielen.