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Zerbrochenes Fenser mit einem Davidstern darauf

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Zunehmend Anfeindungen gegen Juden

70 Jahre nach dem Holocaust gibt es immer noch Antisemitismus in Deutschland. Oft aus der rechten Szene, aber zunehmend auch von muslimischer Seite. Trotzdem sehen viele Juden ihre Zukunft in Deutschland. Von Astrid Halder

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Israelische Fahnen brennen bei Demonstrationen, Männer mit Kippa werden angepöbelt, jüdische Einrichtungen stehen unter Polizeischutz. Vor 73 Jahren wurde Auschwitz befreit - Antisemitismus aber gibt es in Deutschland immer noch.

Doch der Antisemitismus hat sich gewandelt. Gewalt und Anfeindungen kommen nicht nur aus der rechten Szene, sondern zunehmend auch von Muslimen in Deutschland. In einer Umfrage unter der jüdischen Bevölkerung in Deutschland gaben acht Prozent an, dass Angehörige oder Bekannte im vergangenen Jahr Ziel von körperlichen Angriffen gewesen seien. 81 Prozent der Angriffe seien von Muslimen gekommen.

Antisemitismus-Forschung noch am Anfang

Aus den Polizeistatistiken lässt sich kaum herauslesen, welchen Anteil Muslime unter Tätern von antisemitischen Straf- und Gewalttaten haben. Mehr als neunzig Prozent würden rechte Täter begehen, heißt es. Antisemitismusforscherin Uffa Jensen allerdings schätzt diese Zahl als teils "problematisch" ein, denn bei vielen Taten würden Polizisten einfach davon ausgehen, dass sie rechtsmotiviert sind, wie etwa bei Schmierereien an Synagogen.

Antisemitismus in Schulen

Dauerhaft antisemitische Anfeindungen erlebten jüdische Schüler zuletzt in Berlin. Sie erzählen, dass muslimische Mitschüler sie häufig beschimpften und sie auch körperlich angriffen. Eine betroffene Schule reagierte mit Schutzmaßnahmen wie einem eigenen Eingang und Pausenraum. In Bayern sind solche Fälle nicht bekannt. Zwei Nürnberger jüdische Schüler berichten von Beschimpfungen, wie "Ey Du Jude". Anfeindungen bezögen sich meist auf Debatten über Israel. Meist kämen sie mit ihren muslimischen Mitschülern aber gut klar.

Vermutlich hohe Dunkelziffer antisemitischer Vorfälle

Viele antisemitische Vorfälle werden nicht öffentlich mangels Anzeigen der Betroffenen. Außerdem stellt nicht jede Anfeindung eine Straftat dar, taucht also ohnehin nicht in der polizeilichen Statistik auf. Diese Vorfälle können nun beim Recherchezentrum "RIAS" in Berlin gemeldet werden. Dort wurden 2016 etwa 335 Vorfälle, die als antisemitisch gelten, aber nicht in die polizeiliche Statistik einflossen allein für Berlin verzeichnet.

Antisemitische Hetze im Netz

Auch im Netz spielt antisemitische Hetze eine immer größere Rolle. Dabei kommt es zu seltsamen Allianzen. Die rechtsextreme Bewegung der III. Weg rief zum Israelboykott auf und verwies ausgerechnet auf die islamistische Seite "Muslim-Markt"!

Mit der Kippa durch München

In Deutschland tragen nur wenige Juden offen eine Kippa. Der Israeli Jonathan Shay trägt sie aus Überzeugung. In Berlin machte er negative Erfahrungen damit, meist von muslimischer Seite, erzählt er. In München erlebt er das anders. Beim Spaziergang durchs türkisch-arabisch geprägte Bahnhofsviertel erlebte er im Gespräch mit Muslimen nur Positives - ob mit dem türkischen Gemüsehändler, syrischen Flüchtlingen oder beim palästinensischen Friseur.

Deutschland dennoch Heimat für viele jüdische Bürger

Für viele Juden bleibt Deutschland ihre Heimat trotz eines verschärften Tons im Umgang mit ihrem Glauben oder ihrer Herkunft aus Israel. Auch wenn Einzelne mit dem Gedanken spielen, Deutschland zu verlassen, ist der Trend zu Auswanderungen, wie er in Frankreich zu verzeichnen ist, hier noch zurückhaltend.