Das Pew-Forschungsinstitut hatte eine Vorhersage für die Entwicklung von acht Religionsgemeinschaften in jedem Land der Erde herausgegeben. Das war im Frühjahr 2015. Seitdem hat sich in Europa viel verändert. Hunderttausende Flüchtlinge aus Syrien, aber auch Irak, Afghanistan und Ländern Afrikas zogen im Sommer 2015 Richtung Norden.
Prognose für Zahl der Muslime wegen Flüchtlingkrise korrigiert
Deshalb hat das US-Institut jetzt seine Prognose angepasst, sagt der stellvertretende Direktor Conrad Hackett. Bei der Vorhersage für Europa bis zum Jahr 2050 konzentrieren sich die Demographen auf die muslimische Bevölkerung. So auch im Fall von Deutschland:
"Bei einer normalen Einwanderung, ohne Flüchtlingswelle, erwarten wir, dass der Anteil der muslimischen Bevölkerung auf 11 Prozent ansteigen kann." Conrad Hackett, Pew-Forschungsinstitut
Das Institut schätzt, dass sich im Moment sechs Prozent der Bewohner in Deutschland dem Islam zugehörig fühlen. In Frankreich oder Schweden liegt der Anteil höher.
Zahlen für Deutschland basieren nicht auf Religion, sondern Herkunft
In Deutschland hängt der Anstieg mit der Prozentzahl aller Einwohner zusammen. Diese Zahl sinkt. Gleichzeitig sind Bürger muslimischen Glaubens statistisch betrachtet im Schnitt jünger. Und die US-Forscher schätzen, dass die Geburtenrate der Familien zumindest bis 2020 höher liegt. Statistisch gesprochen 1,9 Kinder pro Familie statt 1,4.
Aber deutlich wird auch, wie schwierig eine Vorhersage überhaupt ist. Anders als in Großbritannien fragen die US-Demographen in Deutschland keine Religionszugehörigkeit ab. Die Studie bezieht sich bei Flüchtlingen in der Bundesrepublik deshalb auf deren Herkunft und die religiöse Zusammensetzung der Bevölkerung im Herkunftsland.
"Das schließt sowohl Menschen ein, in deren Alltag der Glaube keine Rolle spielt, als auch Menschen, für die die moslemische Identität alle Aspekte des Lebens berührt." Conrad Hackett
Außerdem enthält die Vorhersage eine Projektion, dass Kinder aus religiös gebunden Haushalten als Erwachsene säkular leben oder die Religion sogar wechseln. Hier bemüht das Institut Zahlen aus Frankreich – aber sind die auf Deutschland übertragbar?
"Es gibt verschiedene Stimmen in Europa, die Annahmen zur Größe der muslimischen Bevölkerung machen und deren Wachstum. Nicht immer ist klar, auf welcher Basis diese Aussagen gemacht werden. Unser Bericht stützt sich auf eine klare Analyse mit überprüfbaren Quellen und Methoden, die wir schon benutzt haben für Berichte zu religiösen Gruppen in Ländern weltweit." Conrad Hackett
Künftige große Flüchtlingswellen nicht eingerechnet
In seiner Annahme geht das Pew-Institut zunächst davon aus, dass sich eine Flüchtlingswelle wie im Sommer 2015 nicht wiederholt. Doch der Bürgerkrieg in Syrien ist noch nicht befriedet. Die Konfrontation zwischen Iran und Saudi-Arabien stürzt Jemen in eine humanitäre Katastrophe. Wo sollen die Menschen hingehen?
Sollten die Zahlen für Deutschland auf das Niveau von 2014 bis Mitte 2016 zurückkehren, sagt Conrad Hackett voraus, könnte der Anteil der Muslime von derzeit sechs auf 20 Prozent ansteigen – im Jahr 2050.