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Steinmeier bittet um Vergebung für Unrecht an Homosexuellen

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Steinmeier bittet Homosexuelle um Vergebung

Homosexuelle sind in Deutschland nicht nur in der NS-Zeit verfolgt worden. Erst 1994 wurde der Paragraph 175 endgültig gestrichen, nach dem zehntausende Männer verurteilt wurden. Bundespräsident Steinmeier hat die Betroffenen um Vergebung gebeten

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Homosexuelle für erlittenes staatliches Unrecht um Vergebung gebeten. Beim Festakt zum zehnjährigen Bestehen des Denkmals für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen erinnerte das Staatsoberhaupt daran, dass Schwule und Lesben nach dem Ende der NS-Zeit auch in der Bundesrepublik und der DDR weiter verfolgt wurden. Der 8. Mai 1945 sei für sie "nicht der Tag der völligen Befreiung" gewesen, sagte der Bundespräsident.

In der Bundesrepublik wurden Homosexuelle nach Paragraph 175 verfolgt

Auch nach Gründung der Bundesrepublik seien zehntausende Männer nach dem Paragraphen 175 verhaftet, verurteilt und eingesperrt worden. Sie hätten sich weiter verstecken müssen, wurden weiterhin bloßgestellt und hätten ihre wirtschaftliche Existenz riskiert. Steinmeier unterstrich an die Betroffenen gerichtet:

"Ihr Land hat Sie zu lange warten lassen. Deshalb bitte ich heute um Vergebung - für all das geschehene Leid und Unrecht, und für das lange Schweigen, das darauf folgte“. Günter Dworek vom Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) sagte unter dem Applaus der Gäste, die Worte des Bundespräsidenten bedeuteten den Betroffenen "sehr, sehr viel“. Erstmals habe mit Steinmeier ein Staatsoberhaupt an dem vor zehn Jahren eingeweihten Denkmal gesprochen. Schwule und Lesben hätten es auch nach der NS-Zeit alles andere als leicht gehabt.

Kampf der Homosexuellen "hat Gesellschaft freier gemacht“

Der Rechtlosigkeit sei eine lange Phase widerwilliger Duldung gefolgt. "Aber wir haben uns durchgebissen, Schritt für Schritt mehr Akzeptanz und Rechte erkämpft. Das hat unsere ganze Gesellschaft freier und unser Land lebenswerter gemacht“, betonte Dworek. Trotz der vor einem Jahr beschlossenen Ehe für alle und der rechtlichen Gleichstellung könne ein Kuss in der Öffentlichkeit aber auch heute noch Gefahr bedeuten.

Steigende Zahl homophober Angriffen

Woche für Woche gebe es homophobe und transfeindliche Übergriffe. "Das darf eine demokratische Gesellschaft nicht kalt lassen", mahnte Dworek. Auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) äußerte sich besorgt über steigende Zahlen homophober Angriffe. Berlin müsse dagegen als "Regenbogenhauptstadt" Position beziehen. Müller nannte das Denkmal einen wichtigen Ort für das mahnende Gedenken an die verfolgten Homosexuellen in der Hauptstadt. Vor den Opfern verneige man sich gemeinsam. Es habe viel zu lange gedauert, ehe sich Schwule und Lesben frei lieben konnten, sagte der Regierende Bürgermeister. Das zentrale Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen war am 27. Mai 2008 eingeweiht worden.

Neuer Film in Endlosschleife mit küssenden homosexuellen Paaren

In dem grauen Kubus gegenüber dem Holocaust-Mahnmal läuft in Endlosschleife ein Film, der durch ein Fenster betrachtet werden kann und der alle paar Jahre gewechselt wird. Seit Sonntag läuft nun als insgesamt dritter Film ein Schwarz-Weiß-Video der israelischen Multimediakünstlerin Yael Bartana. Ihr Film war von einem internationalen Gutachtergremium aus elf Vorschlägen ausgewählt worden. Er zeigt zwei sich küssende Frauen und zwei sich küssende Männer. Schätzungen zufolge wurden in der NS-Zeit rund 54.000 Homosexuelle verurteilt. Etwa 7.000 von ihnen, darunter mehrheitlich schwule Männer, kamen in Konzentrationslagern aufgrund von Hunger oder Krankheiten, durch Misshandlungen oder gezielte Mordaktionen um. Der in der NS-Zeit verschärfte Homosexuellen-Paragraf 175 wurde in der Bundesrepublik erst 1969 reformiert und damit Homosexualität unter Erwachsenen straffrei. Endgültig aufgehoben wurde der Paragraf 175 aber erst 15 Jahre später.