Geflüchtete gehen an Unterkünften vorbei (Symbolbild).
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Swen Pförtner

Geflüchtete gehen an Unterkünften vorbei (Symbolbild).

Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Psychische Erkrankungen bei geflüchteten Syrern: Was stimmt?

Forscher kommen in einer Studie der Uni-Klinik Erlangen zu dem Schluss, dass ein Drittel der untersuchten syrischen Geflüchteten psychisch erkrankt ist. Im Netz kursieren viele falsche Aussagen zu dem Thema. Der Faktenfuchs hat genauer hingesehen.

Ein Forscherteam des Universitätsklinikums Erlangen hat in einer Studie registrierte syrische Geflüchtete mittels eines Fragebogens auf psychische Erkrankungen getestet. Das Ergebnis: Rund ein Drittel von ihnen leidet unter posttraumatischen Belastungsstörungen, Depressionen oder einer Angststörung.

Die Forscher machten für die Studie ein sogenanntes Screening. Dabei füllten die Teilnehmer zwischen Juli und Dezember 2017 einen Fragebogen aus. Die Probanden waren in Erlangen lebende syrische Geflüchtete, die nach 2014 nach Deutschland gekommen waren, eine Aufenthaltsgenehmigung haben und Arbeitslosengeld beziehen. Das trifft zum Zeitpunkt der Studie auf 518 Menschen in Erlangen zu, von denen 200 an der Studie teilgenommen haben.

Ziel der Studie war es, zu untersuchen, wie sich bestimmte Faktoren auf die psychische Gesundheit von Geflüchteten auswirken. Die Studienleiterin Yesim Erim sieht in dem Ergebnis der Studie einen Beweis dafür, dass Geflüchtete von guten Unterstützungsangeboten profitieren.

"Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass syrische Flüchtlinge in Deutschland eine extrem verwundbare Bevölkerungsgruppe sind – vor allem, wenn sie viele traumatische Ereignisse erlebt oder beobachtet haben." Studienleiterin Yesim Erim, Universitätsklinikum Erlangen

Erim erklärt weiter, dass es sich vorteilhaft auf die psychische Gesundheit auswirken könnte, wenn Geflüchtete nach ihrer Migration sofort günstige Lebensumstände und positive Zukunftsaussichten vorfinden würden.

Der Studienablauf ist korrekt

Im Internet kursieren Vorwürfe, dass die Studie aufgrund einer angeblich geringen Teilnehmerzahl und der Beschränkung auf Teilnehmer aus Erlangen keine Aussagekraft für ganz Deutschland habe.

Horst-Alfred Heinrich, Professor für empirische Sozialforschung an der Universität Passau, hält die Arbeit der Forscher dagegen für sauber. "Natürlich kann man nicht behaupten, dass es sich um ein Drittel der syrischen Flüchtlinge in ganz Deutschland handle, aber das tun die Autoren der Studie gar nicht", erklärt Heinrich. Aussagen darüber, wie viele Geflüchtete in Deutschland von psychischen Erkrankungen betroffen sind, lässt die Studie also nicht zu.

Heinrich zufolge kann man aufgrund der Studienergebnisse aber durchaus darauf schließen, dass es vielen syrischen Geflüchteten in Deutschland ähnlich wie den Probanden aus Erlangen gehe. Denn die syrischen Geflüchteten in Erlangen unterscheiden sich in wesentlichen Merkmalen wie etwa der psychischen Verfassung nicht von denen in anderen Städten. Der psychische Zustand von Asylsuchenden wird bei der Verteilung nicht berücksichtigt, wie das bayerische Innenministerium auf Anfrage von BR24 mitteilt. Die Aussage, dass syrische Flüchtlinge in Deutschland eine extrem verwundbare Bevölkerungsgruppe seien, kann aufgrund der Studie also getätigt werden.

Auch viele Deutsche haben psychische Probleme

Bei einigen Internetnutzern führen die Ergebnisse der Erlanger Studie zu der Aussage, dass man die Geflüchteten erst Recht nicht in Deutschland haben möchte, wenn so viele davon psychisch krank sind. Dabei sind psychische Probleme kein Phänomen, dass sich auf eine bestimmte Gruppe beschränkt. Auch viele Deutsche sind davon betroffen.

Eine Studie des Robert Koch-Instituts kommt zu dem Ergebnis, dass 27,8 Prozent der Erwachsenen an einer psychischen Störung leiden. Allerdings umfasst diese Studie mehr Krankheitsbilder als die Erlanger Forscher abgefragt haben. Bei der posttraumatischen Belastungsstörung und der Angststörung liegt der Anteil bei Deutschen deutlich niedriger als bei den Studienteilnehmern aus Syrien. Trotzdem kommen die Erlanger Forscher zu dem Schluss, dass der Anteil an psychisch Kranken in ihrer Studie niedriger sei, als in ähnlichen Gruppen von Geflüchteten. So gehe es den Geflüchteten in vielen anderen europäischen Ländern schlechter als in Erlangen. Einen Grund sehen sie in der Willkommenskultur der Stadt und den vielen Unterstützungsangeboten.

Wartezeit auf Arzttermin für Deutsche und Geflüchtete gleich

Im Netz kursiert oft das Gerücht, Geflüchtete bekämen schneller einen Arzttermin als Deutsche. Die Universitätsklinik Erlangen etwa hat eine Spezialambulanz für Geflüchtete. Das alleine ist aber kein Indiz dafür, dass Geflüchtete auch schneller einen Termin bekommen. "Bei uns beträgt die Wartezeit etwa vier Wochen - egal, ob Deutscher oder Geflüchteter", betont Erim, die in ihrem Institut an der Universitätsklinik unter anderem Gesprächstherapien auf Deutsch und Arabisch anbietet.

Laut einer Studie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bekommen 70 Prozent der Versicherten in Deutschland nicht sofort einen Arzttermin. Rund 15 Prozent warten demnach sogar länger als drei Wochen. Für Geflüchtete gelten grundsätzlich die gleichen Wartezeiten. Viele von ihnen haben aber nach § 4 des Asylbewerberleistungsgesetz einen im Vergleich zu gesetzlich Krankenversicherten eingeschränkten Anspruch auf ärztliche Versorgung. Die Probanden aus der Studie beziehen aber Arbeitslosengeld II und haben damit den Anspruch eines gesetzlich Versicherten.

Studie nach wissenschaftlichen Standards

Ein weiterer Vorwurf, der sich im Netz verbreitet, ist, dass die Studienteilnehmer nicht von einem Arzt untersucht wurden, sondern nur einen Fragebogen ausfüllen mussten. Allerdings sei dieses Vorgehen bei wissenschaftlichen Studien vollkommen normal und zeuge nicht von fehlender wissenschaftlicher Genauigkeit, betont Sozialforscher Heinrich.

"So kann man die Ergebnisse auch mit anderen Studiengruppen vergleichen", erklärt auch die Erlanger Studienleiterin Erim. In solchen Studien werden sogenannte Screenings eingesetzt, das sind validierte Fragebögen und Messinstrumente, die genauer sind als eine "persönliche Untersuchung".