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Die Bundesvorsitzenden der Grünen Annalena Baerbock und Robert Habeck

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Grüne planen ihre "vierte Phase"

Grüne planen ihre "vierte Phase"

Zu ihrem 40. Geburtstag im Jahr 2020 wollen sich die Grünen ein neues Grundsatzprogramm geben. Auf einem Konvent in Berlin geben sie heute dafür den Startschuss. Dabei könnten grüne Grundwerte auf den Prüfstand kommen. Von Janina Lückoff

"Im Moment läuft‘s Bombe", sagt Robert Habeck in seiner gelassen-kauzigen Art. Seit gut zweieinhalb Monaten ist er Grünen-Vorsitzender.

Grüne geben sich geschlossen

"Bombe" läuft es, und damit meint Habeck nicht nur die Zusammenarbeit mit seiner Co-Vorsitzenden Annalena Baerbock. Seit dem Parteitag Ende Januar ist es bei den Grünen ruhiger geworden. Keine öffentlich ausgetragenen Meinungsverschiedenheiten mehr zwischen den beiden Parteichefs, keine lauten Flügelkämpfe mehr in der Partei. Habeck und Baerbock teilen sich sogar ein Büro in der Parteizentrale.

"Wir wollen nicht jeder für sich spielen, sondern die Partei als eine geschlossene Formation aufstellen. Natürlich darf es dann viele Meinungen, meinetwegen auch Gruppen und Flügel und Untergruppen geben, aber die Außenpräsentation darf nicht dadurch geprägt sein, dass es verschiedene Gruppen und Streitereien gibt. Sondern nach innen streitbar und kämpferisch, nach außen geschlossen und solidarisch." Robert Habeck, Grünen-Vorsitzender

Neue Antworten in neuen Zeiten

Nach der personellen Erneuerung soll nun die programmatische kommen. 16 Jahre ist es her, dass die Grünen sich das aktuelle Grundsatzprogramm gegeben haben: Das "Berliner Programm" ersetzte 2002 das "Saarbrücker Programm" von 1980. Zum 40. Geburtstag der Partei in zwei Jahren soll ein neues Grundsatzprogramm beschlossen werden. Der Startschuss dafür fällt heute auf einem Konvent in Berlin. "Neue Zeiten. Neue Antworten" lautet das Motto - dabei wollen die Grünen erstmal nur Fragen stellen:

"Die Zukunftsfragen stellen, auch wenn man weiß, dass man noch keine fertigen Antworten darauf hat, und mit den Menschen darüber diskutieren." Annalena Baerbock, Grünen-Vorsitzende

Doch nicht nur Diskussionen wollen die Grünen entfachen und weitere Fragen provozieren, sondern auch hören, wo es in und außerhalb der Partei schon Antworten gibt, sie hinterfragen, Ideen sammeln.

Der Mensch steht im Mittelpunkt

In zunächst sechs Themenfelder haben die Grünen die Debatte strukturiert. Ausgangspunkt ist dabei der erste Satz des gültigen Grundsatzprogramms: "Im Mittelpunkt unserer Politik steht der Mensch mit seiner Würde und seiner Freiheit." Im Impulspapier des Bundesvorstands zum Beginn der Grundsatzdebatte heißt es:

"Die großen Veränderungen des Fortschritts - digitale Tools, emmissionsfreie Energiegewinnung, biochemische Produkte, neue Wohnformen - sie sind weder per se gut noch per se schlecht, weder Gefahr noch Chance an sich. Es sind neue Möglichkeiten." Aus dem Impulspapier für den Startkonvent zum neuen Grundsatzprogramm

Grüne Grundwerte auf dem Prüfstand?

"Wie sieht die Arbeitswelt in einer digitalisierten Welt aus? Was bedeutet das für unsere Sozialversicherungssysteme? Wie weit wollen wir forschen im Bereich Stammzellenforschung, wenn man darüber Alzheimer heilen kann?" Annalena Baerbock formuliert Beispielfragen, deren Antworten durchaus an grünen Grundwerten rütteln könnten. Dass diese dabei auf der Strecke bleiben, diese Gefahr sieht ihr Co-Parteichef Robert Habeck nicht. Vielmehr würden sie geschärft, meint er.

"Und zwar geschärft im Licht der Realität: Bürgerrechte im digitalen Zeitalter. Ökologische Politik in Zeiten von gentechnischer Manipulierbarkeit der Welt. Klimaschutz mit auslaufender Sanduhr. All das sind in der Dringlichkeit neue Fragen. Die führen aber nicht zur Abkehr von grüner Programmatik, sondern zu größerem Realitätsbezug." Robert Habeck, Grünen-Vorsitzender

Eintritt in "die vierte Phase" der Grünen

In diesem Jahr werden zunächst nur Fragen gesammelt - 2019 soll das Jahr der ersten Vorschläge sein. Auf zwei Jahre ist der Prozess, ein neues Grundsatzprogramm zu erarbeiten, angelegt. Er soll auch eine neue Phase für die Grünen einläuten. Die "vierte Phase", wie die Grünen es nennen, nach der Anfangszeit als Protestpartei, der Zeit an der Regierung zusammen mit der SPD, und dem "Spagat", wie es im Impulspapier heißt, zwischen Opposition im Bund und Regierungsbeteiligung in den Ländern. Diese vierte Phase soll Antworten liefern, neue Antworten für neue Zeiten, zum 40. Geburtstag der Partei im Jahr 2020. Damit Robert Habeck auch dann noch sagen kann: "Im Moment läuft’s Bombe".