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Handy hat kein Netz

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Funklöcherjagd: Nur Getöse oder Chance auf besseres Mobilnetz?

Verkehrsminister Scheuer will Funklöcher beseitigen. Per App sollen Bürger weiße Flecken im Handynetz melden. Erfahrungen aus Franken zeigen aber: Selbst wenn diese Löcher bekannt sind, kann es dauern, bis etwas passiert. Von Wolfgang Kerler

Der neue Verkehrsminister Andreas Scheuer findet den Zustand des deutschen Mobilfunknetzes "untragbar". Dabei hatte sein Vorgänger Alexander Dobrindt (CSU) versprochen: "2018 sind dann auch alle lästigen Funklöcher in Deutschland geschlossen." Dobrindt lieferte aber nicht. Scheuer soll es richten. "Deutschland ist eine Wirtschaftsnation. Deswegen sind die weißen Flecken in der Abdeckung des Mobilfunks lästig und sie gehören weg", sagt er, verrät aber nicht, bis wann genau er das erreichen will.

Bundesnetzagentur soll App herausbringen

Noch in diesem Jahr soll die Bundesnetzagentur einen "Funklochmelder" als Smartphone-App herausbringen. Gerät ein Bürger in ein Funkloch, kann er dessen Koordinaten damit an die Behörde weitergeben. Auf Basis der Informationen will Scheuer dann mit den Unternehmen darüber sprechen, wo weitere Sendemasten aufgestellt werden müssen.

"Normalerweise gibt es Karten der Anbieter, die wir zur Verfügung haben, um die Abdeckung des Mobilfunknetzes zu haben. Und ich glaube, ein zusätzlicher Anreiz für die Anbieter, den wichtigen Ausbau zu forcieren, ist, wenn die Bürgerinnen und Bürger 'hallo' schreien und auch sagen: So geht's nicht weiter, weg mit den weißen Flecken. Die Jagd ist eröffnet." Andreas Scheuer (CSU), Bundesverkehrsminister

Landkreis Schweinfurt hatte bereits eine Funkloch-App

Erfahrungen mit solchen Apps gibt es bereits. In Brandenburg und Thüringen wurden Bürger schon zur Funkloch-Jagd aufgerufen - und im Landkreis Schweinfurt in Unterfranken. Dort traute man den Informationen der Mobilfunkanbieter nicht, die von einer sehr guten Netzversorgung für den Landkreis sprachen. Also brachte man im Herbst 2016 einen eigenen Funklochmelder heraus, der zusammen mit der Hochschule Würzburg-Schweinfurt entwickelt wurde. 

Im Sommer 2017 zog das Landratsamt dann Bilanz. 500 Mal wurde die App heruntergeladen, 700 Funklochmeldungen gingen insgesamt ein. Das Ergebnis: Neben den bereits bekannten Lücken im Handynetz meldeten die Nutzer auch Funklöcher in Gebieten, in denen es nach Angabe der Mobilfunkfirmen eigentlich keine geben sollte. "Die Auswertung der Daten hat auf jeden Fall gezeigt, dass sich der Versuch voll und ganz gelohnt hat", sagte Landrat Florian Töpper (SPD).

Der Landkreis meldete die Ergebnisse dem bayerischen Wirtschaftsministerium. Von da erhielt man im November 2017 die Zusage, bei einem Sofortprogramm berücksichtigt zu werden. Die Förderung von Mobilfunkmasten sei aber noch in Abstimmung mit der EU-Kommission. Seitdem ist nichts passiert. Von den Mobilfunkanbietern kam gar keine Reaktion.

Ministerium will auch "nationales Roaming" erlauben

Die App aus Schweinfurt könnte schon jetzt in ganz Deutschland funktionieren. Nachfragen aus dem Ministerium in Berlin habe es dazu aber noch nicht gegeben, erfährt der BR aus dem Landratsamt. Aber man stehe selbstverständlich für Fragen zur Verfügung. 

Neben der Melde-App stehen im Koalitionsvertrag von Union und SPD weitere Maßnahmen gegen Funklöcher. Die Regierung will den Mobilfunkanbietern das "nationale Roaming" erlauben, damit sich der Ausbau in "bisher unterversorgten Gebieten“ eher lohnt. Beim nationalen Roaming können sich Handys automatisch ins beste verfügbare Netz einwählen. Hat der eigene Provider also gerade schlechte Abdeckung, können die Kunden über das Netz der Konkurrenz telefonieren oder surfen.

Außerdem wollen CDU, CSU und SPD Deutschland zum Leitmarkt für den neuen Mobilfunkstandard 5G machen, dem Nachfolger des heutigen LTE-Netzes. Die Vergabe der 5G-Lizenzen soll allerdings an Auflagen gebunden sein: "Neue Frequenzen nur gegen flächendeckende Versorgung“, heißt es im Koalitionsvertrag - zum Missfallen der Wirtschaft. Telefónica, der O2-Mutterkonzern, kritisiert gegenüber dem BR die hohen Kosten für Mobilfunkfrequenzen und die vielen Auflagen.

"Eine teure Frequenzvergabe und Versorgungsauflagen, die sich nicht an der wirtschaftlichen Machbarkeit orientieren, entziehen dem Mobilfunk jene Mittel, die dringend für den Ausbau von lückenlosen Mobilfunknetzen und 5G benötigt werden." Statement von Telefónica Germany

Noch vor der Sommerpause will Scheuer die Mobilfunkanbieter zu einem Gipfeltreffen in sein Ministerium nach Berlin einladen - für eine "schonungslose Analyse" der jetzigen Situation.

Fränkische Gemeinde kämpfte jahrelang gegen Funkloch

Im Rathaus von Schonungen in Unterfranken herrscht gegenüber Funkloch-Ankündigungen aus Berlin Skepsis. Bürgermeister Stefan Rottmann (SPD) führte von dort einen jahrelangen Kampf gegen Funklöcher in seiner Gemeinde. Besonders schwierig war die Lage für die Menschen im Ortsteil Reichmannshausen. Das ganze Dorf - ein Funkloch. Vor vier Jahren demonstrierten dagegen dutzende Bürger, als der BR mit einem Kamerateam vor Ort ist.

"Die Politik schmückt sich andauernd mit Chancengleichheit von Stadt und Land. Aber das ist in keinster Weise gegeben. Wir fühlen uns total benachteiligt - und das ist nicht in Ordnung!" Bürger von Reichmannshausen (2014)

Online-Petitionen, Briefe an Ministerien und Abgeordnete, dutzende Interviews, Demonstrationen - und trotzdem passierte in Schonungen jahrelang nichts. Bis jetzt. Endlich wird ein Sendemast aufgestellt, der auch Reichmannshausen ans Handy-Netz anschließen wird. Ein Verdienst der "großen" Politik ist das aus Sicht von Bürgermeister Rottmann allerdings nicht.

"Ich kann mich nicht entsinnen, dass wir aus Berlin oder München irgendeine Unterstützung bekommen hätten, die sich hier bemerkbar gemacht hat. Letztendlich haben wir das selber bewerkstelligt." Stefan Rottmann (SPD), Bürgermeister von Schonungen

Angesichts seiner Erfahrungen bezweifelt Stefan Rottmann, dass der neue Bundesverkehrsminister Scheuer wirklich alle Funklöcher in Deutschland schließen kann.