Wegen fünf Todesfällen wurde der Krankenpfleger Niels H. 2011 verurteilt. Später ergaben toxikologische Untersuchungen, dass er vermutlich mehr als 100 Menschen umgebracht hat. Ein Extremfall, doch Rechtsmediziner beklagen schon länger, dass Verstorbene hierzulande nicht gründlich genug untersucht werden und deshalb die wahre Todesursache oft nicht erkannt wird.
"Wir gehen derzeit davon aus, dass die Dunkelziffer bei 1.000 bis 2.500 Tötungsdelikten pro Jahr liegen könnte." Prof. Matthias Graw, Institut für Rechtsmedizin der LMU München
Das seien sicherlich nicht die Fälle, die offensichtlich sind, also ein Messer in der Brust oder eine Tötung durch Kopfschuss, sondern vor allem Fälle aus geschützten Bereichen, so Graw. Dazu gehöre insbesondere der Pflegeheimbereich.
Bis zu 15 Prozent der Todesbescheinigungen in München fehlerhaft
Stirbt ein Mensch, dann muss ein Arzt eine Leichenschau durchführen, das heißt, den Toten nackt ausziehen, auf alle Seiten drehen, in alle Öffnungen schauen. Nicht alle Ärzte kämen hier zu nachvollziehbaren Ergebnissen, sagen Rechtsmediziner. So seien etwa in München bis zu 15 Prozent der Todesbescheinigungen fehlerhaft.
"Ein Grund ist sicher, dass nicht alle Ärzte gern Leichenschau durchführen. Das wird oft nicht als ärztliche Tätigkeit wahrgenommen und auch nicht adäquat vergütet." Dr. Sabine Gleich, Institut für Rechtsmedizin LMU München
Rechtsmediziner fordern bessere Ausbildung und Bezahlung
Kreuzt der Arzt auf der Todesbescheinigung das Kästchen "natürlicher Tod an", wird die Polizei nicht verständigt. Damit Straftaten nicht unentdeckt bleiben, fordert die Gewerkschaft der Polizei, die Leichenschau in die Hände von Profis zu legen.
"Die Kollegen von der Kripo wünschen sich eigentlich den amtlich bestellten Leichenbeschauer, der eine Zusatzqualifikation hat und vor allen Dingen von der Behörde bestellt ist und sozusagen als medizinischer Sachverständiger die Leichenschau durchführt." Peter Schall, Gewerkschaft der Polizei Bayern
Die Rechtsmediziner haben eine andere Lösung: Eine bessere Ausbildung der Ärzte und vor allem eine bessere Bezahlung der Leichenschau seien eigentlich ausreichend.