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Praxisschließung (in Berlin 2003)

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Fachärzte machen mobil gegen Bürgerversicherung

Fachärzte machen mobil gegen Bürgerversicherung

Die Abwehrfront gegen das SPD-Projekt Bürgerversicherung formiert sich. Nach Beamten und privaten Krankenversicherern schlagen jetzt die Fachärzte die Trommel - und drohen mit Praxisschließungen. Was steckt dahinter? Von Michael Kubitza

Über dieses Thema berichtet: BR24 Infoblock am .

Noch ist nicht ausgemacht, ob es nach den Sondierungen zu Koalitionsverhandlungen kommt, erst recht nicht, welches Ergebnis diese haben könnten. Doch bereits jetzt laufen sich die Interessenverbände warm. Um nicht zu sagen: heiß.

Der Deutsche Beamtenbund hatte Ende November mit dramatischen Worten den Anfang gemacht: Die potentielle Eingliederung seiner überwiegend privat versicherten Mitglieder in eine Bürgerversicherung könne "die Funktionsfähigkeit unseres Staatswesens" gefährden. Anfang Januar meldete sich der Verband der Privaten Krankenversicherungen zu Wort: Anders als von den Sozialdemokraten behauptet, seien die Leistungsunterschiede zwischen Besser- und Geringverdienern hierzulande vergleichsweise gering.

Ärzte drohen mit Praxisschließungen

Jetzt drehen die Ärzte die Schraube weiter.

"Das deutsche System ist mit Abstand das gerechteste System, was Umfang und Qualität der Leistungen betrifft, und es garantiert den Zugang aller Bürger zur Versorgung." Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer am 5. Januar in der 'Rheinischen Post'
"Ein Systemwechsel zur Bürgerversicherung könnte das Ende der Gesundheitsversorgung, wie wir sie alle kennen und schätzen, bedeuten." Dirk Heinrich, Spitzenverband der Fachärzte Deutschlands, am 7. Januar in der 'Bild am Sonntag'

Heinrich beließ es nicht bei düsteren Prophezeiungen. Der Vorsitzende der Facharzt-Vertretung kündigte Protestaktionen an, um die Bürgerversicherung zu verhindern - darunter ausdrücklich auch Praxisschließungen.

Druckmittel: Praxisschlüssel statt Stethoskop

Neu ist diese Drohung nicht. Schon 2002 kündigte die Kassenärztliche Vereinigung aus Protest gegen eine geplante Nullrunde der damaligen rot-grünen Regierung Wartelisten und Praxisschließungen an. 2010 machten die Hausärzte dicke "Bild"-Schlagzeilen mit der Ankündigung, "in bestimmten Regionen die Praxen flächendeckend 14 Tage" zuzusperren, falls FDP-Gesundheitsminister Philipp Rösler seine Sparpläne in die Tat umsetzen sollte. Der Bayerische Hausärzteverband drohte zudem mit dem kollektiven Ausstieg aus dem Kassensystem, fand dafür unter seinen Mitgliedern aber nicht die benötigte Mehrheit. 2012 dann machten die Ärzte mit dem Druckmittel Praxisschließung gegen die Krankenkassen mobil.

Praxisschließungen wurden fast nie umgesetzt

In die Tat umgesetzt wurden die Drohungen, falls überhaupt, jeweils nur lokal und zeitlich begrenzt und in einem rotierenden System. In Bayern beteiligten sich am 26. und 27. August 2010 laut Hausärzteverband mehrere tausend Ärzte am Ausstand. Die Versorgung der Patienten freilich - so der Verband wörtlich - "war zu jederzeit und an jedem Ort sichergestellt". Doch oft reicht es, wenn der Arzt mit dem Praxisschlüssel winkt, um Bürger und Politik nervös zu machen. Die SPD muss sich, falls sie bei der Forderung nach einer Bürgerversicherung bleibt, auf zähe Kämpfe nicht nur mit der Union einstellen.

Worum es bei der Bürgerversicherung geht

Die SPD strebt eine "solidarische Bürgerversicherung" an, in die neben Arbeitnehmern auch Beamte und Selbstständige einzahlen. Demnach sollen derzeit privat Versicherte wählen können, ob sie in die Bürgerversicherung wechseln. Jeder neu Versicherte würde aber automatisch in die Bürgerversicherung aufgenommen. Für die Ärzte - insbesondere die Fachärzte - entfiele damit peu à peu das lukrative Geschäft mit den Privatpatienten.

Private Krankenversicherung soll nicht abgeschafft werden

Abschaffen will die SPD die privaten Krankenversicherungen indes nicht - vielmehr sollen sie die Bürgerversicherung ebenfalls anbieten können. Die SPD will außerdem zur Beitragsparität von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zurückkehren, was auf die Abschaffung der Zusatzbeiträge für Arbeitnehmer hinausliefe. Die Union lehnt das SPD-Konzept ab und will das bisherige System beibehalten.