EU-Lieferkettengesetz könnte an Deutschland scheitern
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Hände einer Frau, die in einer Textilfabrik in Bangladesch arbeitet.

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EU-Lieferkettengesetz droht an Deutschland zu scheitern

Keine Kinderarbeit und menschenwürdige Arbeit auch in den Herkunftsländern: Das neue EU-Lieferkettengesetz soll ein "EU-Leuchtturmprojekt" sein. Doch die FDP blockiert, was das Aus für die Reform bedeuten könnte. Die SPD ringt um einen Kompromiss.

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Eigentlich hatten sich SPD, Grüne und FDP im Koalitionsvertrag darauf verständigt, ein künftiges EU-Lieferkettengesetz zu unterstützen. Seit einiger Zeit aber gibt es innerhalb der Ampel-Regierung kontroverse Debatten darüber. Denn die FDP hält die Pläne für zu bürokratisch.

Lindner und Buschmann wehren sich gegen EU-Gesetz

Nun wurde bekannt, dass die FDP das auf EU-Ebene bereits vereinbarte Vorhaben nicht mittragen will. Im Rat der EU habe dies eine Enthaltung Deutschlands zur Folge, die im Ergebnis wie eine Nein-Stimme wirke, heißt es in einem an Verbände übermittelten Schreiben von Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesjustizminister Marco Buschmann (beide FDP).

Er verstehe nicht, dass EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen (CDU) "eine solche Belastung" vorbereite, so Lindner. Die FDP nimmt damit die Kritik einiger Wirtschaftsverbände auf, die vor Wettbewerbs-Nachteile auf dem internationalen Markt und einem "Bürokratiemonster" warnen. Und sie nimmt neuen Ärger in der Ampel in Kauf.

Schulze (SPD): Kampf gegen Kinderarbeit ernst nehmen

Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) hat kürzlich eindringlich an die Koalition appelliert, eine Lösung zu finden: "Wir wollen keine Kinderarbeit in unseren Produkten haben. Wir wollen nicht, dass die Umwelt dafür zerstört wird", sagte Schulze im Interview mit RTL. Nach ihren Worten gibt es in der Wirtschaft "schwarze Schafe", die immer noch glaubten, dass es ein "Bürokratiemonster" sei, sich gegen Kinderarbeit einzusetzen. An denen dürfe man sich aber nicht vorrangig orientieren.

Fairtrade-Vertreterin: Wirtschaft bereits weiter als die FDP

Julia Sievers, die die Initiative Fairer Kaffee Jetzt vertritt, fände ein Scheitern der EU-Richtlinie angesichts der Tatsache, dass etwa im Kaffeeanbau Kinder- und Zwangsarbeit an der Tagesordnung seien, fatal. Bei einer solchen "Schieflage" sei es "zynisch zu behaupten, dass Unternehmen durch das EU-Lieferkettengesetz überfordert werden", so Sievers.

Sie weist darauf hin, dass laut einer Handelblatt-Umfrage vom Januar nur sieben Prozent der Unternehmen gegen die Lieferkettengesetzgebung seien. Unternehmen wie Tchibo, Vaude, SAP und viele andere hätten "im Gegensatz zur FDP verstanden, dass eine europäische Gesetzgebung notwendig ist."

Heil (SPD) macht neue Vorschläge

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat nun neue Vorschläge zum Thema vorgelegt. Heil schlug deutsche Regelungen für den Fall einer Umsetzung des geplanten EU-Gesetzes vor, hieß es in Regierungskreisen. An die Adresse des Koalitionspartners FDP sagte Heil in Berlin: "Ich werbe um Zustimmung."

Mit den neuen Vorschlägen sollen die jährlichen Berichtspflichten der Unternehmen durch das deutsche Lieferkettengesetz ausgesetzt werden. Betroffenen sind laut Heils Eckpunkten rund 3.000 Unternehmen. Derzeit müssen die Firmen regelmäßig über die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten gegen Kinderarbeit und für Menschenrechte einen Bericht veröffentlichen, der vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle überprüft wird. Stärker berücksichtigt werden soll zudem, wenn es in einem Land, in dem etwa Produkte für den deutschen Markt hergestellt werden, ein niedrigeres Niveau von Rechtsdurchsetzung herrscht.

Was steht drin in den bisherigen Plänen?

Im Dezember hatten sich die Institutionen der Europäischen Union auf einen Kompromiss verständigt: Demnach müssen große Unternehmen künftig darauf achten, dass es in ihren Produktions- und Lieferketten nicht zu Kinder- oder Zwangsarbeit kommt. Wenn doch, könnten sie von europäischen Gerichten zur Rechenschaft gezogen werden. Außerdem müssten größere Unternehmen gewährleisten, dass ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie vereinbar sind mit der Einhaltung der Pariser Klimaziele.

Warm ein deutsches "Jein" das Gesetz kippen könnte

Zustimmen muss allerdings noch der Europäische Rat, als Gremium der EU-Staats- und Regierungschefs. Und wenn die Bundesregierung sich intern nicht einig wird, müsste sie sich bei der Abstimmung enthalten. Das wiederum werde im Ergebnis wie eine "Nein-Stimme" wirken, heißt es in einem gemeinsamen Schreiben des Justiz- und des Finanzministeriums, aus dem die Deutsche Presse-Agentur zitiert.

Ein EU-Diplomat sagte der dpa, es sei unklar, ob es noch zu einer ausreichenden Mehrheit kommt, wenn sich Deutschland enthält. Andere Länder könnten sich dann an der deutschen Entscheidung orientieren und dem Vorhaben ebenfalls kein grünes Licht geben. Eines der "Leuchtturmprojekte" der EU stünde damit auf der Kippe.

Mit Informationen von AFP, dpa und epd.

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