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Gerhard Schröder 2003

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Die SPD will raus aus ihrem Hartz-IV-Dilemma

Die SPD will raus aus ihrem Hartz-IV-Dilemma

Mehr als 15 Jahre nach dem legendären Satz von Gerhard Schröder vom „Fördern und Fordern" sucht die SPD nach einer neuen Definition des Sozialstaates. Ist die Agenda 2010 noch zeitgemäß? Von Anita Fünffinger

Es war der 14. März 2003, als der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder diesen Satz im Bundestag sprach:

"Wir werden (…) Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fördern und mehr Eigenleistung von jedem Einzelnen abfordern müssen." Gerhard Schröder (SPD), Bundeskanzler 1998-2005

Hat dieser Satz der SPD das Genick gebrochen? Es gibt viele Sozialdemokraten, die darin den Anfang vom Ende der SPD sehen. Freilich wissen sie, dass das Problem vielschichtiger ist. Schaffte man Hartz IV einfach nur ab, ginge es weder den Betroffenen noch der SPD automatisch besser.

Sozialdemokraten richten den Blick nach vorn

Viele in der SPD haben mittlerweile auch genug vom ewigen Jammern über die Vergangenheit. Sie wollen den Blick nach vorn richten. Seit Wochen verbreiten Manuela Schwesig und Ralf Stegner, beide stellvertretende Parteichefs, die Botschaft: Die Agenda sei 15 Jahre her, jetzt brauche man eine Debatte über die Zukunft des Sozialstaats. Nur wie sieht der aus?

Die Arbeitswelt hat sich enorm verändert

Die Arbeitswelt hat sich durch die Digitalisierung rasant verändert und wird das auch weiterhin tun. Niedriglohnjobs haben seit den Hartz-Reformen enorm zugenommen. Es sind Jobs, aber eben keine Arbeit, die später auch eine gute Rente sichert. Vor allem aus der Linkspartei, aber auch aus dem linken Flügel der SPD, rufen viele daher nach einem bedingungslosen Grundeinkommen. Natascha Kohnen, bayerische SPD-Chefin und stellvertretende Parteivorsitzende im Bund, kann sich das nicht vorstellen, aus einem einfachen Grund:

"Ich bin da sehr skeptisch. Denn die Menschen wollen ja auch arbeiten, weil ja Arbeit auch etwas mit Würde und Sinnstiftung zu tun hat." Natascha Kohnen (SPD)

Die Lösung lautet „Gute Arbeit“

Der neue Arbeitsminister Hubertus Heil will vier Milliarden Euro in die Hand nehmen, um den sozialen Arbeitsmarkt weiter auszubauen. Mit der Union wurde die Summe bereits im Koalitionsvertrag festgeschrieben. 150.000 Menschen sollen so staatlich geförderte Jobs bekommen. Dahinter steckt die Hoffnung, dass viele von ihnen es damit irgendwann auf den regulären, ersten Arbeitsmarkt schaffen. Denn Hubertus Heil ist überzeugt:

"Die Orientierung bleibt auf Arbeit und auf würdiger Sicherung von Menschen, die sich nicht selbst helfen können. Das ist mein Verständnis von Sozialstaatlichkeit." Hubertus Heil (SPD)

Hartz-IV wird als Bedrohung wahrgenommen, nicht als Absicherung

Es geht den meisten in der SPD immer zuerst um Arbeit. Doch wer keine hat oder sie nach einem langen Erwerbsleben verloren hat, der hat Angst um seine Existenz. Die bayerische SPD-Chefin Natascha Kohnen sagt, die Menschen hätten Angst, ins Bodenlose zu fallen:

"Hartz IV wird in Teilen unserer Gesellschaft als Bedrohung empfunden, nicht als Absicherungsversprechen." Natascha Kohnen (SPD)

Bekommt Hartz IV einen neuen Namen?

15 Jahre nach dem legendären Satz von Gerhard Schröder vom "Fördern und fordern" sucht die SPD nach einem neuen Satz, der nicht weniger als den Sozialstaat in Deutschland beschreibt. In ihrem Leitantrag zur Erneuerung der SPD ermutigt die Parteispitze die Sozialdemokraten, über diesen Satz nachzudenken:

"Mehr als zehn Jahre nach den Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 (..) ist es an der Zeit, zu überprüfen, wo wir stehen und ob die Ansätze noch zeitgemäß sind und unseren heutigen Gerechtigkeitsvorstellungen entsprechen." Leitantrag der SPD-Spitze

Die Antwort darauf hat die SPD noch nicht gefunden. Natascha Kohnen sagt, jetzt müsse das Vertrauensverhältnis zwischen dem Staat und den Bürgerinnen und Bürgern wieder hergestellt werden.