Ein Patient wird ins Krankenhaus gebracht (Symbolbild)
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Ein Patient wird ins Krankenhaus gebracht (Symbolbild)

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Triage-Gesetz für Pandemien beschlossen

Der Bundestag hat die Rechte behinderter und alter Menschen im Fall von Triage-Entscheidungen gestärkt. Künftig soll maßgeblich die aktuelle und kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit ausschlaggebend sein. Es gibt jedoch auch Kritik.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Menschen mit Behinderung und alte Menschen sollen bei knappen Behandlungskapazitäten auf Intensivstationen im Falle von Pandemien nicht benachteiligt werden. Dazu hat der Bundestag ein Gesetz zur sogenannten Triage beschlossen. Bei einer Triage legen Ärzte beispielsweise bei zu wenigen Betten oder Beatmungsgeräten eine Reihenfolge fest, wer zuerst behandelt wird.

Entschieden werden soll dem Gesetz zufolge in einem solchen Fall maßgeblich nach der "aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit" eines Patienten. Andere Kriterien wie das Alter oder eine Behinderung sollen keine Rolle spielen dürfen.

"Wer ein Intensivbett benötigt, muss es bekommen – auch in der Pandemie", betonte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). "Dafür werden wir uns weiter einsetzen." Dennoch müsse auch "klar sein, dass Menschen mit Behinderungen oder ältere Menschen auch in Zeiten knapper Kapazitäten nicht benachteiligt werden".

Beschlossen wurde auch, dass Krankenhäuser getroffene Triage-Entscheidungen an die zuständigen Landesbehörden melden müssen. Spätestens Ende 2025 soll eine Evaluierung des Gesetzes aus rechtlicher, medizinischer und ethischer Perspektive beauftragt werden.

Union kritisiert Gültigkeit nur für Pandemien

Die Union bemängelte, dass die Regelung nur für Pandemien und nicht für Naturkatastrophen, Krieg oder Terroranschläge gelten soll. Der Unionsabgeordnete Hubert Hüppe (CDU) kritisierte eine "mangelnde Beteiligung der Betroffenen" aus Behinderten- und Ärzteverbänden. Er hätte sich gewünscht, so Hüppe, dass der Fraktionszwang der Ampel-Koalition aufgehoben worden wäre, "so dass jeder nach seinem Gewissen bei so einer hochethischen Entscheidung hätte entscheiden können".

Die AfD sprach von einer Übergriffigkeit des Staates. Das Gesetz sei Ausdruck eines tiefen Misstrauens gegenüber Ärzten, denen mit bürokratischen Regeln die Möglichkeit genommen werden solle, zum Wohl der Patienten zu entscheiden.

Patientenschützer: Es fehlen Sanktionen für Ärzte, die Vorgaben ignorieren

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, begrüßte in einer Stellungnahme die Reform, warnte aber auch vor Problemen im Klinikalltag. Alte, mehrfach kranke und behinderte Patienten würden "in der Realität" benachteiligt, so Brysch: "Denn praktisch sind ihre Erfolgsaussichten immer gemindert". Nach den Worten Bryschs fehlten auch "Sanktionen für Ärzte, die gesetzliche Vorgaben ignorieren" sowie eine entsprechende Regelung "für alle nationalen Groß-Notlagen".

Beschluss des Bundesverfassungsgericht zwang zum Handeln

Das Thema Triage war in der Pandemie wegen voller Intensivstationen in den Fokus gerückt. Umgesetzt werden soll nun mit der Regelung ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom Dezember 2021. Das Gericht hatte entschieden, dass der Staat die Pflicht hat, Menschen vor einer Benachteiligung wegen ihrer Behinderung zu schützen. Dem Gesetzgeber wurde aufgetragen, Vorkehrungen dafür zu treffen. Bisher gibt es dazu keinen Gesetzesrahmen, sondern wissenschaftlich erarbeitete Empfehlungen für Ärzte.

Die nun beschlossene Ergänzung des Infektionsschutzgesetzes muss noch durch den Bundesrat. Es ist aber nicht zustimmungspflichtig.

Mit Informationen von dpa, AFP, KNA und epd.

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