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Drogenabhängig im Gefängnis: Wie Haftanstalten versagen

In der Justizvollzugsanstalt Kaisheim in Schwaben werden Drogenabhängige in der Regel nicht substituiert. Das stößt auf Kritik und ist mit der neuen Rechtslage nicht mehr zu vereinbaren. Von Judith Zacher und Carola Brand

Der Europarat, Hüter von Demokratie und Menschenrechten in Europa, hat die Haftbedingungen in Deutschland geprüft. Ergebnis: Die Standards insgesamt sind hoch. Aber: Bei der Behandlung von Drogensüchtigen gibt es "auffällige Unterschiede zwischen den besuchten Justizvollzugsanstalten".

JVA Kaisheim: Entzug statt Substitution

Besonders erwähnt wird das Gefängnis im schwäbischen Kaisheim. Dort werden Drogenabhängige in der Regel nicht substituiert, erhalten also kein Medikament wie Methadon, das ihnen hilft, von den harten Drogen wegzukommen. Damit sind die Gefangenen benachteiligt - in Freiheit können Süchtige zum Arzt gehen und eine solche Behandlung bekommen. Opiat-Sucht gilt als anerkannte Krankheit, die Substitution als Mittel der Wahl.

Justiz in Bayern besonders restriktiv

Bis hinter bayerische Gefängnismauern ist das vielfach noch nicht vorgedrungen. "Primäres Ziel ist und bleibt die Drogenabstinenz", schreibt das bayerische Justizministerium dem Funkstreifzug. In der Haftanstalt Kaisheim ist man überzeugt, alles richtig zu machen.

"Wir richten uns nach den Vorschriften der Ärztekammer, die werden von uns genauso befolgt wie von Ärzten außerhalb. Nicht jeder Wunsch eines Gefangenen auf Substitution wird erfüllt. Weil sich nicht jeder Fall eignet." Friedhelm Kirchhoff, Leiter der Justizvollzugsanstalt Kaisheim

Von den gut 600 Gefangenen in Kaisheim werden nur fünf substituiert, obwohl mindestens die Hälfte der Insassen drogensüchtig ist, ein guter Teil davon opiatabhängig. Zum Vergleich: In der Justizvollzugsanstalt Straubing hat sich Anstaltsarzt Gregor Groß bei über 20 von etwa 200 Abhängigen für die Substitution entschieden.

Recht auf Substitution wird gestärkt

Inzwischen gerät die bayerische Haltung immer mehr unter Druck. Nicht nur der Europarat kritisiert die restriktive Linie. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte urteilte 2016 im Fall eines ehemaligen Kaisheimer Strafgefangenen: Das Verweigern der Drogenersatztherapie kann ein Verstoß gegen die Menschenrechte sein.

In diesen Tagen tritt die novellierte Betäubungsmittelverordnung in Kraft. Sie enthält neue Richtlinien zur Substitutionstherapie, was auch Auswirkungen auf die bayerischen Haftanstalten haben wird, wie das Justizministerium auf Anfrage des Funkstreifzugs schreibt:

"Zudem wird das Staatsministerium der Justiz selbstverständlich die Neuregelung der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung sowie die anstehende Überarbeitung der Richtlinien der Bundesärztekammer zum Anlass nehmen, um das bestehende Konzept zur Bekämpfung des Suchtmittelmissbrauchs im bayerischen Justizvollzug zu überprüfen und - falls erforderlich - anzupassen." Stellungnahme Bayerisches Justizministerium

Die Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin spricht von einem Paradigmenwechsel. Substitution wird als geeignete Behandlungsmethode anerkannt. Das muss nun auch hinter die Gefängnismauern vordringen.