BR-Intendantin Katja Wildermuth
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BR-Intendantin Katja Wildermuth betont die wichtige Rolle der öffentlich-rechtlichen Medien für mehr Diversität.

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ARD-Diversity-Tag: Wunsch nach Austausch und Gelassenheit

ARD-Diversity-Tag: Wunsch nach Austausch und Gelassenheit

Wie können Medien Raum für vielfältige Debatten schaffen? Darüber wurde am Diversity-Tag im BR diskutiert. BR-Intendantin Katja Wildermuth betonte die besondere Rolle der öffentlich-rechtlichen Medien. Zuhören und Reflektieren seien die Schlüssel.

Über 4.600 Unternehmen haben die "Charta der Vielfalt" bereits unterschrieben und setzen sich damit aktiv für Vielfalt ein. Mit dabei sind auch der Bayerische Rundfunk und die ARD. Zum zehnten Mal fand am Dienstag, 31. Mai 2022, der daraus entstandene "Diversity-Tag" deutschlandweit statt.

Der BR veranstaltete eine Podiumsdiskussion unter dem Titel: "Niemanden ausschließen – Vielfalt in den Medien. Wie können wir Raum für Debatten schaffen in einer sich polarisierenden Gesellschaft?“

BR-Intendantin Katja Wildermuth will vielfältigen Austausch fördern

Bereits im Grußwort der Veranstaltung machte BR-Intendantin Katja Wildermuth deutlich, wie wichtig das Thema Diversität für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist. "Wenn die ARD in ihrer föderalen Form nicht für Vielfalt steht, wer soll es denn dann tun?", fragte sie. Demokratie sei kein Selbstläufer und brauche einen Raum für Debatten. Diese "besondere Aufgabe" komme dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu.

Zuhören und Reflektieren seien die Schlüssel zu mehr Diversität. Vielfältige Teams, unterschiedliche Lebensgeschichten und das Interesse an anderen Meinungen bilden laut Wildermuth entsprechend die Grundlage für die Berichterstattung und den so wichtigen Austausch. "Wir als BR stehen rückhaltlos für eine vielfältige Gesellschaft", sagte sie. Trotzdem müsse man immer wieder hinterfragen, ob sich diese ausreichend in den Programmen wiederfinde.

Diversität in Fernseh- und Radioprogramm bringen

Der Soziologe und Gründer der Vielfaltsprojekte GmbH Lorenz Narku Laing bestätigte, dass der BR sich dabei bereits auf einem guten Weg befinde. Er berät Unternehmen und auch viele Medienhäuser darin, mehr Diversität zu schaffen. "Es ist noch nicht gut genug, aber schon viel besser geworden", meinte er. In der Mediathek sei das Angebot schon um einiges vielfältiger, als im linearen Programm. Vor allem im Fernsehen müsse sich der BR aber noch mehr trauen. Es reiche nicht, wenn in einer von fünfzig Sendungen eine schwarze Person zu Gast sei.

Insgesamt sprach sich Lorenz Narku Laing für eine bessere Fehlerkultur aus. Das Thema sei eben kompliziert und deshalb müsse man sich Zeit nehmen, einander zuzuhören und Fehler zu vergeben. Dass die Debatte mehr Zeit benötige, meinte auch die Schriftstellerin Nele Pollatschek. Sie warnte davor, sich rein auf Zahlen zu verlassen. Auch eine Gruppe von fünf "mittelalten weißen Männern" könne bei genauerem Hinsehen sehr divers sein, wenn zum Beispiel einer aus Ostdeutschland komme und einer eine Behinderung habe. Diversität habe sehr viele Facetten.

Neue Herangehensweisen und Ausdrucksformen

BR-Kulturdirektor Björn Wilhelm räumte in der Diskussion ein, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht alle gesellschaftlichen Gruppen erreiche. Es finde jedoch bereits ein Umdenken statt. Früher habe man vor allem auf extra Formate und Sendungen gesetzt, die sich beispielsweise mit Migration beschäftigen. Inzwischen gelte es, diese Themen und Menschen in alle möglichen Sendungen einzubinden. Ihm gehe es um die Frage: "Wie schaffen wir Normalität in der Diversität im Programm?" Das beginne schon mit der Auswahl des journalistischen Nachwuchses beim BR. Statt auf Universitätsabschlüsse werde inzwischen mehr auf Herkunft und unterschiedliche Lebenswege der Bewerberinnen und Bewerber geachtet.

Moderatorin Sybille Giel, die Leiterin des Diversity-Beirats im BR und Redaktionsleiterin "Notizbuch" auf Bayern2, steuerte eine Anekdote bei. In den 70er-Jahren habe ein Intendant auf einer Veranstaltung das Publikum mit "liebe Sekretärinnen und Redakteure" angesprochen. Inzwischen sei das undenkbar. Wie sehr die gendergerechte Sprache die Medien beschäftigt, zeigten viele Wortbeiträge zu diesem Aspekt. Die Chefredakteurin des Duden Kathrin Kunkel-Razum wünschte sich dabei aber "mehr Gelassenheit" in der Debatte. Sprache sei im Wandel und das sei eigentlich sehr spannend. Es gehe nicht darum, in jeder Situation perfekt zu gendern. "Das Wichtige ist doch die Haltung, die dahinter steht."

Gendern – für die einen eine klasse Sache, für die anderen Klassensache

"Gendersternchen oder Gendergaga: Wie können wir unsere Gesellschaft inklusiver gestalten?" Damit beschäftigte sich bereits am Dienstagvormittag auch eine Podiumsdiskussionsrunde der BR-Medienkompetenzprojekte. Angeleitet von Moderatorin Claudia Stamm hatten sich BR-Pressesprecher Markus Huber, die Landesschülersprecherin Fabia Klein, BR-Journalistin Julia Fritzsche, der ehemalige Landesschülersprecher Moritz Meusel, sowie die non-binäre Sänger*in Seda im Rahmen des Schülerwebtalks zum Thema gendergerechte Sprache positioniert.

Einige Umfrageergebnisse der teilnehmenden Schulklassen zeigten: Gendern ist nach wie vor Zündstoff für hitzige Diskussionen und auch von Schüler*innen wird das Konzept von Binnen-I oder Genderstern stets hinterfragt.

Fabia Klein betonte, Gendern sei an weiterführenden Schulen meist Klassensache, das heißt, es sei einer Schulklasse selbst überlassen ob im Unterricht gegendert wird - oder eben nicht. Dabei solle Gendern keineswegs eine Frage des Wollens sein, denn es gehöre zu einer Gesellschaft, die alle Mitglieder respektiere. Es gelte, alle Mitglieder selbst zu Wort kommen zu lassen, insbesondere non-binäre Menschen.

Gendern meist individuelle Entscheidung

Für Seda ist Sprache und deren Wahrnehmung vor allem subjektiv und damit auch assoziativ: "Wir als Menschen können nicht nur aus unserer eigenen Realität heraus Situationen beurteilen. Unser Ziel sollte es immer sein nicht nur unsere eigene, sondern auch die Lebensrealität anderer mitzudenken."

BR-Pressesprecher Markus Huber zufolge sei der Bayerische Rundfunk stets gewillt, sich mit dem Thema gendergerechte Sprache weiterhin (re)aktiv auseinanderzusetzen, besonders um Diskriminierung durch Sprache zu regulieren. Allerdings bleibe Gendern im BR vorerst Redaktionssache: "Ziel ist, geschlechtergerecht und diskriminierungsfrei zu formulieren, aber ohne Vorgabe, die wir allen überstülpen."

Moderatorin Claudia Stamm schloss die Podiumsdiskussion mit dem Impuls ab, gemeinsam das Ziel zu verfolgen stets im Gespräch miteinander zu bleiben und sowohl in als auch mit der Sprache zu wachsen.

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