Funkstille - seit Wochen. Horst Seehofer und Markus Söder sollen seit Längerem keinen direkten Kontakt mehr haben, außer vielleicht bei Kabinetts- oder Vorstandssitzungen, wo eine Begegnung unvermeidlich ist. Aus der Partei kommt zwar der klare Wunsch, dass die beiden Stärksten an einem Strang ziehen sollen. Doch der Riss zwischen beiden scheint irreparabel und Markus Söder geht längst seinen eigenen Weg, der Friedenssignale nur unbedingt vorsieht: Beim Parteitag der Jungen Union lässt er sich neben Schildern fotografieren, auf denen „MP Söder“ steht. Ein paar Tage später signalisiert er zwar auf den Parteivorsitz verzichten zu wollen und eine Ämtertrennung zu akzeptieren. Damit reicht er seinen Gegnern die Hand – untermauert aber seinen Anspruch bayerischer Ministerpräsident zu werden.
Die Fakten
Nach dem historisch schlechten Abschneiden der CSU bei den Bundestagswahlen (38,8 Prozent) gilt es als ausgeschlossen, dass die Partei noch einmal mit Horst Seehofer in die Landtagswahl 2018 zieht. Seehofer muss ein Angebot machen, irgendein Ventil wird nötig sein, um Druck aus dem Kessel zu lassen.
An Markus Söder als bayerischer Ministerpräsident führt wohl auf kurz oder lang kein Weg vorbei, zu groß ist mittlerweile seine Machtbasis in der Landtagsfraktion, die den bayerischen Ministerpräsidenten wählt. Offen ist dagegen, ob Seehofer CSU-Parteichef bleiben kann. Viel wird nun vom Ausgang der Jamaika-Sondierungen abhängen und wieviel der Stratege Seehofer gegen CDU, FDP und vor allem die Grünen durchsetzen kann.
Die vier Szenarien
Seehofer zieht sich zurück – dann wäre der Übergang friedlich, die Ämter würden vermutlich geteilt: Markus Söder Ministerpräsident, Parteichef könnte Manfred Weber oder Alexander Dobrindt werden. Für die CSU hätte das viele Vorteile: die Situation wäre befriedet, da sich alle Lager in dieser Lösung wiederfinden.
Seehofer hätte einen Abgang in Würde und wäre gestärkt für die Koalitionsverhandlungen in Berlin. Die Ämtertrennung hätte in der schwierigen politischen Situation Vorteile: der Parteichef könnte alle Kraft auf das schwierige Jamaika-Bündnis richten, der bayerische Ministerpräsident und Spitzenkandidat hätte mehr Beinfreiheit im Landtagswahlkampf. Einziger Hacken: Seehofer müsste bereit sein, von sich aus zu gehen.
Seehofer will in beiden Ämtern weitermachen – damit würde der CSU-Chef seine Kritiker nicht ruhigstellen, er müsste für die Wochen der Koalitionsverhandlungen in Berlin mit weiterem Sperrfeuer aus Bayern rechnen. Am Parteitag Mitte Dezember droht ein schlechtes Ergebnis, auch wenn Söder vermutlich nicht gegen ihn antreten würde.
"Dann gehts dahin", heißt es zu diesem Szenario aus der Partei. Was sowohl Richtung Seehofer als auch Richtung Landtagswahl 2018 gemeint ist, da Seehofer für viele nicht mehr die Kraft hat, die CSU zum Erfolg zu führen. Eine Rebellion wäre wahrscheinlich.
Das gilt auch für Szenario drei: eine Lösung ohne Markus Söder. Schlägt Seehofer zum Beispiel Joachim Herrmann als Parteichef vor, käme die CSU auch nicht zur Ruhe. Herrmann hat vor voreiligen Personaldebatten gewarnt, und sich damit auf Seehofers Seite gestellt. Seehofer könnte den Vorschlag pro Herrmann aber auch inhaltlich durchaus mit dem Bundesinnenministerium und der Durchschlagskraft in Berlin in der Flüchtlingspolitik begründen. Allerdings wäre dieser Schachzug durchschaubar: mit Herrmann als Parteichef wäre Söder als Ministerpräsident verhindert – zwei Franken an der Spitze gelten in der CSU als ausgeschlossen. Das Söder-Lager würde das nicht akzeptieren, wäre aber in der Defensive, wenn Seehofer geschickt inhaltlich argumentiert.
Einen gewissen Charme hätte Szenario vier: Seehofer übergibt die Macht in Bayern an Söder und bleibt selbst Parteichef mit einem Schlüsselministerium in Berlin, zum Beispiel das für Arbeit und Soziales. So könnte der selbst als Sozialpolitiker der AfD das Wasser abgraben und hätte es in der Hand, die Scharte der Bundestagswahl wieder auszuwetzen. Das Söder-Lager wäre zufrieden, Oberbayern würde große Teile der Macht behalten und Seehofer in letzter Sekunde den eigenen Kopf aus der Schlinge ziehen und dabei bleiben. Der Haken: Seehofer müsste seinen Intimfeind Söder nicht nur aufs Schild heben, sondern mit ihm zusammen auch die CSU in einer Doppelspitze führen. Das verlangt viel Selbstdisziplin – von beiden.
Der Zeitplan: Samstag ist Stichtag
Nach Abschluss der Sondierungen in der Nacht von Donnerstag auf Freitag will sich Seehofer nach eigenen Angaben ein bis zwei Tage Zeit lassen und dann einen Personalvorschlag machen. Am Samstag kommt es zu zwei außerordentlichen Sitzungen: um 10 Uhr trifft Seehofer im Landtag auf die Fraktion und damit auf seine größten Kritiker, um 15 Uhr tagt in der Parteizentrale der CSU-Vorstand. Es soll in erster Linie um eine Aussprache zu den Jamaika-Sondierungen gehen, klar ist aber auch: sollte Seehofer an diesem oder den darauf folgenden Tagen keinen Personalvorschlag machen, verliert er das Heft des Handelns – und es droht ein offener Machtkampf.
Die Lösung: Söder oder Rebellion
Das ist das größte Problem. Einen "geordneten Übergang" gibt es wohl nur, wenn große Teile der Macht auf Markus Söder übergehen. Sollte sich Seehofer einen Winkelzug ausdenken, um Söder zu verhindern, wäre ein Rebellion ausgehend von der Landtagsfraktion sehr wahrscheinlich. Das würde die Partei zerreißen, was eigentlich alle wissen. "Es muss ordentlich über die Bühne laufen, das erwartet die Bevölkerung", so ein Erfahrener aus der Führungsriege. Ansonsten würde er angesichts der schlechten Umfragewerte dringend empfehlen, mehr Personal zu den Koalitionsverhandlungen nach Berlin zu schicken - um zu lernen, wie das in Bayern geht.