In München fand sich niemand, der Verständnis für den Alleingang des CSU Bundeslandwirtschaftsministers äußerte. Im Gegenteil: Manche vermuteten sogar, dass Landwirtschaftsminister Schmidt mit der einsamen Glyphosat-Entscheidung seine Chancen erhöhen wollte, wieder Minister zu werden. Bei der Kabinettssitzung in München war der Vorgang aus Berlin offiziell kein Thema, Staatskanzleichef Marcel Huber versuchte aber diplomatisch auszudrücken, dass niemand Applaus geklatscht habe.
Huber sagte aber, er sei auch etwas überrascht gewesen und erklärte:
"Wie der Parteivorsitzende mit seinen Bundesministern die Dinge abspricht entzieht sich meiner Kenntnis. Einen offiziellen Vorgang über die Staatskanzlei hat's nicht gegeben. Insofern ist es nur persönliche Erstauntheit gewesen." Staatskanzleichef Marcel Huber
Scharf hätte Enthaltung erwartet
Am deutlichsten reagierte die bayerische Umweltministerin Ulrike Scharf. Sie zeigte sich irritiert, dass ihr Parteifreund Schmidt sich nicht an die Geschäftsordnung des Bundeskabinetts gehalten habe und sagte:
"Das Halten an eine Geschäftsordnung gehört zur Grundausstattung und zur Grunddisziplin. Das ist in Berlin nicht anders als in München." Ulrike Scharf, bayerische Umweltministerin
Scharf betonte zwar auch, dass man inhaltlich nichts gegen die Entscheidung sagen könne, weil es sich bei der Frage der Gefährlichkeit von Glyphosat um einen nicht geklärten wissenschaftlichen Streit handele. Vom Verfahren aber habe sie mit einer Enthaltung gerechnet: "Für uns war klar, dass es keine Entscheidung bzw. eine Enthaltung geben soll in Brüssel", sagte die Umweltministerin.
Steilvorlage für SPD
In München ist klar, dass der Alleingang des CSU-Ministers zur Unzeit kommt, weil er den Beginn von möglichen Sondierungsgesprächen zumindest erschweren dürfte. So meinte Ministerin Scharf: "Atmosphärisch macht's bestimmt was aus, aber wichtig, ist dass man in die weiteren Gespräche eintritt. Wir haben die große Verantwortung eine Bundesregierung zu bilden und daran müssen sich die Parteivorsitzenden und alle Player in Berlin auch messen lassen." Die SPD könnte die Glyphosat-Entscheidung dagegen als Steilvorlage nutzen, um Bedingungen für Sondierungsgespräche zu stellen.
Die bayerische SPD-Chefin Natascha Kohnen sprach von einem haarsträubenden Vorgang:
"Jetzt vor möglichen Gesprächen miteinander einen solchen Vertrauensbruch zu begehen, das halte ich für haarsträubend." Natasche Kohnen, bayerische SPD-Chefin
Sie erwartet darum klare Signale der CSU und der CDU, dass man ernsthaft an einer Verständigung mit der SPD interessiert sei und nicht nur CSU Interessen durchsetzen wolle. "Jetzt muss die Union erstmal daran arbeiten das Vertrauen gegenüber uns wieder herzustellen. Das ist der erste Schritt."
Die bayerische SPD-Chefin wüsste auch schon, wie ein Vertrauensbeweis aussehen könnte. Kohnen nannte Eckpunkte, die für sie wesentlich für eine Einigung mit der Union wären. "Abschaffung der Abgeltungssteuer, das ist einer der wichtigen Punkte und mit Sicherheit auch im Gesundheitssystem die Bürgerversicherung." Es sieht so aus, als habe der geschäftsführende Bundeslandwirtschaftsminister sich und der Union einen Bärendienst erwiesen.