90 Jahre Predigtstuhlbahn Bad Reichenhall

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Predigtstuhlbahn in Bad Reichenhall feiert 90-jähriges Bestehen

Der Predigtstuhl über Bad Reichenhall ist ein grober Felsklotz im Lattengebirge und per Seilbahn erreichbar. Vor 90 Jahren, am 1. Juli 1928, wurde die Predigtstuhlbahn eingeweiht. Bis heute fährt sie zuverlässig noch so wie am ersten Tag.

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Über dieses Thema berichtet: Rucksackradio am .

Die Predigtstuhlbahn steht unter Denkmalschutz und ist die älteste noch im Original erhaltene, ganzjährig fahrende Großkabinenseilbahn der Welt - ein alpintechnisches Baudenkmal.

Seilbahntechnisch gilt die Predigtstuhlbahn als „Grande Dame der Alpen“. Sie wurde nach der Rekordbauzeit von nur einem Jahr eröffnet. Für den Bau der drei Stützen hatte man damals 4.000 Kubikmeter Fels mit 22 Tonnen Dynamit weggesprengt. Die Talstation wurde im Stil der Neuen Sachlichkeit errichtet. Schnörkellos und funktional. Neben der markanten Stütze II sind die beiden signalroten Gondeln für jeweils 25 Personen bis heute das Markenzeichen der Predigtstuhlbahn. Damals waren sie ein Novum der Firma Bleichert-Zuegg aus Leipzig: zwölfeckig in „Pavillonform“ und in Leichtbauweise aus Aluminium und Plexiglas, sehr belastungsfähig und kaum windanfällig. Ein Jahr nach der Eröffnung der Predigtstuhlbahn kam es zum bisher einzigen Betriebsunfall. Ein plötzlich aufkommender Föhnsturm ließ das Hilfsseil aus der Führung springen und die Kabinen stoppen, so dass ein Teil der Fahrgäste abgeseilt werden musste.

Höchstes Hotel Deutschlands

Nostalgieflair gibt es auch im Berghotel Predigtstuhl gleich neben der Bergstation in 1585 Metern Höhe. Es ist das höchstgelegene Hotel Deutschlands, seit im Schneefernerhaus auf der Zugspitze keine Gäste mehr logieren können. Ganz bewusst wird hier der spröde Charme der späten 1920er-Jahre kultiviert. Kult für eingeschworene Seilbahnfreaks sind dagegen die Maschinenräume der Seilbahn. Die Tragseilverankerungen im Triebraum werden im Prinzip auch heute noch so konstruiert, der Antriebsmotor hat 95 PS. Alle 30 Fahrten muss der Maschinist den Zahnkranz von Hand mit einem Pinsel schmieren. Und dann gibt es noch spezielle „Schmierfahrten“, bei denen der Gondelschaffner an der jeweiligen Stütze aussteigen und den Tragseilschuh schmieren muss – in schwindelnder Höhe!

Ebenfalls ein technisches Highlight von anno dazumal ist der Fahrstand oben an der Bergstation mit dem Bedientableau für den Maschinisten – hier ist alles noch zu 95 Prozent original erhalten. Es gibt zehn Schaltstufen und Markierungen, die exakt anzeigen, wo sich die Gondeln gerade befinden, wichtig bei Nebel. Zu den Kuriosa der Predigtstuhlbahn zählt auch die Tatsache, dass noch heute über die Tragseile telefoniert wird. Auch alle Kommandos laufen über das Zug- und Tragseil. Die Tragseile haben ein Eigengewicht von 38 Tonnen und die Gondeln auf ihnen rund 1,8 Millionen Kilometer zurückgelegt – eine Strecke von mehr als zweimal von der Erde zum Mond und zurück.

Museum gibt Einblicke in die Geschichte

Übrigens lohnt es sich, auch in das kleine Museum an der Bergstation einen Blick zu werfen. Unter anderem ist dokumentiert, was da so alles im Laufe der Zeit mit der Bahn transportiert wurde: vom auseinandergebauten Segelflugzeug über Maultiere und Pferde bis zur Gams, die nicht nur in der Gondel, sondern bevorzugt auf dem Dach der Gondel tal- und wieder bergwärts fuhr. Die zahme Gams vom Berghotel Predigtstuhl war in den 1930-er Jahren mindestens so berühmt wie die Seilbahn selbst – und zuweilen auch äußerst angriffslustig. Mal hatte sie es auf friedliche Bergwanderer abgesehen, mal auf Hunde und mal auf Nazi-Größen wie Reichsjägermeister Hermann Göring. Ihm hat das kluge Tier einst die Beinkleider zerfetzt.

Festzelt an der Talstation

Das 90jährige Jubiläum wird an diesem Wochenende an der Tal- und Bergstation der Predigtstuhlbahn gefeiert. Im Festzelt an der Talstation gibt es einen Genuss-Markt, im Bergrestaurant werden feine Menüs und in der Almhütte Schlegelmulde deftige Brotzeiten aufgetischt. Mit einer Art Zeitreise wird zudem an die Geschichte der Bahn erinnert.