Im Zentrum für Gen-Therapie arbeiten Mitarbeitende an Maschinen für Gen-Therapie
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Hier wird medizinischer Fortschritt entwickelt

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Heilen wie Jesus - mit Gen-Therapie aus dem 21. Jahrhundert

Krankheiten heilen wie Jesus – oder wie Asklepios bei den alten Griechen. Das will die Forschung leisten. Mit einer neuartigen Gen-Therapie. Die Stoffe dafür werden im neuen Entwicklungszentrum des Pharma-Unternehmens Roche in Penzberg hergestellt.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Oberbayern am .

Das Pharmaunternehmen Roche in Penzberg hat ein neues Entwicklungszentrum für Gen-Therapien eingeweiht. 100 Mitarbeitende werden dort ab Mai an der Entwicklung von sogenannten Vektoren arbeiten, die Menschen mit schweren Krankheiten und Gen-Defekten Heilung versprechen.

Es klingt wie eine Heilungsgeschichte aus dem Neuen Testament: Dass beispielsweise Menschen mit bestimmten Augenkrankheiten wieder sehen können. Der Schlüssel dafür könnte die neue Technik sein, mit der die Forscher in Penzberg Moleküle und Proteine entwickeln wollen, die defekte Gene zum Beispiel bei seltenen Augenkrankheiten reparieren können.

Erste Tests hat Professor Stylianos Michalakis von der Augenklinik der Ludwig-Maximilian-Universität München (LMU) erfolgreich durchgeführt. Die dafür notwendigen Vektoren will das Pharmaunternehmen Roche in Penzberg für diese und viele andere genetisch bedingte Erkrankungen entwickeln.

Behandlung von Augenleiden, Alzheimer oder Parkinson

"Wir wollen nicht nur im Bereich der Augenheilkunde solche Stoffe entwickeln", sagt Markus Haindl, Neurobiologe und Leiter der neuen Entwicklungsabteilung, "wir denken an die Behandlung von neurologischen Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson und können uns in Zukunft bis hin zur Behandlung von Volkskrankheiten viele Behandlungsmöglichkeiten vorstellen."

Der Schlüssel dafür sind Substanzen, die nicht direkt ins Erbgut des Menschen eingreifen – was ethisch umstritten ist – sondern Substanzen in defekte Bereiche der menschlichen Gene bringen, um diese zu reparieren. Es werden also keine Geninformationen aus der DNA ausgeschnitten und ersetzt, sondern mit Proteinen ergänzt, um einen Selbstheilungsprozess von defektem Erbgut in Gang zu bringen, erklärt Markus Haindl.

Das Geheimnis der neuen Technik sind Genvektoren – sie sind das Transportmittel für Nukleinsäuren. Meist werden unschädlich gemachte Bakterien oder Viren dafür verwendet. Mit ihrer Hilfe gelangt die Fremd-DNA zielgenau in die Zelle. So kann ein defektes Gen, das für eine Erbkrankheit verantwortlich ist, repariert werden. Die Produktion dieser Genvektoren erfordert ein sehr komplexes Wissen.

Quantensprung bei der Behandlung seltener Krankheiten möglich

Die Medizin erhofft sich einen Quantensprung in der Behandlung von seltenen Krankheiten. Prof. Ulrike Protzer, führende Virologin von der TU München, sagte bei der Eröffnung, dass mit diesen Vektoren Behandlungen möglich seien, die es bisher nicht gab. Nach ihren Worten seien die Risiken minimal, weil die Herstellung der Substanzen gut kontrolliert würde.

Die Entwicklung von Gen-Therapien ist nicht neu auf dem Gesundheitsmarkt. Etwa 15 Unternehmen haben in Europa eine Zulassung zur Forschung. "Das Neue ist, dass hier Produkte entwickelt werden, die für Erkrankungen des Auges, aber auch für Tumorerkrankungen ausgetestet werden. Und wir wissen alle, ein Hirntumor ist etwas ganz Schreckliches. Da gibt es nicht viel, was man machen kann, und da liegt eine Riesenhoffnung in diesem Bereich", sagt Protzer.

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Hier wird Hoffnung für Millionen Patienten entwickelt

Forschung soll konkurrenzfähig bleiben

Durch die industrielle Herstellung von Vektoren sollen die horrenden Herstellungskosten von geschätzt mehr als einer Million Euro für eine Behandlung für das Gesundheitssystem bezahlbar werden.

Der Geschäftsführer von Roche Deutschland, Prof. Hagen Pfundner, ist überzeugt davon, dass "besonders Menschen mit angeborenen Gen-Defekten Heilung in bestimmten Krankheitsfeldern angeboten werden kann". Er dankte der Bundesregierung für die in die Wege geleitete Gen- und Zellstrategie.

Zentrum geht im Mai in Betrieb

Diese ermögliche Pharma-Unternehmen wie Roche gegenüber der internationalen Forschung in China oder den USA konkurrenzfähig zu bleiben. Er rechnet damit, dass die damit verbundene Diskussion um die Ethik in der Gen-Forschung neue Impulse erhält und zur Akzeptanz der Technik analog der Entwicklung der mRNA-Impfstoffe während der Corona-Pandemie beiträgt.

Im Mai wird das neue Zentrum in Penzberg in Betrieb gehen. 100 Mitarbeitende aus unterschiedlichen Wissenschaftsbereichen werden dort arbeiten und damit auch den Standort Penzberg als wichtigen Ort für die Pharmaforschung weltweit aufwerten. Wie lange es dauert, bis die neuen Behandlungsmethoden Standard in unseren Uni-Kliniken werden, kann heute noch niemand sagen.

Dieser Artikel ist erstmals am 19. März 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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