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Schild der Wohnungsgesellschaft GBW

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GBW: Die Chronologie eines Skandals

Seit dem Verkauf von rund 33.000 GBW-Wohnungen im Jahr 2013 an ein privates Konsortium gibt es Diskussionen. Die Chronologie zeigt die Entwicklung des Skandals von der drohenden Pleite der BayernLB bis zum Untersuchungsausschuss. Von Erich Wartusch

Über dieses Thema berichtet: Bayern am .

In den Wohnungen der 1936 als Baugenossenschaft gegründeten Gemeinnützige Bayerische Wohnungsgesellschaft (GBW) lebten bis 2013 mehr als 80.000 Menschen. Jede dritte Wohnung aus dem GBW-Bestand wurde öffentlich gefördert, die meisten lagen in bayerischen Ballungsräumen wie München, Nürnberg oder Regensburg. Bis zum Verkauf 2013 gehörte die GBW zu knapp 92% der Bayerischen Landesbank, der Rest der Aktien war im Streubesitz.

Juni 2009:

Weil sich die BayernLB bei Immobiliengeschäften in den USA verspekuliert und mit dem Kauf der österreichischen Hypo Group Alpe Adria übernommen hatte, droht der Zusammenbruch. Erstmals wird durch ein vertrauliches Gutachten bekannt, dass zur Sanierung die BayernLB die mehr als 30.000 Wohnungen ihrer Immobilientochter GBW verkaufen könnte. Die GBW-Pressesprecherin betont allerdings, ein Verkauf von Wohnungen stehe nicht zur Debatte.

Oktober 2011:

Die Verkaufsabsicht wird konkreter, gehört zu den Verhandlungen im EU-Beihilfeverfahren für die BayernLB. Münchens Oberbürgermeister Christian Ude und der Mieterverein München machen Druck auf die Staatsregierung: Sie soll dafür sorgen, dass der Verkauf sozialverträglich abgewickelt wird.

Dezember 2011:

Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) schlägt vor, die Wohnungen an die Bayerische Landestiftung abzugeben.

März 2012:

Schlagabtausch in Sachen GBW-Wohnungen: Die Europäische Kommission hat offenbar keine Einwände gegen einen Verkauf der GBW-Wohnungen an den Freistaat Bayern. Münchens OB Christian Ude, der eine Übernahme direkt durch den Freistaat befürwortet, bezichtigt Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) der Lüge. Söder hatte betont, eine Übernahme der Wohnungen durch den Freistaat sei "nicht im Sinne der EU-Kommission und des Beihilfeverfahrens."

Juli 2012:

Die Europäische Kommission genehmigt die Umstrukturierungsbeihilfen für die in finanzielle Not geratene BayernLB. Bedingung ist allerdings, dass die BayernLB in den nächsten sieben Jahren staatliche Beihilfen in Höhe von 5 Milliarden Euro zurückzahlt. Dies soll unter anderem durch den Verkauf der GBW Bayerische Wohnungs-AG geschehen. Ministerpräsident Seehofer schließt eine Übernahme der Wohnungen aus.

August 2012:

Exklusive Verkaufsgespräche mit den Kommunen darf es zwar nicht geben. Mehrere Städte – unter anderem München, Nürnberg und Erlangen - prüfen, ob sie als kommunales Konsortium mitbieten sollen.

Oktober 2012:

Die BayernLB startet den Verkaufsprozess der GBW Gruppe.

April 2013:

Den Zuschlag erhält ein vom Augsburger Immobilienunternehmen Patrizia angeführtes Bieterkonsortium (mit insgesamt 28 Investoren) zum Kaufpreis von knapp 2,45 Milliarden Euro. Patrizia-Gründer Wolfgang Egger versucht, mögliche Bedenken von Mietern am Einstieg der privaten Investoren-Gruppe zu zerstreuen: Alle Investoren seien an langfristiger Rendite interessiert. Teil des GBW-Deals ist eine "Sozialcharta". Darin sind unter anderem Luxussanierungen, ein Kündigungsschutz für über sechzigjährige Mieter oder Eigenbedarfskündigungen binnen zehn Jahren ausgeschlossen. Finanzminister Söder jubelt: "Die GBW bleibt bayerisch".

November 2013:

Erste Meldungen von massiven Mietsteigerungen: In Herzogenaurach und Höchstadt zahlen Bewohner von 130 GBW-Wohnungen seit Juli fast 20 Prozent mehr. In München müssen manche Betroffene Mieterhöhungen von 15 bis 20 Prozent schlucken, bis zu 80 Prozent mehr verlangen die neuen Eigentümer für Garagen und Stellplätze. Und: Seit der Übernahme hat der Augsburger Investor bereits mindestens 220 Wohnungen weiterverkauft.

April 2014:

Es wird bekannt, dass die GBW bis Ende 2015 4488 ihrer gut 33.000 Wohnungen in Bayern verkaufen will. Das sind exakt zwölf Wohnungen weniger als die Sozialcharta erlaubt. Ein von Wirtschaftsprüfern bescheinigter Bericht der GBW kommt nach Angaben von Finanzminister Söder zu dem Ergebnis, dass die Vorgaben der Sozialcharta 2013 "eingehalten wurden". Kündigungen wegen Eigenbedarfs oder Luxusmodernisierungen habe es nicht gegeben. Die Bestandsmieten seien "um durchschnittlich 0,59 Prozent" erhöht worden.

November 2014:

Die Stadt München beschließt den Rückkauf von GBW-Wohnungen. Bis 2016 werden mehr als tausend Wohnungen erworben, um die Mieter vor Luxussanierung und Mietsteigerung zu schützen. Der Kaufpreis ist höher als die Summe, die der Freistaat für den einstigen Verkauf erhalten hatte. Oberbürgermeister Dieter Reiter spricht vom "größten wohnungspolitischen GAU, den es je gegeben hat".

Februar 2018:

Medien berichten von einem Geldwäscheverdacht bei Geschäftspartnern der Patrizia. So soll es beim Verkauf der GBW-Wohnungen vor fünf Jahren einen Zusammenhang mit aus Russland stammendem Schwarzgeld geben. Die Staatsanwaltschaft München I stellt die Ermittlungen nach eigener Aussage aber wegen fehlender Hinweise auf verdächtige Transaktionen ein.

April 2018:

Auf Druck von SPD, Freien Wählern und Grünen wird im Landtag ein Untersuchungsausschuss zur GBW eingesetzt. Darin soll unter anderem geklärt werden, ob der Verkauf der GBW-Anteile notwendig war und sich der Freistaat als Bieter am Verkaufsprozess hätte beteiligen können.