Bildrechte: pa/dpa/Armin Weigel

Passauer Dom

Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Die "Europäischen Wochen" in Zeiten der Krise

Die Europäischen Wochen haben 300.000 Euro Defizit, keinen Intendanten und jede Menge Streit. Trotzdem finden sie statt - wenn auch mit abgespecktem Programm. Eine Zwischenbilanz von Martin Gruber

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 am Samstagvormittag am .

Bei der Premiere im Passauer Stadttheater spielen drei junge Trompeter die neue Hymne der Europäischen Wochen (EW). Kurt Brunner, Leiter der Kreismusikschule und Vorstandsmitglied der EW, hat die Hymne komponiert:

"Die Fanfare drückt das aus, was mich die letzten Monate bewegt hat. Manchmal sind Dissonanzen dabei, die sich dann aber in Wohlgefallen auflösen." Karl Brunner, Komponist und Vorstand

Dissonanzen? Ja - die gab es bei den Europäischen Wochen in den letzten Monaten zuhauf. Ob sie sich aber in Wohlgefallen auflösen? 

Größte Krise seit Bestehen

Ein Selbstläufer sind diese Europäischen Wochen jedenfalls nicht. Eher befinden sie sich in der größten Krise seit Bestehen. Die finanzielle Lage: unsicher. Der Verein: uneins; die Zukunft: ungewiss.

Letztes Jahr noch die totale Euphorie, weil der neue Intendant Thomas E. Bauer neuen Schwung und neue Ideen brachte. Fast wie ein Heilsbringer wurde der bekannte Bariton-Sänger gefeiert. Wenige Monate später dann das totale Zerwürfnis. Bauer will den Festspielverein verjüngen, verlangt neue Strukturen. Die Vorstandschaft blockiert, wirft ihrerseits dem künstlerischen Leiter vor, nicht mit Geld umgehen zu können. Der Streit eskaliert. Der Verein trennt sich von Bauer - nach nur einer Spielzeit. 

Mit einem Bein in der Insolvenz

Es kommt noch schlimmer: Für die diesjährigen Festspiele tut sich ein Finanzierungsloch von mehr als 300.000 Euro auf.

"Wir sind mit einem Bein in der Insolvenz." Vorstand Rosemarie Weber bei einer Mitgliederversammlung.

Das Programm 2018 muss merklich gestutzt werden: Keine "Zauberflöte" von Mozart, kein "Jedermann" von Hugo von Hofmannsthal. Die Festspiele standen sogar auf der Kippe, muss Vorstandsmitglied Kurt Brunner rückwirkend zugeben:

"Bis zur Mitgliederversammlung Ende April stands am Scheideweg: Finden Sie statt, finden sie nicht statt." Kurt Brunner, Vorstandsmitglied

Sogar der bayerische Kultusminister Bernd Sibler, ein oft gesehener Gast bei den Europäischen Wochen, macht sich Sorgen um das Passauer Festival. Wird da gerade eines der kulturellen Highlights im Freistaat gegen die Wand gefahren?

"Ich will den Teufel nicht an die Wand malen. Aber wir alle wissen, dass es schwieriger wird, die Dinge aufzugreifen, wenn es mal abreißt." Bernd Sibler, Bayerischer Kultusminister

Spagat zwischen Kunst und Kasse

Fehleranalyse mit Willi Schmöller, ehemals OB in Passau, und ehemals Vorstand der Europäischen Wochen:

"Einfach waren die Europäischen Wochen nie. Auf der einen Seite hat man einen Intendanten, der künstlerisch motiviert ist, andererseits hat man als Vorstand die wirtschaftliche Seite im Auge zu behalten. Diesen Diskurs zwischen künstlerisch Wünschenswertem und wirtschaftlich Machbarem hat es in den letzten zehn bis 20 Jahren immer gegeben. Da muss man halt schauen, einen Kompromiss hineinzubringen." Willi Schmöller, Passauer Alt-OB

Einen Kompromiss hätte sich auch Georg Steiner gewünscht, Vereinsmitglied und den Europäischen Wochen seit 40 Jahren verbunden. Ein großer Fehler sei es gewesen, sich von Intendant Bauer zu trennen, meint er:

"Man hatte hier einen Künstler und Organisator, der Visionen hatte. Dass es finanziell schwierig war, dass sie nicht miteinander konnten, das ist so. Aber da gehören immer zwei dazu. Ich bedauere, dass es so weit gekommen ist. Es geht jetzt nicht nur darum, einen neuen Intendanten zu finden, weil sich damit die finanziellen Probleme nicht lösen. Das Festival muss strukturell, organisatorisch und personell neu aufgestellt werden." Willi Schmöller, Passauer Alt-OB

Kritik am Vorstand

Mehr Kritik an der Vorstandschaft geht kaum. Und die ist jetzt auf der Suche - nach neuen Strukturen und nach einem Intendanten - einem, der Kunst kann und bei einem Festival-Budget von etwa 1,5 Millionen Euro auch Finanzen können muss. Überstürzen will der Verein nichts. Nächstes Jahr soll ein Übergangsintendant die Festspiele künstlerisch verantworten. Ab 2020 soll es dann wohl eine Dauerlösung geben.