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Am Tag der offenen Klöster Wettenhausen erleben

In Wettenhausen bei Günzburg haben sich vor zehn Jahren die dortigen Dominikanerinnen zum Bleiben entschlossen. Seither ist das klösterliche Leben dort wieder gewachsen. Am heutigen Tag der offenen Klöster locken viele Veranstaltungen. Von G. Bayerle

Das Sterben der Klöster scheint ein Trend zu sein, der kaum aufzuhalten ist. Neben dem eigentlichen Ordensleben geht dabei viel Geschichte und Kultur verloren. Viele machen es sich erst bewusst, wenn es zu spät ist.

In Wettenhausen ist das klösterliche Leben wieder gewachsen.

Eine Welt für sich

Wettenhausen war einmal eines jener Klöster, die wie eine Welt für sich funktionieren konnten: mit Sägewerk, Mühle und Brauerei, stucküberfluteten Sälen, Marmortreppen und langen Fluren. Einst gebaut für hunderte Bewohner, heute sind es noch 10. Ganze Gebäudeteile sind renovierungsbedürftig und trotzdem ist da etwas in den Räumen, wie die jüngste der Klosterschwestern, Mechthild, sagt.

"Selbst in so Räumen, die eigentlich seit Jahren, oder teilweise seit Jahrzehnten in der Ökonomie nicht mehr benutzt werden: Da sieht man immer noch ein Kreuz an der Wand hängen, oft steht noch die Inschrift in der Tür, der Segen von den Sternsingern. Man sieht, das war lange Zeit geistiges Leben, irgendwie spürt man des immer noch." Schwester Mechthild

"Wir sind vom Land"

Mit zwei Mitschwestern ist sie dem Konvent beigetreten, der vor zehn Jahren schon auf der Kippe war. Die Priorin Schwester Amanda stand mit dem kleinen Häuflein verbliebener Dominikanerinnen vor der Entscheidung, das Kloster zu verlassen. Aber die kleine Gemeinschaft wollte bleiben:

"Du kannst doa, was du willst, aber wir gehen ned weg. Uns allen wär’s sehr schwer gfallen in ein städtisches Kloster zum Beispiel in Augsburg zu gehen; wir sind vom Land, wir brauen an großen Garta und wir haben wunderschöne Räume. Wir könnten uns ned vorstellen, dass wir eingeengt da leben könnten." Schwester Amanda

Tatsächlich wirkt der prachtvolle weiße Klosterbau wie eingewachsen in die Hügel des Kammeltals. Eine stimmige Verbindung von Natur und Kultur, die trotzdem in Vergessenheit geraten war. 

Notaktion hat den monumentalen Dachstuhl in Wettenhausen gerettet

So sehr, dass es fünf nach 12 war, als die Schwestern einen Teil des monumentalen Dachstuhls in einer Notaktion aus eigenen Mitteln sanieren ließen. Im barocken Prachtraum, dem Kaisersaal, waren bereits Stücke vom Stuck von der Decke gestürzt. Heute noch herrscht teilweise Absturzgefahr.

300 Jahre alte Balken mussten erneuert und stückweise ausgetauscht werden. Eine Fuhre der verwitterten Holzteile landete beim Bildhauer und Theologen Franz Hämmerle in Windach:

"Geht da noch was oder nicht? Weil es so morsch war, dass vieles rausgebrochen ist. Dann kamen aber feste Teile mit Ästen. Ich bin der Maserung nach hochgegangen: Da kam eine Bewegung, die nach barockem Ornament aussieht." Franz Hämmerle

In barocker Manier vergoldet

Einzelne Teile des in sich gedrehten und halb aufgerissenen Holzkörpers hat Franz Hämmerle dann in barocker Manier vergoldet und eine Bronzestatue mit zum Himmel erhobenen Armen in die Szene platziert: Glanz und Vergänglichkeit, Verfall und Hoffnung drückt die Skulptur aus. Bei jedem einzelnen Stück hat Franz Hämmerle erst einmal herumprobiert:

"Morsche Teile lass ich so stehen, dass man den Balken, das Ursprüngliche noch sieht, wenn man tiefer geht, dann kommt das gute Holz dann raus." Franz Hämmerle

Aus einigen Holzbrocken hat der Künstler Franz Hämmerle Figuren herausgeschält, die immer noch von Resten des einstigen Dachbalkens umgeben sind.

"Weil es aus dem Holz unseres Hauses ist, ist es etwas Besonders. Ich find des auch so schön bei den Skulpturen, dass man den alten Balken au no sieht, als Rückwand oder als Sockel." Schwester Amanda

Altes Holz und frischer Geist

Aus dem Abfall der Notsanierung des Dachstuhls ist ein ganz eigener und neuer Wert entstanden. Eichen- und Tannenbalken, die zuvor schon 100 bis 150 Jahre in den Wäldern um das Kloster gewachsen waren, bevor sie vor 300 Jahren zum Dach verbaut wurden, wirken jetzt wie beseelt. Altes Holz und frischer Geist, nennt Schwester Amanda diese Wandlung, die auch der Künstler Franz Hämmerle wie ein Symbol sieht:

"S’entspricht auch den Schwestern, die bemüht sind, Neues zu bringen, für die Zeit, für Leute, Inspirationen zu geben, Impulse zu geben." Franz Hämmerle

Der alte Bau mit seinen langen, leeren Gängen, den verwaisten und baufälligen Ökonomiegebäuden lebt auf. Die Skulpturen sind ein eindrückliches Beispiel, das jeder erlebt, der den vom schweren Stuck überwölbten Prunksaal betritt:

"Also des is schon interessant für mich, der Kaisersaal riesig, aber diese paar Skulpturen füllen den ganzen Raum, gefühlt ist der Raum belebt." Schwester Mechthild

Dass das funktioniert, zeigt sich an einer Gruppe von Frauen, die zum Malkurs im Kloster sind:

"Es ist beeindruckend, was man aus diesen Holzklötzen machen kann, in diesem schönen Saal. Und dann eben auch Schwestern, die leben und spazieren gehen und ihre Tätigkeit hier verrichten." Teilnehmerinnen vom Malkurs

Religion und Kultur gehören zusammen

Die Eindrücke aus den Räumen und von Gesprächen mit den Schwestern bauen sie dann in ihre Zeichnungen ein, erzählen die beiden Damen vom Malkurs. So hat Religion immer schon stattgefunden, erklärt Schwester Mechthild.

"Religion und Kultur gehört immer schon zusammen, denn Religion sucht sich Ausdruck. Das gehört zusammen, um es lebendig zu machen. Wir haben viel gewachsene Kultur, die barocken Decken und Stuck und neue Kultur, die dazu kommt und heutige Menschen auf eine heutige Art anspricht." Schwester Mechthild

Großer Zuspruch

Die Anwesenheit und Sichtbarkeit der Schwestern wirkt auf den Besucher, mit Exerzitien und Fragerunden für die Schülerinnen und Schüler des benachbarten Gymnasiums ziehen sie immer mehr Menschen an. Vom Zuspruch eines ersten Berufungstreffens für interessierte Frauen war Schwester Mechthild selbst völlig überrascht, berichtet Priorin Amanda:

"Schwester Mechthild ist 33 Jahre, die möchte nichts lieber als junge Frauen um sich. Wir waren ganz erstaunt, in diesem März kamen 14 junge Frauen; und keine verschrobenen; junge Frauen zwischen 20 und 30. Wir alte Schwestern ham gsagt, gibt’s so viele, die sich interessieren." Schwester Amanda

Der frische Geist wirkt und könnte sich weiter ausbreiten, denn er ist wieder spürbar geworden.

Zum Tag des offenen Klosters finden in Wettenhausen heute den ganzen Tag über besondere Führungen und Veranstaltungen statt. Um 14.30 Uhr gibt es eine Meditation zu einigen der Skulpturen und um 15.30 Uhr dann eine Versteigerung: Aus Resten alter Dachbalken sind Skulpturen entstanden. Der Erlös wird großenteils für die weitere Dachsanierung verwendet.