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Allgemeinmedizin Schmerzhafte Harnwegsinfektionen vorbeugen!

Jede zweite Frau in Deutschland leidet mindestens einmal im Lauf ihres Lebens an einer Blasenentzündung. Das ist nicht nur extrem schmerzhaft, in schweren Fällen kann sich daraus eine Nierenbeckenentzündung entwickeln. Allgemeinarzt Dr. Klaus Tiedemann gibt Tipps, wie Sie mit einfachen Maßnahmen Harnwegsinfektionen vorbeugen können.

Stand: 20.12.2021 08:34 Uhr | Archiv

In 80 Prozent der Fälle wird eine Harnwegsinfektion durch Bakterien, meist Kolibakterien, verursacht, die normalerweise im Darm vorkommen. Frauen erkranken aufgrund ihrer Anatomie etwa doppelt so häufig an einer Harnwegsinfektion wie Männer, denn bei Frauen können die Bakterien aufgrund des geringen Abstands von Anus und Harnröhre leicht in diese gelangen. Dort können sie rasch bis zur Blase aufsteigen, da die Harnröhre bei Frauen mit etwa drei bis fünf Zentimetern relativ kurz ist. Die männliche Blase ist besser geschützt, da der Abstand zwischen Harnröhreneingang und Anus größer und die Harnröhre an sich länger ist (etwa 20 bis 25 Zentimeter).
In seltenen Fällen wird die Harnwegsinfektion durch Viren oder Pilze ausgelöst.

Das begünstigt eine Harnwegsinfektion

  • Falsche Hygiene im Intimbereich, wenn sich beispielsweise Frauen nach dem Toilettengang von hinten nach vorne abwischen. So können Darmbakterien in die Harnröhre gelangen.
  • Geschlechtsverkehr, weil dadurch Keime und Bakterien aus der Vagina oder dem Darm in die Harnröhre gelangen können und die Harnröhrenschleimhaut mechanisch geschädigt wird.
  • Kälte / Unterkühlung, weil dadurch die Immunabwehr der Blase geschwächt wird und sich Bakterien ausbreiten können.
  • Wechseljahre, weil durch die hormonelle Umstellung die Schleimhäute austrocknen und sich dadurch Bakterien leichter ansiedeln und vermehren können.
  • Verwendung aggressiver Seifen oder Intimsprays, weil dadurch die Schleimhäute gereizt werden und die natürliche Scheidenflora aus dem Gleichgewicht geraten kann, wodurch sich Bakterien leichter ansiedeln.
  • Bei Männern kann eine Blasenentzündung beispielsweise durch eine Prostatavergrößerung ausgelöst werden, da der Harn nicht mehr vollständig abfließen kann.
  • Selten kann eine Blasenentzündung auch durch Harnsteine, Blasentumore, Nierensteine oder eine Fehlbildung der Harnwege (beispielsweise Verengung) verursacht werden, da sich bei diesen Krankheiten Harn anstaut.

Symptome einer Blasenentzündung

  • Schmerzen / Brennen beim Wasserlassen
  • häufiger oder ständiger Harndrang
  • Ausscheidung geringer Harnmengen
  • Schmerzen, manchmal auch Krämpfe, im Bereich des Unterbauches
  • bei manchen Patienten: blutiger, trüber oder beißend riechender Urin

Sofortmaßnahmen bei den ersten Anzeichen einer Blasenentzündung

  • Trinken Sie mindestens zwei (besser vier) Liter Wasser oder Tee, um die Blase durchzuspülen und die Bakterien auszuschwemmen. Außerdem wird dadurch der Urin verdünnt, so dass das Wasserlassen nicht mehr so schmerzhaft ist.
  • Meiden Sie Kaffee, schwarzen Tee, Alkohol und säurehaltige Fruchtsäfte. Am besten ist es, wenn Sie Blasen- und Nierentees trinken, die die Harnproduktion anregen und desinfizierend wirken.
  • Gehen Sie oft Wasserlassen, um die Bakterien auszuspülen.
  • Achten Sie darauf, dass Ihr Unterleib, Ihre Füße und Ihr Rücken immer warm und trocken sind. Ziehen Sie dicke Socken an oder machen Sie warme Fuß- oder Sitzbäder (beispielsweise mit Kamillenzusatz), wickeln sich in eine Decke und wärmen Ihren Unterleib mit einer Wärmflasche.
  • Verzichten Sie auf Sex, um das Eindringen neuer Bakterien zu verhindern.
  • Nehmen Sie Cranberrys in Form von Saft, Tabletten oder Kapseln zu sich.

Cranberrys gegen Harnwegsinfekte

Cranberryprodukte helfen nicht nur bei akuten Harnwegsinfekten, sie sind auch eine wirkungsvolle Vorbeugemaßnahme. Ein regelmäßiger Konsum ist daher für Patienten zu empfehlen, die zu Harnwegsinfekten neigen.

Mögliche Komplikationen bei Harnwegsinfekten

97 Prozent aller Harnwegsinfekte sind komplikationslos und müssen nur selten antibiotisch behandelt werden. Es können jedoch auch Komplikationen entstehen:

  • Die Bakterien können über die Harnleiter in die Niere wandern und dort eine Nierenbeckenentzündung auslösen, die die Niere dauerhaft schädigen kann. Anzeichen dafür sind: Fieber, Schüttelfrost, Schmerzen im Bereich der Nieren (Höhe obere Lendenwirbelsäule, nicht tief unten, wie oft vermutet wird), Blut im Urin, Übelkeit und Erbrechen.
  • Bei Männern können die Bakterien in die Prostata gelangen und dort eine Entzündung hervorrufen.
  • Blasenentzündungen können zudem chronisch werden. Davon sind vor allem ältere Frauen während und nach den Wechseljahren mit sehr regem Sexualleben betroffen. Eine chronische Blasenentzündung kann dazu führen, dass das Gewebe in der Blase dauerhaft geschädigt wird und die Blase schrumpft. Man spricht dann von einer Schrumpfblase.

Wann zum Arzt?

  • Kinder und Schwangere sollten bei einer Blasenentzündung immer zum Arzt gehen.
  • Alle anderen sollten einen Arzt aufsuchen, wenn die Beschwerden trotz Selbstbehandlung nach zwei Tagen nicht weg sind sowie bei Verdacht auf eine Nierenbeckenentzündung.

Tipp:

Bringen Sie gleich Morgenurin mit. Wichtig ist, dass es sich um "Mittelstrahlurin" handelt, das heißt: die erste Urinportion geht in die Toilette, dann eine Probe auffangen, der Resturin geht wieder in die Toilette.

So können Sie Harnwegsinfekten vorbeugen

  • Trinken Sie viel, um Bakterien auszuspülen.
  • Meiden Sie Nässe, Kälte und Zugluft. Setzen Sie sich beispielsweise nicht auf einen kalten Boden und vermeiden Sie es, nasse, kalte Füße zu bekommen. Wechseln Sie nasse Badekleidung immer sofort.
  • Achten Sie auf richtige Hygiene im Intimbereich (von vorne nach hinten abputzen).
  • Verwenden Sie keine parfümierten oder aggressiven Intimpflegemittel, da diese die Scheidenflora zerstören und Bakterienvermehrung begünstigen. Besser ist es, sich mit Wasser und einer milden Waschlotion zu reinigen.
  • Gehen Sie vor und nach dem Geschlechtsverkehr auf die Toilette. Dadurch werden Keime ausgespült.
  • Tragen Sie warme und bequeme Unterwäsche.
  • Stärken Sie Ihr Immunsystem, indem Sie genügend schlafen, sich ausreichend an der frischen Luft bewegen und auf eine gesunde Ernährung achten.
  • Halten Sie Ihren Harndrang nicht zu lange zurück, denn dadurch kann die Blasenmuskulatur verkrampfen. Das wiederum kann dazu führen, dass die Blase nicht mehr vollständig entleert wird. Im Resturin, der in der Blase verbleibt, können sich Bakterien bilden.

Bleiben Sie gesund! Ihr Dr. Klaus Tiedemann und "Wir in Bayern"


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