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Zahnimplantate Immer beliebter, doch auch sinnvoll?

Wenn Zähne kaputt sind oder Zahnlücken gefüllt werden sollen, dann können Zahnimplantate helfen. Solche künstlichen Zahnwurzeln werden in Deutschland zunehmend gesetzt. Doch sind sie immer die beste Lösung?

Von: Veronika Scheidl

Stand: 21.05.2023

Auf schöne Zähne und ein strahlendes Lächeln legt Helga Schiegg sehr viel Wert. Doch trotz aller sorgfältiger Zahnpflege hat die 67-Jährige immer wieder Probleme und Schmerzen, vor allem an den Backenzähnen.

"Ich habe sie immer behandeln lassen beim Zahnarzt, eine Weile ist das gut gegangen. Dann hat es wieder angefangen und jetzt habe ich gesagt, jetzt mag ich nimmer."

Patientin Helga Schiegg

Die zwei hintersten Zähne im rechten Oberkiefer hat sich Helga Schiegg Anfang des Jahres ziehen lassen. In die Lücke sollen nun zwei Zahnimplantate, also künstliche Zahnwurzeln. Dafür wird sie mehrere Tausend Euro ausgeben. Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen dabei nur einen geringen Festzuschuss für Zahnersatz. Es empfiehlt sich eine Zusatzversicherung, die Implantate mit abdeckt. Für sie ist es gut investiertes Geld, sagt Rentnerin Schiegg. Schon vor einigen Jahren habe sie sich im linken Oberkiefer Zahnimplantate setzen lassen, die bis heute sehr gut sitzen.

Zahnimplantate-Markt in Deutschland wächst stetig

Doch für wen sind Zahnimplantate geeignet? Und auf was müssen Patientinnen und Patienten achten? In Deutschland werden jährlich gut eine Million Zahnimplantate gesetzt – und der Markt wächst. Der Münchner Zahnarzt und Gutachter Eberhard Riedel sieht diesen Trend kritisch, denn viele Zahnimplantate seien überflüssig oder würden gar falsch gesetzt. "Es geht darum, Implantate zu setzen, die strategisch wichtig sind. Dazu gehört eine vorausschauende Planung. Und dann sind Implantate durchaus segensreich", sagt Riedel. Er empfiehlt, sich zunächst vom Hauszahnarzt genau untersuchen und beraten zu lassen, ob es Alternativen zu einer künstlichen Zahnwurzel gibt. Falls nein, solle man sich dann zu einer erfahrenen Implantologie-Praxis überweisen lassen.

Viele Zahnimplantate benötigen einen Knochenaufbau

Bei Helga Schiegg sind Implantate sinnvoll und die beste Lösung, sagt der Münchner Kieferchirurg Andreas Hoffmann. Für ihn ist es ein Standardeingriff – für die Operation wird Helga Schiegg sediert, der Kiefer betäubt.

"Ein herausnehmbarer Zahnersatz wäre auch möglich gewesen. Man braucht aber eine Gaumenabdeckung, das ist für den Patienten eine deutliche Verschlechterung beim Kaukomfort. Auch was den Geschmack angeht, ist es dann deutlich schlechter, als mit einem festen Zahnersatz, der sich wie eigene Zähne anfühlt"

Dr. med. Dr. med. dent. Andreas Hoffmann, Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, München

Der Chirurg wendet eine spezielle Operationsmethode an, den externen Sinuslift. Denn ist ein Kiefer für längere Zeit zahnlos und wird beim Kauen nicht benutzt, bildet sich der Knochen zurück. Auch bei Helga Schiegg ist der Oberkieferknochen nicht breit und hoch genug, um das Implantat sicher zu verankern. Deswegen ist ein Knochenaufbau nötig: Dazu schafft der Chirurg einen kleinen seitlichen Zugang durch Zahnfleisch und Knochen zur Kieferhöhle. Die Schleimhaut, die die Kieferhöhle auskleidet, wird nach oben verschoben

Den entstehenden Hohlraum füllt der Chirurg mit Knochenmaterial, daraus baut der Körper im Laufe der Zeit neuen Knochen. Das Implantat kann je nach vorhandenem Eigenknochen entweder später oder auch sofort eingeschraubt werden. Bei Helga Schiegg werden die Implantate gleich verschraubt. Danach vernäht der Chirurg das Zahnfleisch zu, damit alles geschützt ausheilen kann. Die Operation ist nach einer Dreiviertelstunde vorbei. Wichtig sind nun die Röntgenbilder: Sie sollen gleich zeigen, ob die Implantate richtig verschraubt sind. Und es sieht gut aus: Beide Implantate sitzen passgenau. Helga Schiegg soll sich in den kommenden Tagen von ihrer Operation erholen. In etwa einem halben Jahr ist ihr Kieferknochen ausgeheilt. Dann wird das Zahnfleisch über den Implantaten aufgeschnitten, damit ihre Zahnkronen aus Keramik aufgeschraubt werden können.

Gutachter sieht immer wieder schwere Behandlungsfehler

Bei Implantatsetzungen können aber Behandlungsfehler passieren, stellt Zahnarzt und Gutachter Eberhard Riedel fest. Auf seinem Tisch landen immer wieder schwere Fälle wie der einer Patientin. Die Röntgenaufnahmen zeigen, dass ein lockeres Implantat in die Oberkieferhöhle gerutscht ist. Ein weiteres Implantat hat einen Nerv beschädigt, sodass Unterlippe und Kinn bei der Patientin taub wurden.

"Das ist natürlich ein sehr übler Zustand, der hätte vermieden werden können, wenn hier sauber ausgemessen worden wäre, wie lang das Implantat sein darf, um den Nerv nicht zu beschädigen."

Dr. med. dent. Eberhard Riedel, Zahnarzt, Gutachter für Privatversicherungen, München

Sofortimplantate: Zahn raus, Implantat rein

Auch der Münchner Oralchirurg Claudio Cacaci empfiehlt, achtsam zu sein und sich lieber mal eine zweite Meinung einzuholen. Er beobachtet, dass Zahnimplantate von Praxen oft stark beworben werden – das könne dann schon mal unseriös sein, sagt Cacaci, der auch im Vorstand des Landesverbandes Bayern der Deutschen Gesellschaft für Implantologie (DGI) sitzt. "Es werden viele Dinge versprochen, die in den meisten Fällen auch gar nicht einhalten können, wie etwa ‚Teeth in One Day‘, also ‚Zähne an einem Tag‘, die sollen dann sofort belastet werden können."

Doch solche "Sofortbelastungen" seien nur in Ausnahmefällen möglich. Dagegen setzt Cacaci oft so genannte Sofortimplantate. Das bedeutet, dass ein Zahn gezogen und sofort die künstliche Wurzel gesetzt wird. Das sofortige Einsetzen heißt aber nicht, dass das Implantat sofort belastet werden kann – auch hier dauere es je nach Patient mehrere Wochen.

Sofortimplantate kommen hauptsächlich im Frontzahnbereich zum Einsatz, sagt Cacaci.

"Sofortimplantate setzen wir vornehmlich dann ein, wenn die umliegenden Gewebestrukturen gesund sind, wenn keine Entzündungen oder parodontale Erkrankungen vorliegen. Immer dann, wenn genug Knochen vorhanden ist, dann sind Sofortimplantate in der Front sinnvoll."

Dr. med. dent. Claudio Cacaci, Fachzahnarzt für Oralchirurgie und Implantologie, München

Trotzdem wird häufig ein zusätzlicher Knochenaufbau gemacht. So wie bei Volker Hahn. Einige Monate hat er ein Provisorium über dem Implantat getragen. Heute wird seine endgültige Krone aus Keramik festgeschraubt: "Vorher, als das Provisorium drinnen war, konnte ich nicht richtig lachen, das geht alles wieder. Fühlt sich gut an, jetzt freue ich mich, dass das überstanden ist", sagt Volker Hahn und strahlt.

Zahnkronen aus dem 3D-Drucker

Standardmäßig sind Zahnkronen aus Keramik, sie werden bei ihrer Herstellung gefräst oder geschliffen. Doch unter anderem an der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik in München wird auch an Zahnersatz aus dem 3D-Drucker geforscht.

Zunächst wird das Gebiss mit einem Intraoralscanner gescannt, um ein digitales Abbild der Zähne zu bekommen. Diese und weitere Daten, zum Beispiel von Röntgenbildern, werden dann am Computer weiterverarbeitet, der Zahnersatz wird genau modelliert. Aus diesen Modellen können dann bis zu 15 Kronen gleichzeitig aus Kunststoff und keramischen Füllstoffen "gedruckt" werden, und das innerhalb von 40 Minuten. Fräsen und schleifen dauert da deutlich länger.

"Der Vorteil liegt darin, dass wir zum einen mechanische Eigenschaften beeinflussen können, aber auch ästhetische. Das heißt, wir können beispielsweise die Farbe innerhalb des Bauprozesses verändern und damit näher an den wirklichen Zahn kommen"

M.Sc. Josef Schweiger, Dentaltechnologe, Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik, LMU Klinikum München

Klinische Studien mit 60 Patientinnen und Patienten, zusammen mit der Frankfurter Universität, sollen nun zeigen, wie belastbar die Kronen aus dem 3D-Drucker sind und auch, wie und ob sich Plaque anlagert und sich der Zahnersatz verfärbt im Laufe der Zeit. Josef Schweiger ist sich schon jetzt sicher, dass der 3D-Druck in der Dentaltechnologie zunehmend an Bedeutung gewinnen wird, eben "weil wir Kronen ganz individuell bauen können."


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