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Mühldorf-Korrespondentin Nadine Cibu Abstand halten und trotzdem Nähe aufbauen

Bei ihrer Arbeit erlebt Nadine Cibu oft, dass es in dieser schweren Zeit immer neue Wege und Lösungen gibt. Für uns berichtet die Korrespondentin im BR-Studio Mühldorf über ihren Alltag und die Resonanz der Menschen.

Von: Michael Peer, Ursula Zimmermann (Unternehmenskommunikation)

Stand: 08.05.2020

Nadine Cibu mit Mundschutz an BR Kamera | Bild: Innsalzach24

Frau Cibu, wie hat sich Ihr Arbeitsalltag in den letzten Wochen verändert?

"Nah am Menschen dran sein" – das ist normalerweise mein Ziel, wenn ich einen Beitrag mache. Und besonders für Fernseh-Reportagen bedeutet das wortwörtlich "nah dran sein". Durch die aktuelle Situation müssen wir jedoch einen Mindestabstand wahren, können die Menschen also nur mit Distanz begleiten. Dadurch muss ich mir eine neue Form des "Annäherns" erarbeiten, die mir es erlaubt, Abstand zu halten, und trotzdem Nähe aufzubauen.

Menschlichkeit oder Mensch-Sein ist hier das Stichwort: Wenn zum Beispiel die Mundmaske mal wieder hochrutscht und die Augen verdeckt oder die Jacke am Klebestreifen für den Mikrofonschutz hängen bleibt, dann ist das Eis schnell gebrochen. Und der Abstand wirkt gar nicht mehr so groß. 

Bei all den Veränderungen, die derzeit Ihren Arbeitsalltag bestimmen, gibt es in Ihrem Berichtsgebiet eine besondere Herausforderung?

Unsere Korrespondentin in Mühldorf

Nadine Cibu ist mit Laila Heyne Korrespondentin im BR-Studio Mühldorf. Mehr Infos zum Studio gibt es hier.

Vielen Menschen geht es durch die aktuelle Situation nicht gut. Sei es gesundheitlich, seelisch oder auch wirtschaftlich.

Es ist jedoch nicht möglich, jedes Einzelschicksal in einem Beitrag abzubilden. Umso schwerer fällt es mir, aus der Masse an Geschichten, eine auszuwählen und eine andere dafür fallen zu lassen. Am liebsten würde ich jedem Schicksal ein wenig Aufmerksamkeit schenken, doch das ist einfach nicht machbar.

Haben Ihre Protagonisten Vorbehalte? Ist es schwerer jemanden zu interviewen?

Im Gegenteil: Die Menschen sind sehr offen, suchen aktiv den Kontakt zu uns. Jetzt sogar noch stärker als bisher. Jedoch spüre ich bei jedem neuen Treffen Unsicherheit bei meinen Protagonisten: Soll ich die Maske aufbehalten? Darf ich näher ran? Gelten die Vorschriften auch in dieser speziellen Situation? Da braucht es am Anfang nochmal etwas mehr Zeit, um diese Unsicherheiten aus dem Weg zu räumen. 

Gibt es im Gegenteil positive Reaktionen, dass Ihre Arbeit gerade jetzt sehr wichtig ist?

Besonders jetzt habe ich das Gefühl, dass die Menschen unsere Arbeit mehr Wert schätzen.

Nicht nur, dass wir eine verlässliche Quelle sind. Sondern wir werden auch als diejenigen gesehen, die ihre Sorgen und Ängste wahrnehmen, ernstnehmen und darüber sprechen. Da kriege ich deutlich mehr Dankes-Mails oder mal eine liebe Sprachnachricht.
Ich mache meine Arbeit, fast wie immer. Aber es scheint, als würden sich die Menschen ein bisschen mehr Zeit nehmen, um unserer Berichterstattung zu folgen.

Gibt es nur noch Corona-Themen?

Zu Beginn der Ausgangsbeschränkungen (und auch schon davor), lag der Fokus stark auf Corona-Themen. Jedoch gibt es trotzdem Geschichten, die erzählt werden müssen und die jetzt keinen Corona-Bezug haben.
Ich finde, es lässt wieder etwas nach. Jedoch schleicht sich der Corona-Aspekt immer wieder ein. Denn das Leben ist nun mal anders, und somit verändern sich auch die Geschichten. Wie oft höre ich den Satz "Hätten wir keine Beschränkungen, würden wir eigentlich ..."

Ist Ihnen eine Geschichte besonders in Erinnerung geblieben?

Einer der schönsten Drehs: Ich durfte dabei sein, wie eine Tochter ihre Mutter im Seniorenheim besucht hat – und zwar "durch" ein Fenster. Um die Einsamkeit der Seniorinnen und Senioren erträglicher zu machen, bietet dieses Heim eine Viertelstunde Besuch an, wobei sich die Familien durch ein gekipptes Fenster sehen.
Mitzuerleben, wie sehr sich die Tochter freut, ihre Mama durch die Scheibe zu sehen – und umgekehrt, war auch für mich sehr emotional und bewegend. Besonders die Umarmung ohne Berührung – Mama und Tochter haben jeweils ihre Arme fest um den eigenen Körper geschlungen und sich so gedrückt – zeigte mir, dass es auch in dieser schweren Zeit immer neue Wege und Lösungen gibt.

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BR24

Mit dem "Kontaktfenster" gegen die VereinsamungKeine Besuche, kaum Ansprache - gerade für viele Ältere sind die Ausgangsbeschränkungen aufgrund der Coronakrise eine echte Belastung. In Waldkraiburg hat ein Senioren-Zentrum sich deswegen etwas einfallen lassen: das "Kontaktfenster".Gepostet von BR24 am Sonntag, 12. April 2020

Was nehmen Sie aus dieser Zeit mit?

In dieser Zeit, finde ich, gibt es eine wichtige Erkenntnis: ohne Gesundheit geht nichts. Und auch wir können uns nicht endlos überarbeiten und noch mehr in einen sowieso schon vollen Arbeitsalltag reinstopfen.

An erster Stelle kommt die eigene Gesundheit, die Sicherheit beim Arbeiten und dann der Rest. Die Ausgangsfrage war nicht mehr: Wie schnell kann ich da sein? Sondern: Habe ich alle Vorkehrungen getroffen, um sicher arbeiten zu können?  Der Arbeitsalltag hat sich entschleunigt, der Schwerpunkt liegt immer noch auf einer außerordentlichen journalistischen Leistung, aber nicht um jeden Preis.


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